Kiel (pm). Familienminister Heiner Garg warb gestern (12.12.) vor der finalen Abstimmung über die Kitareform2020 im Schleswig-Holsteinischen Landtag nochmal eindrücklich für eines der größten Projekte dieser Landesregierung: „Die Kitareform beinhaltet eine finanzielle Entlastung der Familien, deutlich mehr Landesmittel für die Kommunen und schafft gleichzeitig mehr Qualität in den Einrichtungen. Sie ist ein Einstieg in eine transparente und faire Lastenverteilung. Mit der Deckelung der Kita-Beiträge entlasten wir die Eltern von zum Teil viel zu hohen Gebühren. Wir führen landeseinheitliche Mindestvorgaben für die Sozialstaffel und für die Geschwisterermäßigung sowie ein echtes Wahlrecht bei freien Plätzen für Eltern ein. Wir erhöhen die Qualität in den Einrichtungen durch verbindliche Personal- und Gruppengrößen, führen erstmals Obergrenzen für Schließtage ein und sorgen für eine verbindliche Beteiligung der Elternvertretungen.“
Die Reform wurde in einem umfangreichen Beteiligungsprozess von Landeselternvertretung, Trägerverbänden und Kommunalen Landesverbänden erarbeitet. Im Sozialausschuss wurde das Kita-Reform-Gesetz anschließend nochmal intensiv diskutiert. Die angehörten Verbände haben dabei wertvolle Anregungen zu einer weiteren Verbesserung des Gesetzentwurfes beigesteuert. Ab August 2020 werden damit Eltern, Kommunen, Kindertageseinrichtungen und die kleinsten Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner von einer umfangreichen Entlastung und qualitativen Verbesserung der Kinderbetreuung profitieren:
1) Verbesserungen für Familien (Beispiele)
– Gerechtere Beiträge: Bisher setzen Kommunen landesweit sehr unterschiedliche und wenig nachvollziehbare Höhen der Elternbeiträge fest, die zum Teil sogar zwischen unmittelbaren Nachbargemeinden stark variieren. Zukünftig wird es landesweit eine einheitliche maximale Obergrenze „Beitragsdeckel“ der Elternbeiträge geben.
– Beitragsdeckel: Die bisher von Kommunen in Schleswig-Holstein erhobenen Beiträge gehören zudem bundesweit zu den höchsten und betragen zum Teil mehr als 700,-Euro in der Krippenbetreuung. Zukünftig (ab August 2020) wird in der Ü3-Betreuung ein monatlicher Deckel von rund 141 Euro für eine fünfstündige Betreuung und von rund 226 Euro für eine achtstündige Betreuung gelten. Für die Krippenbetreuung eines Kindes unter drei Jahren gilt eine Obergrenze von 180 Euro für eine fünfstündige Betreuung und ein Deckel von 288 Euro für eine achtstündige Betreuung. Der monatliche Beitragsdeckel wird pro wöchentliche Betreuungsstunde festgelegt, so dass er für alle Betreuungsumfänge gilt, ganz egal ob ein Kind vier oder acht oder mehr Stunden betreut wird. Der „Beitragsdeckel“ definiert einen Maximalbetrag, der natürlich weiterhin unterschritten werden kann.
– Einbeziehung Tagespflege: Bisher gab es keine landeweit einheitliche Regelung in Bezug auf Tagespflege. Zukünftig wird der Beitragsdeckel auch für Tagespflegepersonen gelten. Auch die Tagespflege wird zukünftig anteilig durch das Land, die Eltern und die Wohngemeinden finanziert werden.
– Landesweite Sozialstaffel: Bisher wurden Familien mit niedrigem Einkommen in einzelnen Kreisen/kreisfreien Städten teilweise sehr unterschiedlich von den Beiträgen entlastet. Zukünftig wird es eine nachvollziehbare landeseinheitliche Mindestvorgabe für die Sozialstaffel geben, um Familien mit niedrigen Einkommen die Teilnahme an Krippe und Kita oder Tagespflege landesweit zu erleichtern.
– Geschwisterermäßigung: Ebenso wird die bisherige Ungleichbehandlung bei der Geschwisterermäßigung beendet: Familien mit mehreren Kindern können von einer Mindestvorgabe bei der Geschwisterermäßigung profitieren: Besuchen mehrere Kinder gleichzeitig eine Kita oder Tagespflege, müssen die Eltern für das zweitälteste Kind nur die Hälfte des Beitrags bezahlen. Jüngere Kinder sind komplett beitragsfrei. In Bezug auf Schulkinder oder deren Berücksichtigung bei der Anrechnung können wie bisher auch die örtlichen Jugendämter weitergehende Regelungen treffen.
