Brüssel (pm). Unter dem Vorsitz Schleswig-Holsteins fand am 6. und 7. Dezember 2023 die 93. Sitzung der Europaministerkonferenz (EMK) mit zahlreichen Gästen aus dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission sowie Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft und Wirtschaft in den Räumlichkeiten des Ausschusses der Regionen in Brüssel statt.
Hierzu erklärte der Vorsitzende der Konferenz, Schleswig-Holsteins Europaminister Werner Schwarz: „Die existenzielle Bedeutung der Europäischen Union (EU) wird uns durch den fortdauernden russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine jeden Tag vor Augen geführt. Sechs Monate vor der Europawahl war es mir deshalb ein Anliegen, mit meinen Kolleginnen und Kollegen vor Ort in Brüssel den Austausch über Themen zu führen, die für die Zukunft der EU maßgeblich sind. Dazu gehören die Migrationspolitik und die Wettbewerbsfähigkeit der EU ebenso wie Fragen ihrer Finanzierung und der künftigen Mittelverteilung.“ Die Beratungen der Europaministerinnen und Europaminister seien mitunter kontrovers gewesen. „Einig waren wir uns aber, dass die Handlungsfähigkeit der Union gestärkt werden muss, um aktuelle und kommende Herausforderungen gemeinsam bewältigen zu können und die EU fit für die Aufnahme neuer Mitglieder zu machen“, so Schwarz. Darüber hinaus zeigte sich der Europaminister erfreut über die heutigen Beschlüsse zur Stärkung der ländlichen Räume in der EU sowie zur EU-Ostseestrategie und den anderen makroregionalen Strategien mit deutscher Beteiligung. „Damit konnten wir wichtige Anliegen bei diesen zwei Schwerpunkthemen meines EMK-Vorsitzes direkt bei den Entscheidungsträgern vor Ort adressieren“, sagte der Minister.
Almut Möller, Staatsrätin und Bevollmächtigte der Freien und Hansestadt Hamburg beim Bund ergänzte: „Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und die notwendige Transformation, um Wohlstand und sozialen Zusammenhalt in Europa auch in Zukunft zu sichern, werfen eine ganze Reihe grundlegender Fragen für die EU und ihre Mitglieder auf, deren Konsequenzen auch die Länder betreffen. Der EU-Haushalt steht unter Druck und der notwendige Erweiterungs- und Reformprozess der EU angesichts der neuen geopolitischen Lage erfordern politische Aufmerksamkeit auf allen Ebenen der EU. Der Beschluss der 93. EMK zur Stärkung der Ostseezusammenarbeit ist ein Beitrag der Länder zur Resilienz des demokratischen Teils des Ostseeraums. In Gesprächen mit EU-Vertretern haben wir uns außerdem für die Weiterführung der Kohäsionspolitik als wichtigen Pfeiler für die Zukunftsfähigkeit der europäischen Regionen ausgesprochen. Ein besonderes Anliegen der A-Länder war es, vor dem Europäischen Rat in der kommenden Woche ein politisches Signal der Unterstützung für die Ukraine zu senden. Ich freue mich, dass die EMK hierzu eine gemeinsame Erklärung verabschiedet hat.“
Uwe Becker, Staatssekretär für Bundes- und Europaangelegenheiten des Landes Hessen, sagte: „Die großen Krisen in der Welt vom Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine bis zu den Massakern der Hamas in Israel verlangen ein umso geschlosseneres Handeln der Europäischen Union. Nur gemeinsam sind wir im globalen Wettbewerb ein ernst zu nehmender Akteur und nicht bloß 27 Zuschauer. Beim brutalen Überfall Russlands auf die Ukraine hat sich die EU so geschlossen und entschlossen wie selten zuvor gezeigt. Handlungsfähigkeit ist daher auch immer eine Frage des gemeinsamen politischen Willens. Auch die Aufgaben der wirtschaftlichen und industriellen Transformation Europas werden wir nur gemeinsam lösen. Dabei müssen wir die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Regionen Europas im Blick behalten. Die Sicherstellung der Daseinsvorsorge in ländlichen Regionen ist dabei genauso wichtig wie die Förderung größerer Infrastrukturvorhaben in Metropolregionen, die die Rolle der EU im internationalen Wettbewerb stärken.“
