Berkenthin (aa). Unter dem Motto „Bürger:innen fragen – Politiker antworten“ lud die Initiative „WirSindNichtStill!“ am Sonntag (9. Februar) zur großen Podiumsdiskussion ins Sportzentrum Berkenthin ein. Die Veranstaltung bot den rund 200 anwesenden Bürgern die Gelegenheit, die Direktkandidaten zur kommenden Bundestagswahl des Wahlkreises 11, Kathrin Ostertag (Volt), Tim Klüssendorf (SPD), Christopher Lötsch (CDU), Bruno Hönel (Die Grünen), Andreas Müller (Die Linke) sowie Robert Schörck (FDP), kennenzulernen und sie zu drängenden Themen des ländlichen Raums zu befragen.
Zunächst begrüßte Andrea Fernandez im Namen der Initiative die rund 200 Gäste und stellte diese kurz vor. So ist die Initiative eine überparteiliche Gruppe, die sich auf die Förderung von Demokratie, Toleranz, Vielfalt und den Kampf gegen den Rechtsextremismus konzentriert und als Reaktion auf den Aufstieg der AfD-Partei neu gegründet wurde. Ursprünglich im Jahr 2014 als runder Tisch für eine Willkommenskultur gegründet, erhielt die Gruppe 2016 den Deutschen Bürgerpreis und organisierte 2018 eine bedeutende Demonstration mit etwa 1.000 Teilnehmern. Das Motto „Wir sind nicht still“ spiegelt das Engagement der Gruppe wider, laut und aktiv für die Verteidigung der Demokratie einzutreten.
Im Anschluss hieß auch Berkenthins Bürgermeister Friedrich Thorn alle Anwesenden willkommen. Er stellte die Sinnhaftigkeit des Zuschnitts des Wahlkreises 11 in Frage. Dieser umfasst die Hansestadt Lübeck sowie vom Kreis Herzogtum Lauenburg das Amt Berkenthin und die Gemeinden Grinau, Groß Boden, Groß Schenkenberg, Klinkrade, Labenz, Linau, Lüchow, Sandesneben, Schiphorst, Schönberg, Schürensöhlen, Siebenbäumen, Sirksfelde, Steinhorst, Stubben und Wentorf aus dem Amt Sandesneben-Nusse. Thorn ermahnte die sechs Bundestagskandidaten im Falle ihrer Wahl in Berlin nicht nur die Interessen Lübeck zu vertreten, sondern auch an die restlichen Gemeinden des Wahlkreises zu denken.
Moderatorin Gesine Biller zeigte sich an diesem Vormittag gut vorbereitet und holte die Kandidaten, gespickt jeweils mit ein paar Infos zur Person, nacheinander auf die Bühne.
So ist Timm Klüssendorf (SPD) Volks- und Betriebswirt, Mitglied des aktuellen Bundestags, Ordentliches Mitglied im Finanzausschuss, im Ausschuss für Digitales, und Abgeordneter für Berkenthin, Sandesneben, Lübeck.
Robert Schörck (FDP) ist Industriekaufmann, studierte General Managment, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Büro des FDP-Fraktionsvorsitzenden Christian Dürr in Berlin.
Bruno Hönel von den Grünen ist Psychologe, Mitglied des Bundestages, Obmann im Unterausschuss zu Fragen der Europäischen Union, Ordentliches Mitglied im Finanzausschuss, Haushaltsausschuss, Unterausschuss zu Fragen der Europäischen Union. Abgeordneter für Berkenthin, Sandesneben, Lübeck
Andreas Müller (Die Linke) ist Verwaltungsmitarbeiter in einer Bundesbehörde, im Sozial- und Schulausschuss der Lübecker Bürgerschaft, Vorsitzender der Linken in Lübeck und der Fraktionsgemeinschaft Linke und GAL.
Christopher Lötsch (CDU) ist Architekt, Energieberater und Sachverständiger für die Immobilienbewertung sowie Fraktionsvorsitzender der Lübecker CDU- Bürgerschaftsfraktion.
Kathrin Ostertag (VOLT) ist Ingenieurin und Abteilungsleiterin bei der IHK. Hier seit 20 Jahren zunächst als Referentin und seit vielen Jahren als Bereichsleiterin Innovation und Umwelt tätig.
