Ratzeburg (pm). Äußerst zufrieden blickt die Ratzeburger Volkshochschule auf den Verlauf zweier Veranstaltungen, die im Rahmen der Reihe ‚Antisemitismus und jüdisches Leben heute!‘ in den vergangenen drei Wochen. Trotz Coronaeinschränkungen konnte viel Interesse und Zuschauerzuspruch erfahren werden.
Rund 70 Besucherinnen verfolgten die Aufführung des Theaterstücks ‚Ein Versteck im 20. Jahrhundert – Szenen einer Mischehe‘ in der Aula der Lauenburgischen Gelehrtenschule. Das Zwei-Personen-Stück von Heinz Rudolf Unger, dargeboten vom Ensemble ‚Bühnenreif‘ des ‚Theater im Stall‘, beeindruckte das Publikum sichtlich. Maren Colell und Jörn Bansemer verkörperten die Rollen der Jüdin Judith und ihres deutschen Ehemannes Arnolt, beides Theaterschauspieler, die in der Zeit des Nationalsozialismus sowohl den fortschreitenden Kulturverfall als auch ihre ganz persönliche Bedrohung wahrnehmen müssen, versteckt auf einen Dachboden und immer in Gefahr denunziert zu werden. Die Eindringlichkeit des Spiels führte im Anschluss an den minutenlangen Applaus zu vielen angeregten Gesprächen zwischen den Besuchern. „Wir haben viele positive Rückmeldungen zu dieser Theateraufführung erhalten, immer wieder auch den Hinweis, dieses Stück unbedingt an die Schulen zu bringen, weil es eine solch große Themenvielfalt zu Antisemitismus eröffnet“, sagte Silvia Tessmer von der Ratzeburger Volkshochschule.
Holocaust-Überlebende Eva Szepesì las aus ihren Lebenserinnerungen in der Stadtkirche St. Petri © Volkshochschule Ratzeburg
Ebenso intensiv waren die Gespräche auch nach der zweiten Veranstaltung, der Begegnung mit Eva Szepesì, die in der Stadtkirche St. Petri aus ihren Lebenserinnerungen ‚Ein Mädchen allein auf der Flucht‘ las. Rund 90 Zuhörende hatte sich eingefunden und folgten mit wachsender Beklemmung den Ausführungen der Holocaust-Überlebenden, die 1944 als 12jährige von ihrer Familie aus Budapest in die Slowakei geschmuggelt wurde, um den drohenden Verhaftungen und Deportationen zu entgehen. Dort wurde sie schließlich doch gefangen genommen und nach Auschwitz deportiert. Sie überlebte das KZ als eines von 300 Kindern, während ihre Familie von den Nazis vollständig ermordet wurde. Begleitet von ihrer Tochter Anita Schwarz, die eindringlich Beispiele von Antisemitismus in der aktuellen Gegenwart thematisierte, beantwortete Eva Szepesì anschließend alle Fragen aus dem Publikum mit großer Offenheit. Musiker und Komponist Axel Weggen aus Düsseldorf begleitete die Lesung auf dem Flügel und der Kirchenorgel mit jüdischen Musikstücken. „Wir konnten diese Lesung dankenswerterweise in Kooperation mit dem Verein Yad Ruth e.V. in Ratzeburg anbieten. Es ist immer ein großes Privileg, einem Menschen zu begegnen, der den Holocaust überleben konnte und auch im hohen Alter noch die Kraft hat, darüber zu berichten“, sagte Silvia Tessmer. Sie zog damit auch inhaltlich eine sehr positive Bilanz der unter schwierigen Bedingungen organisierten Veranstaltungsreihe, die mit der die Ausstellung ‚Der Schmerz der Befreiung im Spiegel der Kunst‘ in St. Petri begonnen hatte und von der Partnerschaft für Demokratie der Stadt Ratzeburg und des Amtes Lauenburgische Seen im Rahmen des Bundesprogramms ‚Demokratie leben!‘ ermöglicht wurde.