Ratzeburg (pm). Wer in ihr Gesicht blickt, wird von ihrem Lächeln angesteckt. Man spürt, dass sie viel zu erzählen hat. Ina Rathje, die am vergangenen Freitag im DRK-Seniorenhaus Mölln Ratzeburg 100 Jahre alt wurde, kann mit Stolz auf ihr Leben zurückblicken. „Sie hat sich immer sozial engagiert und für ihre Familie viele Opfer erbracht. Sie hat alles dafür getan, dass es uns Kindern gut geht“, erzählt ihr jüngster Sohn Jens Rathje (63), der in Ratzeburg wohnt und daher seine Mutter öfter besuchen kann als seine Schwester Inge (71) aus Flensburg oder Bruder Hans-Werner (67), der in Bayern lebt.
Geboren wurde Ina Rathje am 5. Februar 1921 in Bünge, gut 20 Kilometer von Husum entfernt. Als sie mit ihren Eltern nach Hohenfelde zieht, wird sie in der einklassigen Volksschule von ihrem Vater unterrichtet, der sie fürs Lernen begeistern kann. Weil sie eine gute Schülerin ist, wechselt sie im Anschluss ans Lyzeum nach Elmshorn und nimmt einiges auf sich: Erst sechs Kilometer mit dem Fahrrad, dann weiter mit der Bahn.
Nach Ausbildungsjahren in verschiedenen Lehrhaushalten Ende der 30er Jahre betreut sie 1945 35 Mädchen im Alter zwischen dreizehn bis sechszehn Jahre im Landjahr in Praust bei Danzig. Als sie flüchten müssen, bringt Ina Rathje sie alle mit zu ihren Eltern, die jetzt in Warder am Brahmsee leben, wo die Mädchen auf dem Dachboden untergebracht werden. Bei der Verpflegung kommt vieles aus dem großen Schulgarten und auch engagierte Dorfbewohner helfen.
Die Zeiten werden besser, Ina Rathje kann die Imkerschule in Bad Segeberg besuchen und verliebt sich dort in Werner Rathje aus Meldorf. 1949 wird in Meldorf geheiratet, dort kommen auch die drei Kinder zur Welt. Als ihr Mann schwer erkrankt, muss sie noch härter anpacken als sonst. Aber Ina Rathje ist eine Kämpferin. Neben einem großen Garten hilft auch das schwer verdiente Geld aus der Heimarbeit für eine Weberei. 1969 stirbt ihr Mann und wieder schafft sie es, ihre Familie durchzubringen. Sie arbeitet im Altenheim oder als Schwesternhelferin im Krankenhaus. Immer mit dem Ziel, dass es ihren Kindern gut geht, die schließlich alle drei studieren können.
2008 zog Ina Rathje nach Ratzeburg in die Nähe ihres jüngsten Sohnes, seit 2017 lebt sie im DRK-Seniorenhaus. Und auch dort dürfen die Blumen nicht fehlen. Auf ihrem Balkon blüht es im Sommer immer. Wenn sie hoffentlich bald ihren 100. Geburtstag mit ihren drei Kindern, acht Enkeln und zwölf Urenkeln nachfeiern kann, bekommt sie bestimmt auch die eine oder andere Blumenknolle geschenkt. Damit es für sie noch farbenfroher wird.