Mölln (pm). Mit zwei ungewöhnlichen Konzertabenden startete das 16. Möllner Folksfest in seine wohl ungewöhnlichste Ausgabe seiner Festivalgeschichte. Festivalatmosphäre trotz Corona-Einschränkungen, vor zweimal lediglich 50 Zuschauern und zeitweise in strömendem Regen. Dass es trotzdem eine runde Sache wurde, ermöglichte eine hochprofessionelle und allzeit souveräne Soundtechnik, ein gut eingespieltes und unterwiesenes Helferteam und vor allem hoch engagierte Musikerinnen und Musiker, die ihr Glück, endlich wieder vor Publikum spielen zu können, auf der Bühne zelebrierten.
So sorgte Dota Kehr mit ihrem Duopartner Jan Rohrbach am ersten Abend mit ihren poesievollen, tiefsinnigen, kritischen, aber immer emphatischen Songs für ein behutsames Gleiten durch einen nicht endend wollenden Regen und ließ die Besucher*innen unter ihren Regenschirmen verharren, lauschend und sich gefangen nehmen lassend. Nasswerden … Nebensache!
Schon beim einführenden Auftritt der Hamburger Band Staring Girl in Duobesetzung … die Einweihung der „publikumsreduzierten“ Festivalbühne im Innenhof des Stadthauptmannshofes anstatt wie gewohnt auf dem Möllner Marktplatz… erklang Folkmusik vom Feinsten als würdiger Auftakt in das Möllner Weltmusikfestival. Sie hätten auch den großen Platz begeistert.
So waren es nur 50 glückliche Zuschauer, die sich dankbar zeigten, Musik wieder live erleben zu dürfen, nebst den zahlreichen, digitalen Zaungästen an ihren Endgeräten, wo auch immer. Ein Livestream war erstmalig bei den Konzerten des Möllner Folksfestes ermöglicht worden, vielleicht etwas dauerhaft Gutes, was für das Festival aus der Corona-Pandemie zurückbleibt. Die begeisterten Chats zeigten den Festivalorganisatoren um Jörg Rüdiger Geschke, hier einen richtigen und wichtigen Zukunftsweg beschritten zu haben.
„Auf der Bühne glücklich sein“ … so hätte nach dem zweiten Konzertabend vor wiederum 50 Gästen eigentlich das Motto des Festivals „WeltKlangEuropa“ umgeschrieben werden müssen. Zwei hochbegabte Nachwuchsmusiker aus Schleswig-Holstein, die Zwillingsbrüder Melf Torge Nonn und Pay Bandik Nonn als Duo PaBaMeTo, betraten beinahe gerührt die Bühne zum Live-Spiel, vor Menschen, die begierig auf ihre Musik warteten. Die Freude darüber entlud sich prompt in einem einnehmenden, multiinstrumentalen Folkkonzert und wurde getragen in einige Zugaben, die beide Musiker so dankbar gaben.
Ein wahres Feuerwerk der Freude entzündete anschließend Gankino Circus. Die vierköpfige Band aus dem fränkischen Dietenhofen hatte am Abend zuvor schon begeistert in den Livestream gepostet, dass sie kaum glauben könne, am kommenden Tag bei den „Verrückten“ in Mölln aufzutreten. Das Bild der „Verückten aus Mölln“ bezog sich dabei auf die im Live-Stream kolportierten Bilder von regenumtosten Menschen, die sich schlichtweg weigern, sich ins Trockene zu retten, aus Angst, etwas von Dotas musikalischen Zauber zu verpassen. Solch einem Publikum nach so vielen Wochen völligen Entzuges zu begegnen, erschien Gankino Circus gar zu traumhaft. Und doch wurde der Abend genauso, nichts und niemand konnte Publikum und Musiker trennen, nicht einmal die Abstandregeln, die zwar vorbildlich eingehalten wurden, aber keine Distanz zur musikalischen Begeisterung bewirken konnten. Wie auch, wenn vier Franken aus ihren weizenseeligen Jugend berichten und in ihren Liedern in das Wirtshaus „Zur goldenen Gans“ entführten, zum legendären Wirt, den „Weizen-Charlie“, der auch von den vermeintlich so kühlen Norddeutschen musikalisch ins Herz geschlossen wurde.
Ebenso wie der symphatische Grieche „Was Kostas“ in den Liederzählungen der Band, der animierte, eine Gitarre per Akkuschrauber zur Bouzouki werden zu lassen, die Sirtaki spielen kann. So geht kultureller Austausch … nicht nur zwischen Griechenland und Franken!
Ebenso begeistert wurde die Performance an Europas einzigen „Bonophon“ aufgenommen, für ein persönliches Requiem original hergestellt aus den Knochen des besagten Wirtes … wollte Gankino Circus glauben machen. Unglaublich aber, was darauf erklang.
Und schließlich doch … trotz Corona. Die Musiker von Gankino Circus rissen die Menschen von ihren Stühlen zu wildem Tanz … auf der Stelle, für sich und mit Abstand, aber mit Glück in den Gesichtern. Wie sehr fehlt doch Musik, wenn sie nicht live erklingen kann. Ganz kurzfristig nur drohte der Abend vollends in ein begeistertes Chaos zu geraten, als Gankino-Trommler Johannes Sens unter ekstatischem Spiel der Band einen Fast-Streaptese vollzog und gerade noch eingefangen werden konnte von den anderen Instrumenten. Möllner Festivalatmosphäre pur an diesem Abend … ganz anders und doch mitreißend, vor allem aber lange nachklingend … in den Köpfen und in den Live-Videos.