Herzogtum Lauenburg (pm). Mit dem heutigen Tag geht die Zeit der Atomkraft in Deutschland zu Ende. Nach rund 60 Jahren Nutzung der Atomenergie in Deutschland werden heute am 15. April 2023 die letzten drei verbliebenen Atomkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland abgeschaltet. Damit wird der Ausstiegsbeschluss des Deutschen Bundestags von 2011, für den SPD und Grüne bereits im Jahr 2000 den Grundstein gelegt hatten, final umgesetzt. Für Schleswig-Holstein hatte der Ausstiegsbeschluss 2011 unmittelbare Folgen, denn unter den acht Kernkraftwerken, denen der Leistungsbetrieb sofort untersagt wurde, waren die Kernkraftwerke Brunsbüttel und Krümmel. Die Debatte und das Bemühen um einen Atomausstieg reichen in Schleswig-Holstein jedoch noch weiter zurück.
Die schleswig-holsteinische SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Nina Scheer, Klimaschutz- und energiepolitische Sprecherin ihrer Fraktion, erklärt dazu:
„Die schleswig-holsteinische SPD nahm schon in den 1970er Jahren eine wichtige Rolle für die kritische Auseinandersetzung mit der Hochrisikotechnologie, der Atomenergienutzung. Der Landesvorstand beschloss am 1. November 1976, dass die wirtschaftliche Nutzung der Kernenergie, der Bau und der Export von Kernkraftwerken insgesamt mehr ungeklärte Probleme und unübersehbare Risiken enthalten als bisher der breiten Öffentlichkeit bekannt geworden ist.
Die SPD in Schleswig-Holstein war damit der erste Landesverband, der die Ausstiegsposition und das Verhindern neuer Atomkraftwerke zum Teil seiner Identität machte. Die schleswig-holsteinischen Bundestagsabgeordneten erreichten 1977 sogar die Einsetzung einer Enquete-Kommission „Zukünftige Kernenergiepolitik“ und eine Sperrung der Haushaltsmittel für den Schnellen Brüter in Kalkar, welcher letztendlich nie in Betrieb genommen wurde. Somit bietet der heutige Tag Anlass, an die Vorreiterrolle der SPD Schleswig-Holstein für den Atomaussteig zu erinnern. Seit dem 01. Januar wird in Schleswig-Holstein keine Atomenergie mehr produziert.
Aus der Atomenergie auszusteigen ist kein Sonderweg – die wenigsten Staaten nutzen Atomenergie. Fünf Sechstel der UNO- Mitgliedsstaaten beziehen ihre Elektrizität komplett aus anderen Quellen. Auf eine Handvoll Länder entfallen drei Viertel der weltweiten Atomstromproduktion, fast die Hälfte allein auf die USA und China. Atomenergienutzung findet zudem verstärkt in Staaten statt, die zugleich Atomtechnologie militärisch nutzen oder zu Zulieferstaaten von Atomtechnologie zählen. Das Know-how und der Zugang zu Material zur militärischen Nutzung werden über die Atomenergienutzung aufgefangen.
Atomenergie ist weder wirtschaftlich noch verantwortbar. Atomenergie hat mit der ungelösten Endlagerfrage für hochradioaktiven Atommüll hohe Folgelasten, basiert mit Uranverwertung auf endlichen fossilen Rohstoffen, ist missbrauchsanfällig und als Risikotechnologie ohne staatliche Risikoübernahmen nicht versicherbar. Als teuerste Form der Energiegewinnung wird Atomenergie immer auf hohe Subventionen angewiesen sein. Während die Kosten für den Ausbau von Wind- und Solarenergie über das vergangene Jahrzehnt um 70 beziehungsweise 90 Prozent gesunken sind, verzeichnet Atomenergie eine Kostensteigerung von 24 Prozent.
Der Klimawandel erzeugt verstärkt Dürren und niedrige Flusspegel und Dürren. Die Hälfte aller 56 Atomkraftwerke in Frankreich stand 2022 entweder aufgrund von Rissen oder zu wenig Kühlwasser still. Auch dies macht Atomenergie zu einer weder verlässlichen noch sicheren Energienutzung. Unsere Stromversorgung ist ohne Atomenergie sicher. Der Atomausstieg steht zudem für eine Verringerung von Risiken, zumal die Endlagerung des hochradioaktiven Atommülls nach wie vor nicht gelöst ist und für unzählige Jahre eine Bürde für nachfolgende Generationen bleiben wird.
Die Ampel-Koalition hat bereits zahlreiche gesetzliche Rahmenbedingungen zugunsten eines beschleunigten Ausbaus Erneuerbare Energien geschaffen und auch eine verstärkte Auslastung bestehender Anlagen ermöglicht. Weitere Schritte folgen. Wir brauchen den systemischen Umstieg auf Erneuerbare Energien und deren fluktuierende Eigenschaften. Auch dies ist ein Anlass zum Ausstieg aus der Atomenergie. Denn die verhältnismäßig unflexiblen Strommengen aus Atomkraftwerken hemmen den Umstieg auf Erneuerbare Energien. Bezahlbare und verlässliche Energie ist erneuerbar.“