– Stärkung des Wahlrechts: Bisher stießen Eltern häufig bei ihren Kommunen an Grenzen, wenn sie das bundesgesetzlich bestehende Wahlrecht bei der Platzwahl geltend machen wollten. Dies scheiterte häufig an Finanzierungsfragen zwischen Wohnsitz- und Standortgemeinde. Zukünftig gibt es ein echtes Wahlrecht für Eltern, denn die Finanzierungsstruktur wird so gestaltet, dass ein gesondert zu vereinbarender interkommunaler Kostenausgleich entfällt. Soweit Plätze vorhanden sind, können Eltern ihre Kinder in einer Kita außerhalb ihrer Wohngemeinde anmelden, ohne sich deswegen erklären zu müssen. Eine Familie kann also auch außerhalb des eigenen Wohnorts eine Einrichtung auswählen, beispielsweise, wenn dort die Betreuungszeiten besser zu den eigenen Arbeitszeiten passen.
– Betreuungskontinuität: Bisher konnten Kommunen Kinder aus Einrichtungen „werfen“, wenn die Familie über die Stadtgrenze hinaus ins Umland zieht – auch ohne, dass dort einen Betreuungsplatz gleichen Umfangs vorhanden war. Zukünftig wird dies verboten, da Betreuungskontinuität nicht nur pädagogisch wichtig für Kinder, sondern auch unverzichtbar für die Planbarkeit von Familie und Beruf für die Eltern ist.
– Verlässliche Schließzeiten: Bislang gab es bei den Schließzeiten überhaupt keine Regelung, so dass Eltern nicht längerfristig planen konnten. Zukünftig wird es eine Obergrenze der möglichen Schließzeiten geben: Diese werden auf 20 Tage im Kalenderjahr begrenzt (inklusive Feiertage). Für kleine Einrichtungen mit bis zu drei Gruppen gelten diese Ziele ebenfalls, sie können jedoch abweichend davon bis zu 30 Tage im Jahr schließen, da es bei weniger Fachkräften schwerer fällt, Vertretungen zu organisieren. Mit dieser Ausnahme sollen die Belange der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in kleinen Einrichtungen berücksichtigt werden. Kitas können selbstverständlich auch weiterhin weniger Schließtage umsetzen, wo sie das heute schon tun. Mindestvorgaben regeln lediglich, welche maximale Tagesanzahl nicht mehr überschritten werden darf.
– Beteiligungsmöglichkeit: Zukünftig ist die Einhaltung der Beteiligungsrechte der Elternvertretung Voraussetzung dafür, dass eine Kita öffentliche Mittel erhält. Auch Eltern, deren Kinder in Tagespflege betreut werden, können künftig in der Kreis- und Landeselternvertretung mitwirken.
2) Verbesserungen für Kitas/ pädagogische Fachkräfte / Qualität (Beispiele)
– Verbesserung des Fachkraft-Kind-Schlüssels: Bisher galt in Schleswig-Holstein ein Fachkraft-Kind-Schlüssel im Elementarbereich von 1,5 pro Gruppe. Zukünftig wird dieser auf 2,0 Fachkräfte angehoben.
– Begrenzung der Gruppengröße: Bisher konnten im Ausnahmefall Gruppen auf 25 Kinder vergrößert werden. Zukünftig gilt maximal eine Größe von 22 Kinder, die Regelgröße beträgt wie bisher 20 Kinder.
– Verfügungszeiten: Erstmals wird im Gesetz als Mindestanforderung festgehalten, dass Verfügungszeiten ab 2021 im Umfang von 7,8 Stunden (pro Woche/pro Gruppe), die Fachkräfte beispielsweise für ihre eigene Vorbereitung nutzen, in jeder Kita ein fester Bestandteil der Planungen sein müssen. Auch hier können die Kommunen oder die Träger weitergehende Regelungen treffen.
– Leitungsfreistellungszeiten: Ebenfalls erstmals werden Leitungsfreistellungszeiten, die für Vorbereitung und Organisation genutzt werden, verbindlich als Mindestanforderung aufgenommen. Natürlich können diese vor Ort weiterentwickelt werden und Kommunen und Träger können darüber hinaus gehende Regelungen treffen.
– Fachkräftegewinnung: Ein wesentlicher Faktor für die Fachkräftegewinnung sind gute Arbeitsbedingungen. Mit den qualitätssteigernden Maßnahmen und deren Finanzierung trägt das Land einen wichtigen Teil dazu bei – neben weiteren Maßnahmen wie z.B. Verbesserung bei der Ausbildung, die unabhängig vom Reformgesetz verfolgt werden.
– Flexibilisierung Betreuungsmöglichkeiten, z.B. Hort: Die bisher starren Regelungen werden flexibilisiert durch zukünftig verschiedene Gruppenformen. Neben der weiterhin möglichen Betreuung von 15 Kindern von 1,5 Fachkräften (in der dann sog. „Mittleren Hortgruppe“) wird zukünftig eine Regelgruppe ermöglicht bestehend aus 20 Kindern, die von 2 Fachkräften betreut werden (= identischer Betreuungsschlüssel wie bisher).