Grundsätzliche Einigkeit beim ÖPNV
Zum Thema ÖPNV betont Kathrin Ostertag, dass der öffentliche Nahverkehr (ÖPNV) anders finanziert werden müsse, um eine bessere Anbindung zu gewährleisten. Sie spricht von der Notwendigkeit, innovative Ansätze wie privat organisierte Shuttlebusse oder langfristig autonom fahrende Busse zu entwickeln, die regelmäßig Schüler zur Schule bringen oder abholen können. Der entscheidende Punkt sei jedoch die Finanzierung, damit der ÖPNV für alle zugänglich und nutzbar bleibt. Die Politik müsse akzeptieren, dass die Finanzierung des ÖPNV auch mit Themen wie Klimaschutz, Bildung und Wirtschaft in Verbindung stehe.
Laut Bruno Hönel sei der ÖPNV auf dem Land oft schlecht und dadurch sei letztlich auch für das vorhandene Angebot die Nachfrage schlecht. „Es braucht daher eine Mobilitätsgarantie“, so Hönel. Und das gelinge nur mit Hilfe öffentlicher Finanzierung und mehr staatlichen Mitteln. Zudem wies er auf Pläne der Grünen hin, jungen Leuten auf dem Land staatliche Zuschüsse für den Führerschein zu geben. So solle kurzfristig die Mobiliät auf dem Land verbessert beziehungsweise die Gerechtigkeit zwischen Stadt und Land hergestellt werden.
Auch die FDP würde dem ÖPNV mit mehr Geld verbessern wollen, wie Robert Schörck verriet. Einen Ansatz sehe er auch darin, Unternehmen Anreize zu geben, ihre Auszubildenden bei der Finanzierung ihres Führerscheins zu helfen.
Auch Christopher Lötsch sieht den Bund in der Pflicht, die Kommunen beim ÖPNV besser zu unterstützen.
Für Andreas Müller sei neben den sozialen Fragen wie Mieten und Wohnen, das Klima das Thema der Zukunft. Er wolle sich deswegen dafür einsetzen den individuellen Personennahverkehr abzubauen und den ÖPNV zu stärken.
Thema Gesundheit
Christopher Lötsch: „Kleine Kliniken zu schließen, ist absolut kontraproduktiv. Die Chancen zwischen Stadt und Land müssen hier gleich bleiben“. Die Auflösung der Schuldenbremse sei allerdings nicht die Lösung. „Wir müssen die Wirtschaft wieder mehr voranbringen, wieder mehr verdienen durch mehr Arbeit.“ Hier widersprach ihm Timm Klüssendorf ausdrücklich: „Wünschen kann man sich viel, aber man muss das auch bezahlen können.“ Mehrarbeit sehe er da nicht als Lösung: „Es gibt jetzt schon Millionen von unbezahlten Überstunden. Ich finde daher diese Herangehensweise falsch.“
Hönel will im Gesundheitswesen Spekulationen und Profitgier privater Investoren beenden, Ostertag sagt, dass zu wenig Menschen in die Pflegeversicherung einzahlen. Hier müssten auch Selbstständige und Beamte mit hinzugeszogen werden.
Direkter Austausch mit den Bürgern
Bei den Fragen aus dem Publikum wurde unter anderem der Fachkräftemangel im ländlichen Raum bei einem aktuell gleichzeitig hartem Vorgehen der Politik gegen Migration angesprochen.
„Langfristig brauchen wir hierbei die Migration“, so Robert Schörck. Zudem wolle er mehr Kitavollzeitbetreuung erreichen, um so mehr Menschen in Arbeit zu bekommen.
Eine Frage aus dem Publikum ging direkt Christopher Lötsch. Wie zufrieden sei er aktuell mit seinem Parteivorsitzenden und Kanzlerkandidaten Friedrich Merz in Bezug auf die gemeinsame Abstimmung mit der AfD in der letzten Januarwoche? Dazu Lötsch: „Ich hätte in der letzten Woche einiges anders gemacht. Das war absolut die falsche Taktik. Ich kann da einiges nicht verstehen. Der Antrag am Mittwoch (29. Januar) war unnötig. Ich hätte es gerne gestoppt.“ Gleichzeitig verurteilt er Sprüche auf Demos wie „Ganz Lübeck hasst die CDU“ als undemokratisch.
Weitere Fragen behandelten unter anderem die Themen Reichensteuer und Pflegevollversicherung, wo die Kadidaten ebenfalls weitestgehend der Linie ihrer jeweiligen Partei wiedergaben.