Brüssel (pm). Die Europäische Kommission hat gestern (Freitag) die vorläufigen Ergebnisse einer öffentlichen Konsultation zur Zeitumstellung in Europa veröffentlicht. Vom 4. Juli bis 16. August 2018 gingen 4,6 Millionen Rückmeldungen aus allen 28 Mitgliedstaaten ein. Die meisten Teilnehmer wollen die Sommerzeit auch im Winter, sagte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Freitag im ZDF. Er kündigte an, dass die Kommission vorschlagen wird, die halbjährliche Zeitumstellung im März und Oktober abzuschaffen. Dann sind die Mitgliedstaaten und das EU-Parlament am Zug.
Mehr Antworten wurden bislang bei keiner anderen öffentlichen Konsultation der Kommission eingereicht. Nach den vorläufigen Ergebnissen sprechen sich 84 Prozent der Teilnehmer dafür aus, die halbjährliche Zeitumstellung abzuschaffen. 3,79 Prozent der Deutschen haben teilgenommen.
Die für Verkehr zuständige Kommissarin Violeta Bulc hat diese vorläufigen Ergebnisse den Kommissionsmitgliedern vorgelegt, die in ersten Gesprächen die möglichen nächsten Schritte erörtert haben. Kommissarin Bulc kommentierte: „Millionen Europäerinnen und Europäer nutzten unsere öffentliche Konsultation, um sich Gehör zu verschaffen. Die Botschaft ist sehr klar: 84 Prozent von ihnen sind für die Abschaffung der Zeitumstellung. Wir werden nun entsprechend handeln und einen Legislativvorschlag für das Europäische Parlament und den Rat ausarbeiten, die dann gemeinsam einen Beschluss fassen.“
Aus den vorläufigen Ergebnissen der Konsultation geht auch hervor, dass mehr als Dreiviertel (76 Prozent) der Teilnehmer die halbjährliche Zeitumstellung als „sehr negative“ oder „negative“ Erfahrung bewerten. Als Gründe für die Abschaffung wurden gesundheitliche Beeinträchtigungen und die Zunahme von Unfällen im Straßenverkehr sowie nur geringe Energieeinsparungen angeführt.
Präsident Juncker‚ hat die Frage der Sommerzeit auf die politische Tagesordnung gesetzt und damit seinem Grundsatz entsprochen, dass die EU sich den großen Fragen widmen und den Mitgliedstaaten Entscheidungen überlassen soll, für die diese am besten geeignet sind.
Die öffentliche Konsultation zur Sommerzeitregelung wurde von der Europäischen Kommission im Rahmen ihrer laufenden Bewertung der derzeitigen Regelungen für die Zeitumstellung in Europa organisiert. Sie kommt auch einer vom Europäischen Parlament im Februar 2018 verabschiedeten Entschließung sowie den Ersuchen einiger Mitgliedstaaten, Interessenträger und Bürgerinnen und Bürger nach.
Nächste Schritte
Die endgültigen Ergebnisse der öffentlichen Konsultation werden in den kommenden Wochen veröffentlicht. Die Kommission wird nun dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Vorschlag zur Änderung der derzeitigen Sommerzeitregelung unterbreiten.
Hintergrund
Zwischen dem 4. Juli und dem 16. August 2018 hat die Europäische Kommission eine öffentliche Konsultation im Rahmen ihrer Bewertung der derzeitigen Sommerzeitregelung in der EU durchgeführt. Dabei handelte es sich um eine Online-Umfrage, um die Meinung der Europäer, insbesondere zu ihrer allgemeinen Erfahrung mit der Zeitumstellung und zu ihrer bevorzugten Alternative für die Zukunft (d. h. Beibehaltung der derzeitigen Regelung oder Abschaffung in der gesamten EU) einzuholen. Öffentliche Konsultationen gehören zu den Instrumenten, die die Kommission zusammen mit anderen Elementen, wie wissenschaftlichen Studien, zur Bewertung der Politik einsetzt. In der Vergangenheit wurden bereits andere Konsultationen, die auf große Resonanz stießen, zu der Vogelschutz- und der Habitatrichtlinie (mehr als 550.000 Antworten) oder zur Modernisierung der Gemeinsamen Agrarpolitik (mehr als 322.000 Antworten) durchgeführt.
In den meisten EU-Mitgliedstaaten besteht eine lange Tradition von Sommerzeitregelungen, die größtenteils bis in die Zeit des Ersten und des Zweiten Weltkriegs bzw. bis zur Ölkrise in den 1970er Jahren zurückreichen. Die Europäische Union begann im Jahr 1980, schrittweise Vorschriften einzuführen, damit alle Mitgliedstaaten die Zeitumstellung aufeinander abstimmen und die von einander abweichenden nationalen Regelungen abschaffen. So stellen alle EU-Bürgerinnen und -Bürger seit 1996 ihre Uhr am letzten Sonntag im März eine Stunde vor und am letzten Sonntag im Oktober eine Stunde zurück. Ziel der EU-Vorschriften war es nicht, die EU-Zeitregelung zu vereinheitlichen, sondern die Probleme, insbesondere in den Bereichen Verkehr und Logistik, anzugehen, die sich aus einer unkoordinierten Zeitumstellung im Laufe des Jahres ergeben.
Parallel zur Sommerzeitregelung in der EU gelten für die Mitgliedstaaten drei unterschiedliche Zeitzonen oder Standardzeiten. Die Entscheidung über die Standardzeit fällt in die nationale Zuständigkeit. Im Falle einer EU-weiten Abschaffung der Zeitumstellung würde es letztlich die Entscheidung jedes Mitgliedstaates bleiben, ob er sich für eine dauerhafte Sommer- oder Winterzeit (oder eine andere Zeit) entscheidet.
Alle Ergebnisse sind vorläufig und unterliegen Änderungen.
Beteiligungsquote in den einzelnen Mitgliedstaaten (prozentualer Anteil der nationalen Bevölkerung):
Deutschland
3,79 %
Österreich
2,94 %
Luxemburg
1,78 %
Finnland
0,96 %
Estland
0,94 %
Zypern
0,88 %
Slowenien
0,73 %
Slowakei
0,60 %
Tschechische Republik
0,59 %
Frankreich
0,59 %
Belgien
0,55 %
Kroatien
0,52 %
Schweden
0,48 %
Lettland
0,39 %
Polen
0,34 %
Griechenland
0,34 %
Litauen
0,34 %
Portugal
0,33 %
Malta
0,25 %
Irland
0,24 %
Ungarn
0,21 %
Spanien
0,19 %
Bulgarien
0,18 %
Niederlande
0,16 %
Dänemark
0,11 %
Italien
0,04 %
Rumänien
0,04 %
Vereinigtes Königreich
0,02 %