Einer der Großen hat die Bühne verlassen.
Herr Wehmeier, mit seinem silbrigen Haar, einem Gesicht, das dem eines Boxers glich, und der markant runden Brille, stand zwischen Klasse und unbeschriebener Tafel wie ein Bildhauer vor rohem Stein, der sich nicht scherte, dass am Ende einer Unterrichtsstunde seine mit Kreide bedeckten Finger deutliche Spuren an der stets dunklen Kombination aus Polohemd und Sakko hinterließen. Gut acht Jahre ist es her, dass wir seinen Unterricht in Mathematik, Geschichte und Wirtschaft/Politik erleben durften. Jede Einheit von Wehmeier war dabei konzentrierte, verdichtete Begeisterung am Lehren.
Er war ein kantiger Charakter mit unermüdlichem Elan, der die Sehnsüchte angehender Schulabgänger nach der großen Welt jenseits des Ratzeburger Sees mit Empfindsamkeit zu bedienen verstand. Er bereitete Appetit auf das bundesweite und internationale Politik- und Wirtschaftsgeschehen und schuf in seinen Stunden ein Forum, manchmal eine Arena gemeinsamer Diskussion. Herr Wehmeier polemisierte mit einem verschmitzten Grinsen, provozierte und lockte uns aus der Reserve. In regelrechten verbalen Gefechten haben wir nebenbei gelernt, eine Meinung zu bilden und den Herausforderungen des Lebens zu begegnen.
Herr Wehmeier war ein Lehrer, dessen unermüdlicher Kraftaufwand weit über seine Lehrerpflicht hinausging. Egal welche Idee, welches Projekt oder welche Veranstaltung – mit Wehmeier konnte man’s durchziehen. Selten erlebten wir so enthusiastische Lehrer, die ihr Wissen und ihre Möglichkeiten auch voll ausschöpften. Sei es mit technischen Raffinessen oder humorvollen Anekdoten mit einem herzlichen Wehmeier-Lachen.
Für seine Schülerschaft organisierte er Podiumsveranstaltungen, Besuche in der Medienlandschaft, der Industrie und der Politik. Herr Wehmeier konnte auf eine Vielzahl ehemaliger Schüler zurückgreifen, welche dankbar in seinen Hafen zurückkehrten und von der „Welt da draußen“ berichteten. Er vermochte es zudem, einzelne Entwicklungen im globalen geschichtlichen Kontext zu verorten. Größere Weisheit schöpfte er dabei immer wieder mit einem Augenzwinkern aus der Welt Entenhausens als exemplarischer Gesellschaftsstudie. Die versteckte Chiffre an seinem Wagen war ein offenes Geheimnis.
Seine wahre Leidenschaft galt dem Medium ‚Film’. Mit der Etablierung des Ratzeburger Filmfestivals über zehn Jahre, und, außerschulisch, des Ratzeburger Filmclubs und Open-Air-Sommerkinos schuf er regionale Institutionen, die auch außerhalb des Herzogtums Beachtung fanden. Herr Wehmeiers Leidenschaft hat Spuren sowohl in der deutschen Kinolandschaft, als auch bei seinen ehemaligen Schülern hinterlassen.
Wehmeier oder von vielen respektvoll Edu genannt, war eine Marke, ein Prädikat, das berühmt und auch berüchtigt war. Bei aller Unberührbarkeit, die er ausstrahlte, hat er in den wichtigen Momenten des Lebens Anteilnahme gezeigt. Seine Aufmerksamkeit, seine Aufrichtigkeit, seine Authentizität machten Herrn Wehmeier zu einem warmen Menschen.
In tiefer Betroffenheit über seinen plötzlichen Tod erinnern wir uns in Gedanken an die Schulzeit an einen Lehrer, der herausragte, uns vieles an die Hand gab, einen, der die Seele der Lauenburgischen Gelehrtenschule aber gerade auch uns maßgeblich geprägt und viele Weichen gestellt hat. Wir danken für die Stärke, an der wir wachsen durften und werden uns noch in so mancher Stunde freudig an ihn erinnern.
Einer der Großen hat die Bühne verlassen. Einer der ganz Großen. Spot aus.
Steffen Regis, Moritz Thörner, René Wagner, Jan Kalle Wulf (Abiturjahrgang 2008)