Mölln (pm). Gänsehautmomente am Sonntag in Mölln: 600 Feuerwehrleute in Ausgeh-Uniform marschieren in Dreierreihen und begleitet von vier Musikzügen im Sternmarsch den Schulberg hinauf, um sich hier auf dem Sportplatzaufzustellen. „Ein wirklich beeindruckendes Bild“, sagt Julia Wünsche. Die 34-Jährige ist extra aus dem Mecklenburgischen Sternberg mit ihrer Familie nach Mölln gekommen, um den Sternmarsch und das Familienfest am diesjährigen Verbandstag des Kreisfeuerwehrverbandes anlässlich des 150-jährigen Jubiläums der Möllner Wehr mitzuerleben.
„150 Jahre Feuerwehr – das ist schon was“, sagt Till Eulenspiegel, Möllns legendärer Narr, der sich unter die Gäste mischte, das Lied „Happy Birthday“ anstimmte und verriet, dass er der „inoffizielle Schutzpatron der Möllner Feuerwehrkameraden ist“ und stets um ihre Gesundheit besorgt sei. Das zu hören, freute die Möllner Wehrführung um Sven Stonies und Stefan Jacke sehr und ist vielleicht ein Grund, weshalb die Möllner Kameraden bislang immer unversehrt von ihren Einsätzen zurückgekehrt sind.
Dabei war der Anlass zur Gründung der Wehr alles andere als schön: Am 15. September 1874 brach in der Seestraße ein Feuer aus, das innerhalb von zwei Stunden 31 Häuser und wohl doppelt so viele Nebengebäude vernichtete. 80 Familien wurden hierdurch obdachlos, berichtet Wehrführer Stonies in seiner Rede auf dem Kommersabend mit vielen Gästen aus der Blaulichtfamilie, aus Politik und Verwaltung am Freitag in der Sport-Arena.
Ein Junge hatte damals im Hof des Fuhrmannes Drewes – gegenüber dem Ziegenmarkt (heute Seestraße 59) – mit Streichhölzern gespielt. Der leichte Wind setzte kurze Zeit später einen Schuppen und wenig später die Scheune des Senators Vollrath, die bis oben mit Korn gefüllt war, in Brand. Das Feuer erfasste in kurzer Zeit immer mehr Gebäude und Stallungen. Die Glocken von St. Nikolai wurden – wie bei Feuer üblich – geläutet. Aber die Einwohner der Stadt, die auf ihren Feldern vor der Stadt bei der Ernte waren, dachten, dass die Glocken zum Abendgebet läuten würden und bemerkten die schwarze Rauchsäule somit zu spät. Somit mussten die ersten Löschversuche allein von den Kindern, den Frauen und den Alten, die eine Kette bildeten, um die ledernen Löscheimer von der Pumpe am Ziegenmarkt zum Brandherd zu reichen, unternommen werden.
Die Gründung einer Wehr rückte in den Fokus und schon neun Tage nach dem verheerenden Feuer wurden Fakten geschaffen: Am 24. September 1874 wurde die Möllner Wehr in Schaper‘s Hotel offiziell gegründet. Sie ist heute die zweitälteste im Kreis. 51 Möllner Bürgern traten noch am Abend in die Freiwillige Feuerwehr Mölln ein. Alle Namen wurden in der Stammrolle der Wehr, die bis zum heutigen Tag geführt wird, festgehalten.
„Der Brand in der Seestraße hat sich tief ins kollektive Gedächtnis der Möllner eingeprägt“, sagt Holger Burmester. Der 63-jährige Möllner ist in der Seestraße aufgewachsen und hat als Kind viel von den Älteren über das Feuer gehört. Burmester gehört als Vorsitzender der DLRG Mölln zur großen Blaulichtfamilie, der eng mit der Wehr zusammenarbeitet.
Wie wichtig diese Zusammenarbeit ist, konnten die Gäste auf dem Familienfest am Sonntag bei einem nachgestellten Rettungsszenario hautnah miterleben: Da rast eine junge Frau mit ihrem Auto in ein Baugerüst. Der Bauarbeiter auf dem Gerüst verletzt wird durch den Aufprall schwer verletzt. Die Organisationen THW, DRK und Feuerwehr arbeiten bei der Rettung Hand in Hand. „Die Feuerwehrleute holen die eingeklemmte Fahrerin aus dem Pkw, das THW sichert mittels Drehsteifen das einsturzgefährdete Baugerüst, damit der verletzte Arbeiter abtransportiert werden kann. Das DRK übernimmt die Versorgung der Verletzten“, beschreibt Björn Albrecht, THW-Fachberater für den Kreis, das gute Zusammenspiel, das vor Ort bestens funktioniert und erst kürzlich bei der Sicherung des einsturzgefährdeten Supermarktes in Mölln wieder unter Beweis gestellt wurde. Bei dem Einsatz kam auch eine Drohne zum Einsatz, die die Feuerwehrleute für die Besucher in die Luft steigen ließen.
Der spektakuläre Einsatz beim Supermarkt war einer von bislang 231 Einsätzen, die die 91 aktiven Mitglieder der Möllner Wehr in diesem Jahr bereits absolviert haben. Die Rekordzahl von 398 Einsätzen wie in 2022 wird in diesem Jahr wahrscheinlich nicht übertroffen werden. Das Jahr 2022 war das einsatzstärkste in der Geschichte der Ortswehr.