Mit Blick auf die Zukunft der Kohäsionsfonds sagte Becker: „Für Hessen ist es daher wichtig, dass auch stärkere Regionen weiterhin von europäischen Strukturfondsmittel profitieren, denn sie sind häufig Motor für die Entwicklung auch der übrigen Landesteile. Und gerade in stärkeren Regionen finden derzeit wichtige infrastrukturelle Anpassungsprozesse statt, etwa in den Bereichen Digitalisierung und bei der Bekämpfung des Klimawandels. Die Bürgerinnen und Bürger schauen deshalb sehr genau darauf, ob ihnen die EU bei den von ihr formulierten Transformationsprozessen zur Seite steht oder nicht. Die Handlungsfähigkeit der EU ist deshalb nicht nur eine Frage der politischen Einigungsfähigkeit, sondern auch eine Frage, wie verkündete Programme vor Ort ankommen.“
Im Fokus der Konferenz stand unter anderem die Halbzeitüberprüfung des aktuellen Mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) und die Zukunft der Kohäsionspolitik in der neuen Förderperiode ab 2028. Die Weiterentwicklung der Kohäsionspolitik, die der Förderung der Entwicklung von Regionen dient, gehört zu den zentralen Anliegen der EMK. Zuletzt hatte die EMK am 27. Oktober 2023 zur Ausgestaltung der Kohäsionspolitik ab 2028 Stellung genommen und insbesondere unterstrichen, dass auch künftig alle Regionen von der europäischen Kohäsionspolitik profitieren müssen, und gefordert, dass eine Mittelausstattung mindestens im bisherigen Umfang zuzüglich Inflationsausgleich vorgesehen wird. Auch zu aktuellen Fragen der Wettbewerbsfähigkeit der EU fand ein intensiver Austausch statt. Hierbei standen die handelspolitischen Instrumente, allen voran der Beitrag ambitionierter Handelsabkommen zur Widerstandsfähigkeit der europäischen Wirtschaft und zur Diversifizierung von Lieferketten, ebenso im Fokus wie die Bewertung der Reaktionsmaßnahmen der EU auf Subventionsprogramme von Drittstaaten für Schlüsselindustrien und der Abbau bürokratischer Lasten.
Beschlussfassungen erfolgten zudem zu zwei Themen, die zu den Prioritäten des EMK-Vorsitzes Schleswig-Holsteins zählen. So hat die EMK in ihrem Beschluss zur Stärkung der ländlichen Räume in der EU deren Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit Europas gewürdigt. Der ländliche Raum, der über 80 Prozent der Fläche der EU einnimmt, ist in besonderer Weise durch den demografischen Wandel, eine vielfach nicht mehr bedarfsgerechte und tragfähige Infrastruktur sowie Lücken in der Daseinsvorsorge gekennzeichnet. Über diese Herausforderungen, den Beitrag der ländlichen Räume zur Verwirklichung der umwelt- und klimabezogenen Ziele der EU und die Instrumente zur Förderung der ländlichen Entwicklung haben sich die Mitglieder der EMK ausgetauscht.
In einem weiteren Beschluss widmet sich die EMK den makroregionalen Strategien mit deutscher Beteiligung. Sie nimmt dabei die EU-Ostseestrategie in den Fokus. Insbesondere haben die Europaministerinnen und Europaminister gewürdigt, dass die Bedeutung der Zusammenarbeit in den Makroregionen Ostsee- und Donauraum seit dem Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs gegen die Ukraine noch deutlich zugenommen hat. Mit den makroregionalen Strategien hat die EU einen politischen Rahmen für eine verstärkte Zusammenarbeit von Ländern derselben Region geschaffen. Aus Sicht der EMK steigern multilaterale Plattformen wie die EU-Ostseestrategie die Lösungskompetenzen der Anrainer, da sinnvolle Praktiken und Ansätze aus anderen Ländern übernommen werden können.
Auch über die unterschiedlichen Ansätze bei der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems sowie die Zukunft der EU wurde im Rahmen der EMK debattiert. Dabei ging es unter anderem um die kürzlich angenommenen Vorschläge des Europäischen Parlaments zur Änderung der Verträge.
Hintergrund
Die Europaministerkonferenz (EMK) hat sich am 1./2. Oktober 1992 als eigene Fachministerkonferenz konstituiert. Schleswig-Holstein hat vom 1. Juli 2023 bis 30. Juni 2024 turnusmäßig den einjährigen Vorsitz der EMK inne. Die 94. EMK wird am 13. und 14. März 2024 in der Hansestadt Lübeck in Schleswig-Holstein stattfinden. Ein weiteres Treffen der Europaministerinnen und Europaminister der Länder unter Vorsitz Schleswig-Holsteins ist unmittelbar im Anschluss an die Europawahl für den 12. Juni 2024 in Berlin vorgesehen. Alle Beschlüsse der EMK sind unter www.europaminister.de abrufbar.