Mölln (aa). Dieses Jahr ist ein besonderes für den Verein Miteinander Leben – denn es gilt das 30jährige Bestehen zu feiern. Herzogtum direkt sprach mit den Vorstandsmitgliedern Mark Sauer, Antje Buchholz und Axel Michaelis über die Entwickelung und Wandlung dieser Möllner Institution von frühen Anfängen bis heute.
„Wir wollen den Fokus jetzt wieder auf den Verein legen. Das ist mir eigentlich wichtiger“, erklärt Mark Sauer, der für seine Arbeit als langjähriger Vorsitzender des Vereins Miteinander Leben kürzlich das Bundesverdienstkreuz erhielt. So soll 2022 der Fokus unter anderem auf dem 30jährigen Jubiläum liegen. „Der Verein damals war ein anderer und hat sich im Laufe der Jahre verändert“, wagt Sauer den Blick zurück, der seit mittlerweile fünfzehn Jahren das Amt des ersten Vorsitzenden inne hat. Soviel Gutes, Schönes, Buntes und Kreatives der Verein im Laufe von drei Dekaden hervor gebracht hat, die Gründung beruht auf einem höchst traurigen Kapitel Möllner Stadtgeschichte. Anlass waren die rassistischen Brandanschläge in der Nacht vom 22. auf den 23. November 1992, bei denen zwei von türkischen Mitbürgern bewohnten Häuser von jugendlichen Rechtsextremisten angezündet wurden. Bei dieser Tat kamen zwei Mädchen und eine Frau ums Leben.
Noch vor der Vereinsgründung und den Brandschlägen habe es eine Telefonkette gegeben, erinnert sich Axel Michaelis, Gründungsmitglied, allererster Vorsitzender und aktuell Beisitzer des Vereins: „Diese hatte zum Zweck sich in Mölln bei Bedarf schnell zu organisieren und Flagge gegen Rechts zu zeigen“. Aus dieser Telefonkette heraus kam es dann nach den Brandanschlägen schnell zur Vereinsgründung. Die Entwickelung des Verein verlief dann laut Mark Sauer in verschiedenen Phase. So ging es zunächst viel um Nachbarschaftshilfe und Integrationsprojekte. Im Jahr 1996 kam es dann zur Eröffnung der Begegnungsstätte in der Lohgerberei.
Sauer weiter: „In der zweiten Phase kam der Folkclub mit ins Haus.“ Und damit verbunden entstanden Begegnungsfeste mit Kultur. „Das erste Folkfest damals entstand als direkte Reaktion auf die Brandanschläge. Wir wollten in den Fokus als weltoffene Stadt stellen.“
„In den 2000er Jahren kam mit dem ersten Vorsitzenden Manfred Kerl eine neue Perspektive in den Verein. In den Schulen war zu merken, dass viele Schülern mit den Brandschlägen nicht mehr so viel anfangen konnten“, sagt Sauer. In der Folge wurden Projektideen wie „Open Mind“ mit dem Themenschwerpunkt „Brandanschläge“ entwickelt und als Jugendbildungsprojekt gestartet. Sauer: „Das war ein erster Schritt in die Professionalisierungt des Vereins. Von da an bis heute wurde Projektarbeit entwickelt.“ … und löste die klassische Nachbarschaftshilfe der Anfangsjahre ab. „Wir haben Strukturen gesucht und teilweise selbst erschaffen müssen“, ergänzt Axel Michaelis. „Auch in der Gesellschaft gab es einen Quantensprung. Jetzt ist im Bereich der Willkommenskultur viel Hilfsbereitschaft zu finden als noch in den 90er Jahren. Auch ist Rechtsextremismus als allgemeines Problem inzwischen anerkannt. Die Aufdeckung der NSU hatte da einen großen Effekt. Das hat in unserem Verein nochmal zu einer deutlicheren Politisierung geführt“, bilanziert Mark Sauer. Antje Buchholz ergänzt: „Die Positionierung gegen Rechts hat unsere Arbeit immer begleitet, das gab aber noch mal eine Initialzündung.“
Weitere Projekte von vielen, die dazu kamen, waren die Lehrerweiterbildung, Antisemitismusprävention. „Ich will auch nicht, dass wir da irgendwie nochmal was verpassen. Es muss klar sein, dass Rechtsextremismus wirklich ein konkretes Problem ist“, beschreibt Sauer den unermüdlichen Kampf gegen Rechts. Daraus entstanden in der Folge auch die „Partnerschaften für Demokratie“. „Durch unsere Arbeit ist es Rechtsextremisten unheimlich schwer geworden, hier im Lauenburgischen Fuß zu fassen“, stellt Sauer fest. Heute stünde die Vereinsarbeit auf drei Säulen: 1. der sozio-kulturelle Bereich unter anderem mit dem Folksfest, der für die Vielfalt steht. 2. der politischen Bildung und Weiterbildung von Erwachsenen sowie 3. der Jugendarbeit
„Wir entwickeln gerade einen vierten Zweig, der direkt mit dem 30jährigen Bestehen zu tun hat“, gibt Mark Sauer einen Ausblick auf die nähere Zukunft. So sei eine Initiative mit anderen Kommunen wie Hanau und Hoyerswerden, die ebenfalls Anfang der 90er Jahre Tatort rassistischer Anschläge waren, im Entstehen. In 2021 kam es hier bereits zu der Gründung eines entsprechenden Netzwerks mit dem Ziel ein bundesweites dezentrales Mahnmal entstehen zu lassen. „Der Landesaktionsplan gegen Rassismus war ein hoffnungsvolles Zeichen. Wir sind auf dem richtigen Weg. Auch die Wahrnehmung von außen auf den Verein hat sich gewandelt“, beschreibt Antje Buchholz die aktuelle Lage in Schleswig-Holstein.
Für das Jubiläumsjahr wird derzeit noch ein Jahresprogramm gemeinsam mit der Stadt Mölln, dem Lauenburgischen Kunstverein und dem Möllner Museum ausgearbeitet. Unter anderem ist eine Fotoausstellung mit Bildern von Mölln vor und nach den Brandanschlägen geplant.
Hintergrund
Der Verein Miteinander Leben hat aktuell rund 100 Mitglieder. Wer ebenfalls aktives oder förderndes Mitglied werden möchte, erhält weitere Informationen unter www.verein-miteinander-leben.de/. Der Jahresbeitrag für eine Mitgliedschaft beträgt 60 Euro.