Das größte Feuer in der Geschichte der FFW Mölln ereignete sich am 6. Oktober 1991: An dem Tag brannte das Holzlager der Firma Michelsen in voller Ausdehnung. Ein gewaltiges Flammenmeer entstand. In den Haupteinsatzstunden standen dem Möllner Wehrführer als Einsatzleiter ca. 600 Feuerwehrleute aus dem ganzen Kreis Herzogtum Lauenburg zur Verfügung. Auch die Berufsfeuerwehr Lübeck unterstützte die Löscharbeiten.
Der Möllner Feuerwehrmann Peter Siemers kann sich noch gut an das Großfeuer und die kraftraubenden Löscharbeiten erinnern. Seit 52 Jahren ist Siemers seiner Möllner Wehr treu. Er hat einen umfangreichen Erfahrungsschatz angehäuft und blickt mit ein bisschen Wehmut auf Ende 2024. Denn dann endet die aktive Zeit des 67-Jährigen.
Und die nächsten Kameraden stehen schon in den Startlöchern. Denn Nachwuchssorgen hat die Möllner Wehr nicht: „Wir sind mit aktuell 39 Mitgliedern zwischen zehn und 18 Jahren ziemlich gut aufgestellt“, sagt Jeremy Kisten von der Jugendfeuerwehr. Und weitere könnten hinzukommen: „Das Interesse an einer Mitarbeit war groß“, sagt Kisten.
„Keineswegs eine Selbstverständlichkeit in der heutigen Zeit“, weiß Jürgen Hensel, Notfall- und Feuerwehrseelsorger, der sich über den großen Zuspruch beim Verbandstag von vielen Familien und von den anderen 127 Wehren aus dem Kreis freute.
Dass sich hunderte Feuerwehrleute aus dem Kreis nach Mölln aufmachten, wertete Torsten Möller, stellvertretender Kreiswehrführer, als „Zeichen einer funktionierenden Zusammenarbeit“, die nicht nur unter den Wehren, sondern auch auf der Führungsebene bestens ist“, lobte Möller mit Blick auf den Kreiswehrführer Sven Stonies.
Und auch aus dem angrenzenden Bundesland Mecklenburg-Vorpommern gab es viel Lob: Befreundete Feuerwehrkameraden aus Wittenburg waren anlässlich des Jubiläums nach Mölln gekommen und hatten im Gepäck jede Menge Erinnerungsfotos aus „alten Zeiten“, wo der ein oder anderen Kamerad noch nicht ergraut war“, sagt der Wittenburger Heinrich Ebeling. Immerhin währt die Freundschaft bereits seit 35 Jahren und entstand wenige Tage nach dem Mauerfall.
Das Weihnachten nach dem Mauerfall feierten die Wittenburger und die Möllner Kameraden bereits zusammen. Und das kam so: „Am späten Abend des 23. Dezember 1989 machten sich acht Möllner Feuerwehrkameraden unter der Führung des damaligen Wehrführers Willi Damm mit einem Feuerwehrfahrzeug auf den Weg nach Wittenburg. An der Grenzkontrollstelle Gudow mussten sie bis 24 Uhr auf die Einreise warten. Die Zeit wurde mit Grenzsoldaten und Zöllnern der DDR auf dem Lkw-Hof bei einem gemeinsamen Bier verbracht. Um Mitternacht öffnete sich dann der Schlagbaum. Das Feuerwehrfahrzeug durfte als erstes die Grenzkontrollstelle verlassen und musste auf Anordnung der Grenzsoldaten mit Martinshorn und Blaulicht auf die A 24 fahren.
Bereits kurze Zeit später standen die Möllner Blauröcke zwischen Tausenden jubelnden und feiernden Menschen. Nur im Schritttempo ging es voran. Immer wieder hielten Menschen das Feuerwehrfahrzeug auf. Kurz vor 3.00 Uhr erreichten die Möllner Feuerwehrkameraden dann endlich die Stadt Wittenburg. Wenig später heulten in der Stadt die Sirenen und die Wittenburger Feuerwehrkameraden, die auf die Möllner gehofft und schon gar nicht mehr mit ihnen gerechnet hatten, eilten zum Gerätehaus“, berichtet Sven Stonies in seiner Jubiläumsrede.
„Diesen 24. Dezember haben wir nie vergessen“, sagt Heinrich Ebeling, dem es wichtiger war an seinem 75. Geburtstag mit den Möllnern ihr 150-jährigen Feuerwehr-Jubiläum zu feiern.
Mit großer Freude vernahm der Wittenburger, dass bei den Möllnern Großes ansteht: Noch in diesem Jahr mit dem Erweiterungsbau des Gerätehauses mit vier weiteren Fahrzeughallen, einer Waschhalle und Lagerräumen begonnen. Grund genug für Wehrführer Sven Stonies, sich für die gute Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung und der Kommunalpolitik zu bedanken.
Den Dank gaben die Möllner Bürgervorsteherin Katharina Fiedermann und Bürgermeister Ingo Schäper umgehend zurück: „Um anderen zu helfen, lasst ihr alles stehen und liegen, investiert sehr viel Zeit in Einsätze und Übungsabende, die ihr auch mit euren Familien verbringen könntet. Diese Selbstlosigkeit hat mehr denn je Anerkennung verdient. Ihr sollt wissen, dass wir als Stadt geschlossen hinter euch stehen“, bekennen Fiedermann und Schäper in ihrer gemeinsamen Rede und sorgen für einen weiteren Gänsehautmoment.