Kiel (pm). Auch nach Übernahme der A-20-Planungen durch die Projektmanagementgesellschaft DEGES bleibt der Weiterbau der Ost-West-Magistrale ein dickes Brett: Wie Ministerpräsident Daniel Günther und der zuständige DEGES-Bereichsleiter Bernd Rothe heute (24. Oktober) in Kiel zusammen mit Verkehrsminister Dr. Bernd Buchholz erläuterten, sei angesichts des zunehmend komplexen Planungs- und Umweltrechts frühestens in zwei bis drei Jahren mit ersten Bautätigkeiten an der A 20 östlich der A 7 zu rechnen. „Das setzt allerdings voraus, dass das Bundesverwaltungsgericht kommenden Monat die Klagen gegen den Weiterbau auf dem Abschnitt zwischen Wittenborn bei Bad Segeberg und der A 7 zurückweisen wird“, sagte Günther. Er erinnerte an den bislang steinigen Weg des A-20-Baus: Seit 1992 seien in Schleswig-Holstein gerade einmal 39 der 112 Kilometer langen Autobahn fertiggestellt worden.
Die Verfahren um den ebenfalls beklagten Abschnitt bei Bad Segeberg werden sich laut Günther und Rothe absehbar bis 2022 hinziehen. Klar bleibe aber, dass die Autobahn für das Land höchste Priorität behalte und von dem aktuell fünfzehnköpfigen DEGES-Team an allen Abschnitten mit Hochdruck weitergearbeitet werde. Auch setze die Landesregierung alles daran, dass das vom Bund angekündigte Planungsbeschleunigungsgesetz Verbesserungen mit sich bringen werde.
Nach den Worten von Verkehrsminister Buchholz laufen parallel zu den Planungs- und Gerichtsverfahren auch die vertraulichen Gespräche mit den klagenden Naturschutzverbänden und Gemeinden weiter. „Auch wenn wir mit den Verbänden noch keinen Durchbruch erzielen konnten, so haben wir immerhin erreicht, dass die Gemeinde Klein Gladebrügge ihre Klage gegen den Abschnitt zwischen der A 7 und Wittenborn zurückgezogen hat“, so Buchholz. Statt über vier Klagen müsse das Verwaltungsgericht übernächste Woche deshalb nur noch über drei Klagen verhandeln. Sollten die verbleibenden Klagen scheitern, könne bereits kommendes Jahr mit den ökologischen Ausgleichsmaßnahmen auf dem Abschnitt begonnen werden.
Mit Blick auf den A-20-Abschnitt bei Segeberg erinnerte DEGES-Bereichsleiter Rothe daran, dass er mit seinen Fachleuten ebenfalls versuche, die Expertise der Umweltverbände einzuholen, um beim Artenschutz ein Einvernehmen zum Umfang und zur Funktionssicherung der Schutzmaßnahmen zu erreichen. Ziel sei, im Sommer kommenden Jahres das Planergänzungsverfahren zu beantragen.
Zur Erinnerung: Im Jahr 2013 hatte das Bundesverwaltungsgericht den Stopp des Weiterbaus der A 20 bei Bad Segeberg unter anderem mit unzureichender Überprüfung alternativer Trassenverläufe und unzureichender Berücksichtigung der Fledermaus-Vorkommen begründet. Dies wird aktuell in aufwändigen Fehlerheilungsverfahren nachgeholt.
Wie Rothe weiter sagte, sei auf dem ersten A-20-Teilstück westlich der A 7 (Bauabschnitt 5) das zwischenzeitlich ruhende Planänderungsverfahren wieder aufgenommen worden. Dazu würden seit letztem Jahr die nötig gewordenen Neukartierungen von Flora und Fauna vorgenommen und voraussichtlich im Sommer 2019 abgeschlossen. „Das Planfeststellungsverfahren für diesen Abschnitt kann dann voraussichtlich im zweiten Quartal 2020 beantragt werden“, hofft Rothe, womit frühestens Ende 2022, im Falle von Klageverfahren voraussichtlich im Jahr 2024 Baurecht vorliegen würde.
Auch für den sechsten Bauabschnitt zwischen Hohenfelde und Glückstadt im Kreis Steinburg, wo eine Artenschutzkonzeption für die Zwergschwanrastgebiete erarbeitet werden muss, ist laut DEGES das ruhende Planänderungsverfahren ebenfalls wieder aufgenommen worden. Hier rechnen Rothe und seine Experten – sofern keine Klagen kommen – im ersten Halbjahr 2023 mit Baurecht. Auch das angrenzende Teilstück zwischen Glückstadt und der A 23 (Abschnitt 7) könnte – ohne Klagen – im zweiten Halbjahr 2021 baureif sein.
Hinsichtlich des A-20-Elbtunnels (Abschnitt 8) plant die DEGES, die Einwendungen gegen sämtliche Nachbesserungen, die das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil von 2016 auferlegt hatte, bis zum Jahresende zu prüfen und zu erwidern. Rothe: „Danach wird ein entsprechender Planergänzungsbeschluss beantragt, mit einem bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluss (nach Klageverfahren) ist dann frühestens im zweiten Halbjahr 2021 zu rechnen.“ Im kommenden Jahr will die DEGES ihr A-20-Team von derzeit 15 auf 25 bis 30 Mitarbeiter aufstocken.
Bedauern bei der IHK
Mit Bedauern nimmt die Wirtschaft in Schleswig-Holstein die erneute Verzögerung bei der Planung der A20 zur Kenntnis. „Die A20 ist von herausragender Bedeutung für die Wirtschaft und die Menschen im Norden. Sie wird große Vorteile für den Verkehr sowie den Warenaustausch bringen und verbessert die strategische Lage Schleswig-Holsteins in Nordeuropa. Deshalb schmerzt jede Verzögerung. Nach vielen Jahren ständiger Anpassung des Zeitplans gehen wir jetzt aber davon aus, endgültige Planungssicherheit für diese wichtige Infrastrukturmaßnahme zu haben. Dies ist immerhin ein positiver Aspekt der jetzigen Verkehrspolitik“, sagte dazu Friederike C. Kühn, Präsidentin der IHK Schleswig-Holstein.
Die Autobahn bringe auch zahlreiche Vorteile für die Wirtschaft der Region. „Denkbar ist deshalb“, so Kühn, „aufgrund der zu erwartenden verspäteten Realisierung zweier Abschnitte die A 20 nicht mehr nur von Ost nach West zu bauen, sondern den geplanten Tunnel unter der Elbe mit seinen Anschlüssen zeitlich vorzuziehen. So könnten sich die positiven Wirtschaftseffekte in der Region bereits früher entwickeln.“ Dazu solle jetzt der direkte Kontakt mit der niedersächsischen Landesregierung gesucht werden, forderte sie weiter.