Der Internationale Tag der Menschen mit Behinderung am 3. Dezember ist ein von den Vereinten Nationen ausgerufener Gedenk- und Aktionstag, der das Bewusstsein der Öffentlichkeit für die Probleme von Menschen mit Behinderung wachhalten und den Einsatz für die Würde, Rechte und das Wohlergehen dieser Menschen fördern soll.
Bevor sich Verbände, Institutionen und Politiker an dem heutigen Tage der selbst Beweihräucherung hingeben und dabei erklären, Menschen mit Behinderung leben in einer inklusiven Welt, möchte ich mich zu Wort melden.
Trotz der UN-Behindertenrechtskonvention geht es nicht voran in der Welt von Menschen mit Behinderung. Themen, wie Barrierefreiheit, persönliche Mobilität, Gesundheit, Bildung, Beschäftigung, Rehabilitation, Teilhabe am politischen Leben, Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung werden weiter als Nischenthema behandelt. Oder haben sie schon mal im Wahlkampf von einem dieser Probleme gehört?
Die Regierung hat es nicht nur geschafft die UN-BRK seit der Ratifizierung zu ignorieren, NEIN sie schafft es auch, durch das am 23. Dezember 2016 in Kraft getretene „eigentliche“ Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen, kurz Bundesteilhabegesetz (BTHG), Menschen mit Behinderung weiter auszugrenzen.
Bis heute ist eine Schule für alle „Inklusion“ nicht umgesetzt und die Barrieren in den Köpfen der Politik, Eltern und Lehrer verhindern, dass Kinder mit anderen Kindern lernen. Leider wird dadurch für die Zukunft ein Selbstverständnis gegenüber Menschen mit Behinderung verhindert. Frei nach dem Motto „was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“.
Es sind es aber genau die Barrieren im Kopf, die ein alltägliches Selbstverständnis verhindern. Allerdings wird es ohne das Selbstverständnis, dass Menschen mit Behinderung zu unserer Gesellschaft dazugehören und die gleiche Rechte haben, mit einer „Inklusiven Gesellschaft“ nicht funktionieren.
Dabei ist es enorm wichtig, dass in den Köpfen der Menschen ein Umdenken zum Thema Menschen mit Behinderung beginnt. Ohne ein Umdenken wird es nicht möglich sein, eine barrierefreie Welt zu gestalten, denn solange wir Barrierefreiheit als etwas Besonderes und nicht als etwas Selbstverständliches begreifen, kann es nicht funktionieren. Barrieren in den Köpfen beginnen schon im allgemeinen Sprachgebrauch, zu oft hören beziehungsweise lesen wir von „im Rollstuhl gefesselt“ von dem „schweren Leid“ oder welches „schwere Schicksal“, Menschen mit Behinderung ertragen müssen, in den Köpfen von Nichtbehinderten Menschen bleibt ein Bild des hilflosen Opfers zurück.
Ich wollte, als ich den Artikel anfing, über die Barrieren schreiben, mit denen ich es als Rollstuhlfahrerin Tag täglich zu tun habe, schnell merkte ich aber, dass der Text unendlich wird und niemanden wirklich zu zumuten ist. Gehen sie grundsätzlich davon aus, dass es in meinem Leben als Rollstuhlfahrerin einer genauen Planung und Organisation Bedarf bevor ich zum Beispiel Einkaufe, ins Kino, Konzert, Restaurant, Friseur, Arzt, Krankenhaus, Freunde treffe oder einfach in die Boutique um die Ecke gehe, öffentliche Verkehrsmittel nutze, oder einen Urlaub plane. Unzureichende, nicht nutzbare und nicht vorhandene Barrierefreiheit schränkt mich bei der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ein. Andere Menschen, egal ob es um körperliche, kognitive oder Sinnesbehinderung geht, können keine „normale“ Schule besuchen, keine Ausbildung machen, nicht studieren und finden keine Arbeit.
Viele Menschen mit Behinderung müssen ihre Wohnung aufgeben, weil die Pflege nicht gesichert ist oder die Kosten der Pflege nicht übernommen werden, sie werden in Pflegeheime untergebracht. Eltern mit schwerstbehinderten Kindern kämpfen bis zur Erschöpfung, damit ihre Kinder in alternative Wohnformen leben können und nicht in Behinderteneinrichtungen.
Wir sind weit entfernt von einer „inklusiven Gesellschaft“ solange die Gesellschaft, die Politik und die Verwaltungen weiterhin eine Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention nicht ernsthaft umsetzt und alle weiter daran glauben, mich trifft es nicht.
JETZT UmDENKEN
Angelika Mincke, Giesensdorf