Ratzeburg (pm). Eine Delegation des Ratzeburger Jugendbeirates hat in der letzten Ferienwoche auf dem Weg zum Partnerstädtetreffen in Châtillon-sur-Seine Zwischenstationen in den belgischen Partnerstädten Esneux und Walcourt eingelegt. Hier wurden Kontakte zu Jugendeinrichtungen und Ideen zum aktiven kommunalen Klimaschutz ausgetauscht.
In Esneux wurden die jungen Menschen herzlich im Jugendzentrum JET empfangen und konnten dort gleich vor Ort die Folgen des Klimawandels betrachten. Leiterin Ludovine Lowet zeigte die Folgen der verheerenden Flut im Gebäude, die im vergangenen Jahr auch das Tal der Ourthe heimgesucht hat und in Esneux fünf Menschenleben gefordert hat. Ein Großteil der Ausstattung des Hauses wurde vernichtet und die Fundamente so weit unterspült, dass eine aufwendige Sanierung erfolgen muss, vielleicht sogar ein Neubau. Zusammen mit Jugendlichen aus Esneux diskutierten die Ratzeburger Delegation über Ideen zum Klimaschutz und vereinbarten, in der jeweils eigenen Stadt ein konkretes Klimaprojekt anzustoßen und die Erfahrungen dazu auszutauschen.
Generell waren sich alle Jugendlichen einig, dass die erwachsenen Verantwortungstragenden auf kommunaler Ebene den Klimaschutz noch viel zu wenig beachten und voranbringen würden. Um weiter voneinander zu lernen, wurde für das Jahr 2023 ein Jugendklimacamp in Ratzeburg vereinbart, zu dem auch Jugendliche aus anderen Partnerstädten eingeladen werden sollen.
Dass Klimaschutz in der Kommune tatsächlich ganz anders Beachtung finden kann, erfuhren die Jugendlichen auf ihrer Station in Walcourt. Dort wurden sie im Rathaus von Benoit Tournay und Florian Deman empfangen, zuständig für die Umsetzung des Klimaplans der Kommune. Walcourt ist seit 2019 über das wallonische Klimaschutzprogramm ‚POLLEC‘ Mitglied im “Konvent der Bürgermeister für Klima und Energie“. Der Konvent der Bürgermeister wurde 2008 in Europa mit der Zielsetzung gegründet, lokale Gebietskörperschaften, die sich freiwillig dazu verpflichten, die Klima- und Energieziele der EU zu erreichen oder gar zu übertreffen, zusammenzubringen. Es war die erste Initiative, die sich nach dem Bottom-up-Prinzip mit Energie und Klima beschäftigte. Ihr Erfolg übertraf schon bald alle Erwartungen. Inzwischen gehören mehr als 7000 Kommunal- und Regionalverwaltungen in 57 Ländern der Initiative an. Dem Konvent gehören auch Ratzeburgs Partnerstädte Strängnäs (2010), Sopot (2015), und Esneux (2021) an. Florian Deman berichtete den Jugendlichen, dass alle teilnehmenden Gemeinde des Konvents sich verpflichten, einen integrierten Ansatz für Klimaschutz und Klimaanpassung anzuwenden. Sie müssen innerhalb der ersten zwei Jahre nach Beitritt einen Aktionsplan für nachhaltige Energie und Klima entwickeln, in dem die Ziele zur Reduzierung der CO²-Emissionen um mindestens 40 Prozent bis 2030 und zur Steigerung der Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel beschrieben werden. Für Walcourt bedeutet das, dass aktuell zu den Referenzjahren 2006 und 2014 der Energieverbrauch aller kommunalen Einrichtungen erfasst wird, um eine Projektion für das Jahr 2040 machen zu können. Auf dieser Datenbasis sollen dann zielgenau Energiesparmaßnahmen beschlossen und umgesetzt werden, die zu einer entsprechenden Reduktion im Sinne der Ziele des Konvents führen. Dabei soll die Gemeinde Vorbild und Taktgeber für Klimaschutz auch gegenüber der Bevölkerung werden.
Die Ratzeburger Jugendlichen zeigten sich von diesem Konzept und dem planmäßigen Vorgehen der Kommune Walcourt beeindruckt und beschlossen, sich auch im Jugendbeirat intensiver mit dem Konzept des „Konvents der Bürgermeister“ zu befassen. Florian Deman und Benoit Tournay versprachen ihrerseits, die Jugendlichen mit Informationen und Erfahrungsaustausch dabei zu unterstützen.
Auch der Besuch in Châtillon-sur Seine stand für die Ratzeburger Jugendlichen unter dem Aspekt des Klimawandels. Ein Besuch im 2019 gegründeten Nationalpark „Parc national de forêts“, dem auch das Gemeindegebiet von Châtillon angehört, erbrachte viele Erkenntnisse zu nachhaltiger Waldwirtschaft im Zeichen der Erderwärmung. Ranger Sylvain Boulangeot führte die Jugendlichen durch das Herz des Nationalparks, einem zusammenhängenden Mischwald auf dem Plateau de Langres auf über 240.000 Hektar. Der Parc National de Forêts, so erklärte Sylvain Boulangeot, ist ein Modellprojekt, das nachhaltigen Tourismus, Artenschutz und Forschung vereint. Er konnte auf dem über zweistündigen Rundgang sehr eindrucksvoll die Veränderungen im Wald beschreiben, die durch den Klimawandel und immer größere Trockenperioden hervorgerufen werden. Bäume mit sonnenverbrannter Rinde oder Blätterdach und Trockenschäden wurden unter seinem fachkundigen Blick erkennbar. Er erklärte überdies die immense, generationsübergreifende Aufgabe, den Wald an den Klimawandel anzupassen.
In der Rückschau war für den Ratzeburger Jugendbeirat die Europatour in vielerlei Hinsicht erfolgreich und inspirierend. „Der persönliche Austausch zwischen uns und unseren Partnerstädten ist der Grund, warum diese Fahrt ein voller Erfolg war. Durch den Dialog konnten wir viel voneinander lernen. Es sind Projektideen, neue Erkenntnisse und auch Freundschaften entstanden, die uns motivieren, für das kommende Jahr ein europäisches Jugendklimacamp in Ratzeburg zu planen“, sagt Vivian Ndubusi vom Ratzeburger Jugendbeirat. „Wir haben gerade mit Blick auf unsere Klimaschutzinitiative spannende Anregungen aus unseren Partnerstädten mitnehmen können, die auch in Ratzeburg Sinn machen könnten“, ergänzt Jugendbeiratsmitglied Paul Tessmer.