Herzogtum Lauenburg (pm). In der letzten Juliwoche wurden am Elbe-Lübeck-Kanal (ELK) in Höhe von Siebeneichen in Richtung Büchen umfänglich Mulcharbeiten an den Kanalböschungen vorgenommen. Von den Arbeiten erfasst wurde leider unter anderem auch Röhricht, das in Schleswig-Holstein in einem Untersuchungszeitraum zwischen 1950 und 2006 um knapp 80 Prozent zurück gegangen ist und durch naturschutzrelevante Richtlinien der Europäischen Union und das Bundesnaturschutzgesetz geschützt ist. „Hierdurch gehen Lebensräume für Insekten in allen Entwicklungsstadien sowie Nahrungsgrundlagen und Nistplätze für Vögel (unter anderem von Teich- und Schilfrohrsängern) verloren, zumal die Arbeiten innerhalb der sensiblen Brut- und Aufzuchtzeit lagen“, ist Nina Scheer, örtliche SPD-Bundestagsabgeordnete, überzeugt. Der Erhalt menschlicher Lebensgrundlagen hinge auch von einer biologischen Vielfalt der Pflanzen und Tiere ab. Der Mensch schade sich selbst, wenn er dies nicht ernst nimmt.
Um die aktuelle Situation in Augenschein zu nehmen und zu bewerten trafen sich auf Einladung der Bundestagsabgeordneten Vertreter von Naturschutzorganisationen und Kreispolitik, um sich über die naturschutzrechtliche Dimension der Pflegemaßnahmen auszutauschen. Der Einladung waren Eckhard Kropla und Dr. Peter Aldenhoff, Vorstandsmitglieder des Natur Plus e.V. Panten, Karl-Heinz Weber, 1. Vorsitzender der NABU-Gruppe Büchen, Jürgen Holst, bürgerliches Mitglied der SPD-Kreistagsfraktion und Mitglied des SPD-Kreisvorstandes sowie Hans-Heinrich Stamer, Vorstand in der BUND Kreisgruppe Herzogtum Lauenburg, gefolgt.
Die Ortsbegehung ließ streckenweise zu beiden Seiten der Kanalböschung mehrere Meter breite Mulch-Streifen erkennen. Selbst unter Abzug eines Streifens zum mittigen Weg von ca. einem Meter zu jeder Seite, der bereits einige Wochen zuvor gemulcht wurde und sich durch dunkleres Grün von dem frisch gemulchten Bereich abhebt, wurden nun weitere zirka 3,75 beziehungsweise zirka 4,40 Meter Böschung gemulcht. Über die Streckenlänge von zirka vier Kilometer somit eine Biotopfläche von über drei Hektar.
„Außer Frage steht, dass die Pflege des Deiches ein Zurückschneiden des Bewuchses erfordert. Dies erscheint in einer Breite von einem Meter beiderseits des Weges sachgerecht und angemessen. Die benannten Arbeiten gehen aber weit darüber hinaus. Meines Erachtens steht dies nicht zuletzt in Widerspruch zum Aktionsprogramm Insektenschutz, das die Bundesregierung 2019 verabschiedete und das somit auch für behördliche Maßnahmen u.a. entlang von Bundeswasserstraßen zu berücksichtigen ist“, so Nina Scheer.“ Im Nachgang zur Ortsbegehung hat sie sich mit einem Schreiben an das zuständige Wasser- und Schifffahrtsamt Lauenburg gewandt. Unter Bezugnahme auf Naturschutzrechtliche Vorgaben hinterfragt sie darin sowohl Ausmaß als auch die Ausführungsart der Maßnahme.
Auch für Hans-Heinrich Stamer stellt sich die Frage der Vereinbarkeit mit dem Naturschutzrecht, etwa in Anbetracht der angewandten Schlegeltechnik: „Die Balkenmähertechnik würde für die Pflanzen- und Tierwelt einen nur geringen Eingriff bedeuten. Die Schlegeltechnik tötet und beeinträchtigt die Pflanzen- und Tierarten in allen Lebens- und Entwicklungsstadien, sie reduziert die natürliche Biodiversität zu monotonen Grasfluren, weil Blühpflanzen nicht zur Samenreife kommen und zudem auf dem Mulch kaum anwachsen können – damit gehen die gemulchten Flächen für Insekten weitgehend verloren.“
Karl-Heinz Weber beschäftigt sich seit nunmehr einigen Jahrzehnten mit dem Insektenschutz, auch an Wegrändern. Er brachte eine Veröffentlichung des Landesamtes für Naturschutz und Landschaftspflege Schleswig-Holstein mit, in der es unter anderem heißt, in vielen Bereichen sei eine Mahd „nur alle zwei bis drei Jahre wünschenswert, um Altgrasbestände und Samenstände der Blütenstauden zu erhalten“. So sei auch die Mehrfachsicherung im Abstand von nur wenigen Wochen kritisch, so Weber.
Eckhard Kropla und Dr. Peter Aldenhoff wiesen vor Ort auf die Beeinträchtigung des Röhrichts hin, das noch vor Ort liegt. Dieses sei geschützt und müsse entsprechend geschont werden. Jürgen Holst appelliert auch an die Wachsamkeit der Bevölkerung. Gerade an touristischen Orten dürfe sich nicht die Erwartungshaltung durchsetzen, dass Natur zurechtgeschnitten sein müsse. „Bundesseitig werden zudem umfangreich Blühstreifen und Blühwiesen gefördert“, so Scheer. Wenn nun andernorts Böschungen nicht fachgerecht gepflegt werden, ohne dass sich dies auch im benannten Umfang rechtfertigen ließe, sei es kontraproduktiv.