Brunsmark (pm). Die Wahrscheinlichkeit, dass im Norden Deutschlands Dürreperioden deutlich länger werden, nimmt zu. Eine enorme Herausforderung für die heimischen Baumarten, wenn sie mit der Schnelligkeit des Klimawandels Schritt halten wollen.
Zwar wandern bestimmte Baumarten auch mit Hilfe der natürlichen Migration vom Balkan in Richtung Süddeutschland ein – mit einer Geschwindigkeit von 800 Metern pro Jahr zum Beispiel die Zerreiche – diese Geschwindigkeit dürfte aber nicht ausreichen um dem Klimawandel rechtzeitig zu begegnen. Auf einer gemeinsamen Fortbildungs-Veranstaltung der Lehranstalt für Forstwirtschaft und der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt (NW-FVA) in den Kreisforsten Herzogtum Lauenburg berieten sich die Försterinnen und Förster des Kreises, der Schleswig-Holsteinischen Landesforsten und des Privatwaldbesitzes, wie sich die Waldstandorte und Baumartenzusammensetzungen an die Klimaprognosen anpassen lassen könnten.
Was bedeutet das für die Baumartenwahl in Schleswig-Holstein? Forschende der NW-FVA legen für die Beurteilung von Standorten für den Wald der Zukunft einen sogenannten Trockenstressindikator zugrunde. Dieser ergibt sich aus der Summe des Niederschlags abzüglich der zu erwartenden, potenziellen Verdunstung und der Wassermenge, die ein Boden pflanzenverfügbar speichern kann. Diese Standortwasserbilanzen gelten aber nicht für grund- und stauwasserversorgte Standorte, die Expertinnen und Experten erwarten deshalb insbesondere an eben solchen Standorten mit der zunehmenden Grundwasserspiegelabsenkung massive Probleme. „Wo es heute wechselfeucht ist, kann es morgen sehr wahrscheinlich wechseltrocken werden.“, erläutert Hans Hamkens von der NW-FVA.
Das größte Trockenstress-Risiko sehen die Experten bei der feuchtigkeitsliebenden Fichte, gefolgt von der Buche. Ziel der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der NW-FVA ist es, ein Baumartenangebot in Anlehnung an eine Risikoabschätzung zu machen. Wo die Buche wächst, wird empfohlen auch mit Weißtanne zu ergänzen. Statt nur auf Eiche zu setzen, ist es besser verschiedene Ahornarten einzubringen, um sich möglichst breit aufzustellen. Die neuen Waldentwicklungstypen berücksichtigen die unterschiedlichen Vorlieben der Baumarten und die Naturnähe: wie gut ist die Streuzersetzung im Boden, welche Symbiosen entstehen mit den Mykorrhiza-Pilzen? Wie frosthart ist eine Baumart? Aber auch: welches Waldbild wünschen sich die Menschen vor Ort zur Erholung? Welche Baumarten werden zukünftig zur Holzerzeugung relevant sein? In der Empfehlung wird sich immer eine Mischungsform verschiedener Baumarten ergeben, denn die aktuellen Erkenntnisse zeigen: die Buche wurzelt tiefer, wenn sie in Mischung mit anderen Baumarten steht, ein ungleichaltriger stufiger Wald bietet mehr Resilienz und Ökosystem-Kontinuität.
In der Diskussion an den verschiedenen Waldbildern in der Revierförsterei Brunsmark wird deutlich: es braucht vor allem gut ausgebildetes Forstpersonal, um zu erkennen, wo verjüngt sich der Wald selbst und welche Baumarten fehlen, weil sie vom Wild verbissen werden, wo wird die natürliche Waldverjüngung zugelassen und gegebenenfalls ergänzt und wo soll der Wald aktiv mit Baumarten angereichert werden, um mehr in eine Ungleichaltrigkeit überzugehen und in der Rückversicherung einen jungen Wald auf der Fläche stehen zu haben, wenn die alten Bäume Sturm oder Schädlingsbefall zum Opfer fallen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der NW-FVA empfehlen die Erfahrungen und Erkenntnisse mit den heimischen und etablierten Baumarten voll auszuschöpfen, bevor die Waldbesitzenden mit seltenen und nichtheimischen Baumarten experimentieren. Umso mehr erwartet die Forstbranche in Schleswig-Holstein eine Bereitstellung der Ergebnisse als Web-Applikation mit den Baumartenempfehlungen passend zum jeweiligen Standort. Die Veröffentlichung der App der NW-FVA für Schleswig-Holstein ist für Herbst 2022 geplant – dann beginnt wieder die Pflanzsaison für die nächste Waldgeneration im Norden.
Ergänzende Informationen: In Kooperation mit der NW-FVA finden in den Kreisforsten Herzogtum Lauenburg die folgenden wissenschaftlichen Untersuchungen statt: Envirus – Untersuchung des Eschentriebsterbens aufgrund einer Infektion mit einer aus Asien vor 10 Jahren eingeschleppten Pilzerkrankung. Verbundprojekt in Zusammenarbeit mit der Uni Göttingen und Geobotaniker*innen aus Kiel in Bezug auf genetische Resistenzen, Abhängigkeit verschiedenster Arten beispielsweise Orchideen und möglichen Ersatzbaumarten wie Flatterulme statt Eiche.
Versuchsflächen im Strücken mit seltenen heimischen Baumarten (Elsbeere) und nichtheimischen Arten (Baumhasel, Esskastanie, Bornmüllertanne, Schwarznuss) für einen Erkenntnisgewinn hinsichtlich Anwuchserfolg, Pfegeaufwand, Wuchsverhalten, Streuzersetzung usw. unter kontrollierten vergleichbaren Bedingungen in strukturierten Testanbauten wie sie von der Wissenschaft und FSC gefordert werden.
Hintergrund: Über die sich zunehmend verschärfenden Temperaturanomalien der vergangenen 30 Jahre ist man sich in der Wissenschaft einig. Aktuell rechnen die Forscher und Forscherinnen mit vier Klimaszenarien, die sich mit ihrem globalen Anstieg der Sonnenstrahlung zwischen 2,6 und 8,5 Watt pro Quadrameter bewegen.
Aus dem Rückspiegel betrachtet wurde das Klima in der Forstwirtschaft immer als eine unveränderliche Konstante gesehen. Je nach Summe der Niederschläge, Temperaturschwankungen, Gefahr von Spätfrösten, der Exposition und Bodenbeschaffenheit erwartete man eine andere Form der natürlichen und angepassten Vegetation und Baumarten. Auf diese Weise ergab sich aus der Summe des Wasser- und Nährstoffhaushalts in Abhängigkeit von der Region und den Klimabesonderheiten ein bestimmter Waldtyp. In den gut wasser- und nährstoffversorgten Standorten im Norden der Kreisforsten befindet sich das sogenannte Buchenoptimum, auf den ärmeren Standorten im Südkreis wurden auf ehemaligen Ackerflächen junge Kiefernwälder angepflanzt.