In der Tat gibt es nicht nur an der Kühltheke von Discountern die Möglichkeit, sich trotz Pandemiezeiten aktuell und persönlich auszutauschen. Und zwar finden wir viel Live-Unterhaltung in der kommunalen Selbstverwaltung der Gemeinden. Selbstverständlich unter vorbildlicher Einhaltung der vernünftigen Corona Regelungen kann man bei kommunalen Sitzungen ein buntes Programm genießen. So konnten wir Dörfler binnen einer Woche gleich drei Veranstaltungen mit unterschiedlichen Hauptdarstellern und Akteuren sowie stets wechselndem Publikum erleben. Erstaunlicherweise darf unsere Kulturszene unter diesen Bedingungen nicht aktiv werden, aber auch so bot zumindest eine der besuchten Veranstaltungen viel Stoff für ein gutes Theaterstück. Und selbst die von der Bundesregierung verordnete Ausgangssperre lässt sich so ganz legal umgehen; wohl dem, der diese Schlupflöcher des Pandemiebekämpfungsgesetzes kennt.
Bevor die Gemeindevertretung sich mit Bürgern auf eine Diskussion einlässt, werden erstmal die Beschlüsse gefasst. Sicher ist sicher, sonst könnte ein guter Einwand die gemäß Drehbuch avisierten Entscheidungen der Regie zum Wanken bringen. Vor der Aufführung gestellte Anregungen zur Dramatisierung einzelner Akte (also Fragen zu Tagesordnungspunkten) werden durch den Bürgermeister mit der Auslastung im Ehrenamt negiert (nach 22 Jahren Ehrenamtstätigkeit war mir bisher nicht bewusst, dass das Ehrenamt eine Entschuldigung für Arbeitsunterlassung ist, für mich war es immer eine Aufforderung, Mehrarbeit zu leisten).
Die verständliche Neugier der überrascht uninformierten Bürger hinsichtlich Verständnisfragen wird die Spannung sogleich erhöhen – die Beschlussfassung erfolgt nämlich ohne Verlesung der Beschlüsse – zur Erinnerung: wir befinden uns in einer öffentlichen Sitzung! Hoffentlich wissen wenigstens die Gemeindevertreter, was der Bürgermeister beschließen möchte.
Freundlicherweise kommt der Bürgermeister diesmal aber der Bitte der Zuhörer nach und verliest die Beschlussfassung. Mit welchen Argumenten unsere Hauptdarsteller jedoch zu dem Beschluss gekommen sind, entzieht sich der Erkenntnis des einzelnen. Leider kann auch die ausgewiesene Bürgerfragestunde im 15. Akt der Uraufführung kaum Licht ins Dunkle bringen, denn schon nach der neunten Frage wird dem Antrag eines Gemeindevertreters gefolgt, die Fragestunde abzubrechen. Das erntet natürlich den Frust der Bürger – also eher ein „Koitus Interrupts“ denn frenetischer Applaus.
Wie im öffentlichen Fernsehen gewohnt ist eines aber sicher: Fortsetzung folgt! Aber bitte nicht falsch verstehen: Theater ist harte Arbeit, erfordert viel Engagement und ist unzensiert ein Markenzeichen der Demokratie, Nahrung für die Seele und fördert die Streitkultur. Und wenn sich mehr Menschen zu diesen speziellen Zeiten zur Teilnahme am demokratischen Leben entscheiden, können wir der Pandemie auch gute Seiten abgewinnen!
Hartmuth Weyhe, Nusse