– Nachweis des Fachkraft-Kind-Schlüssels: Umfangreiche Melde- oder Dokumentationspflichten sieht das Gesetz entgegen mancher Mutmaßungen hierzu nicht vor. Die Einrichtungen müssen nur auf geeignete Weise festhalten, welche Mitarbeiter*innen an welchen Tag in den Gruppen gearbeitet haben. Weitere Differenzierungen sind nicht notwendig. Hintergrund ist lediglich, dem Jugendamt auf dessen verlangen die Einhaltung des Fachkraft-Kind-Schlüssels belegen zu können (s. hierzu auch § 26 Abs.2). Eine regelmäßige Meldepflicht ist nicht vorgesehen, sondern erst nach Nicht-Einhaltung des Fachkraft-Kind-Schlüssels über mehr als 5 Tage.
– Naturkindertagesstätten sind ein fester und wichtiger Bestandteil der Kitalandschaft in Schleswig-Holstein. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.
Die dauerhafte Zulassung von Natur-Krippengruppen und Natur-Hortgruppen ist nun klar geregelt. Bisher gab es keine gesetzlichen Vorgaben dazu, wann Naturgruppen förderungsfähig sind. Das wird sich mit der Reform ändern: Fortan sind Naturkindertagesstätten förderfähig, die Kinder ab einem Alter von 20 Monaten betreuen. Zudem gelten nun auch solche Gruppen als Naturgruppen, die sich nur geringfügig in Innenräumen aufhalten, wenn die Kinder zum Beispiel dort ihr Mittagessen einnehmen.
3) Verbesserung für Kommunen und des Finanzierungssystems:
– Bisher wurde in der Kitafinanzierung vereinfacht ausgedrückt bei neuen Anforderungen immer eine weitere Richtlinie, Verordnung oder Erlass „angeflickt“. Dies führte zu einem trägen Finanzierungssystem mit einer Vielzahl unterschiedlicher Regelungen und Verantwortlichkeiten, das selbst für Beteiligte nicht mehr einfach durchschaubar war und Fehlanreize bot. Die Reform wird die Finanzierung systematisieren: Sie erhält erstmalig eine nachhaltige Struktur, mehr Transparenz und ein höheres Maß an Verlässlichkeit.
Grundlage der Finanzierung des neuen Modells ist eine Standardqualität als Voraussetzung für die öffentliche Förderung (SQKM). Darüber hinaus gehende Angebote und Standards finanzieren die Kommunen oder Träger als freiwillige Leistungen.
– In diesem System haben es Städte und Gemeinden weiterhin in ihrer Hand, die Kita vor Ort zu gestalten. Sie definieren die Betreuungsbedarfe, wirken weiterhin maßgeblich an der Bedarfsplanung mit, wählen die Träger aus, entscheiden über zusätzliche Angebote über den Standard hinaus und gestalten weiterhin in Beiräten vor Ort mit anderen Beteiligten. Ihre Gestaltungsmöglichkeiten werden sich sogar dort noch einmal erhöhen, wo Qualitätsvorgaben bereits erreicht und Elternbeiträge unter oder nahe dem Deckel sind. Sie können zusätzliche Mittel in die Verbesserung des Angebots vor Ort oder in eine Absenkung der Elternbeiträge investieren.
– Bei der finanziellen Belastung geht es zwischen Land und Kommunen zukünftig fairer zu. Eingeführt wird ein anteiliger Landesbeitrag, der auch an die Entwicklung der Platzzahlen und der Betreuungszeiten gekoppelt ist, sodass die Kostendynamik über alle Betreuungsformen vom Land übernommen wird.
– Das Land übernimmt zudem alle Dynamisierungskosten, die aus der Beitragsdeckelung resultieren. Der kommunale Anteil soll sich hingegen nicht weiter erhöhen. Im neuen System bezahlt also derjenige, der „bestellt“.
– Die Förderung pro Kind wird sich in dieser Legislaturperiode mehr als verdoppeln – von durchschnittlich rund 2.000 Euro im Jahr 2017 auf durchschnittlich rund 4.400 Euro im Jahr 2022. Der Anteil der Gemeinden an den Kosten pro Kind des Standard-Qualitäts-Kosten-Modells, auf dem das Finanzierungssystem basiert, sinkt auf 39 %.
– Übergangsphase: Gemeinden, Kreisen und Trägern wird ausreichend Zeit gegeben, die Reform seriös umzusetzen, damit sie das derzeit meist praktizierte System der Defizitfinanzierung auf eine Pauschalfinanzierung umstellen können. Das macht es für die kommunalen und freien Einrichtungsträger planbar.
Mehr zur Kita-Reform finden Sie unter http://kitareform2020.de