Ratzeburg (pm). Der Begriff „Remigration“, das Unwort des Jahres 2023, ist ein Kampf- und Propagandabegriff der rechtsextremen Szene. Damit wird in verharmlosender Weise der Plan zur millionenfachen Vertreibung von Menschen, die in Deutschland leben, beschrieben. Diese Deportationsfantasien rechtsextremer Kreise, die inzwischen auch in der Mitte der Gesellschaft salonfähig gemacht werden, gründen auf einer völkischen Ideologie der Rassenreinheit, die im Nationalsozialismus zur Staatsdoktrin wurde und dort zur millionenfachen Ermordung von Menschen führte, die als andersartig oder andersdenkend gebrandmarkt wurden.
Mit dem Begriff ‚Remigration‘ wird diese Ideologie aktuell wieder aufgegriffen und in den politischen Diskurs gebracht. Remigration richtet sich dabei nicht nur gegen Menschen mit ausländischer Herkunft. Auch deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger mit Migrationshintergrund sind damit gemeint, ebenso Deutsche, die sich im Sinne einer gelingenden Integration für diese Menschen einsetzen und engagieren. Wie leicht dieser menschenverachtende Rassismus verfängt, zeigt sich bereits im Alltag, auch in Ratzeburg. So hat die Volkshochschule Ratzeburg wiederkehrend Erfahrungen mit rassistischer Propaganda im Haus der Ernst-Barlach-Schule machen müssen. Zumeist sind es Flyer mit rassistischen, teilweise rechtsextremen Inhalten, die im Eingangsbereich ausgelegt werden. In den vergangenen Wochen tauchte aber auch erstmalig der Begriff ‚Remigration‘ auf, in Form von Aufklebern an Plakaten einer dort gezeigten Dauerausstellung.
„Natürlich ist uns klar, warum gerade hier solche Pamphlete und Aufkleber regelmäßig auftauchen. Sie richten sich gegen unsere Sprachkurse, die wir hier seit 2015 für Geflüchtete durchführen“, weiß Silvia Tessmer, Leiterin der Ratzeburger Volkshochschule zu berichten. Sie dokumentiert und entsorgt solchen Unrat. Für Bürgermeister Eckhard Graf sind diese Ausflüsse rechtsextremer Gedanken in der Ernst-Barlach-Schule unerträglich: „Unsere Volkshochschule engagiert sich seit vielen Jahren mit hohem Engagement für eine gelingende Integration von Menschen mit ausländischen Wurzeln. Viele hundert Sprachschülerinnen und Sprachschüler haben hier ihre Deutschkenntnisse erworben und damit ein Zeichen gesetzt, dass sie in unserer Gesellschaft ankommen und sich eigenverantwortlich einbringen wollen. Dass gerade ein solcher Ort gezielt für rassistische Propaganda missbraucht wird, muss uns aufschrecken. Schließlich wissen wir, die Botschaft dieser Aufkleber ist ernst gemeint.“
Allerdings ist für Bürgermeister Eckhard Graf auch klar, dass diese Propaganda in Ratzeburg nicht verfängt. „Wir haben gerade in unserer Stadtvertretung den 10-Punkte-Aktionsplan gegen Rassismus verabschiedet, mit dem wir uns im Mai bei der ‚European Coalition of Cities against Racism‘, der Europäischen Städtekoalition gegen Rassismus, bewerben wollen. Und unsere Partnerschaft für Demokratie zwischen Stadt und Amt arbeitet kontinuierlich und sehr entschlossen gegen diesen Rechtsextremismus. Die Mitte der Gesellschaft ist hier hellwach und nicht bereit, solche widerlichen Diskurse in Ratzeburg unwidersprochen zu akzeptieren“, so Graf. Genauso sieht es auch die Leitung der Volkshochschule. Sie ist mit eigenen Projekten gegen Antisemitismus und Rassismus bei der Partnerschaft für Demokratie aktiv und bezieht klar Position gegen dieses Gedankengut.
Bürgermeister Graf bittet darum, Aufkleber oder Flyer mit rechtsextremen oder rassistischen Inhalten, die im öffentlichen Raum aufgefunden werden, zu dokumentieren und im Rathaus anzuzeigen.