Ratzeburg (pm). Das Kreismuseum Herzogtum Lauenburg in Ratzeburg zeigt in der Zeit vom 20. Oktober bis zum 18. November die neue Sonderausstellung „Die schönsten Grußpostkarten aus alter Zeit“. Es sind zirka 900 Postkarten aus den Jahren von 1890 bis 1918 zu sehen. In dieser Zeit erlebte die Bild-Postkarte einen absoluten Boom. Sie wurden nicht nur als neuartiges Kommunikationsmedium verwendet sondern auch in prachtvoll gestalteten Alben gesammelt.
Handschriftliche Texte des Absenders mussten zunächst auf die Bildseite (!) geschrieben werden, was leider den optischen Eindruck erheblich störte. Die Gegenseite blieb (großzügig bemessen!) ausschließlich postalischen Angaben vorbehalten. Meistens brauchte man gar keinen eigenen Text, denn vorgefertigte Sätze wie „Warum ließest Du mich warten?“ oder „Sei wieder gut!“ auf sog. Spruchkarten boten auch schüchternen Absendern die Möglichkeit zur Kommunikation. Grußkarten für Verliebte, die einander häufig schrieben, gab es in ganzen Serien mit entsprechend sinnigen Texten, sich ergänzenden Gedicht- oder Liedzeilen, die wohl auch zum Sammeln anregen sollten.
Einer der größten Hersteller von Ansichtskarten war die „Neue Photographische Gesellschaft“. Sie vereinfachte die Massenherstellung von Fotografien und war Erfinder der „Kilometer-Photographie“, bei der Fotos nicht auf Fotopapier-Bögen, sondern auf kilometerlange Rollen belichtet wurden.
Grußkarten mit Ortsansichten – wie von Ratzeburg, Mölln und Lauenburg – gab es nicht nur mit vorgedruckten Urlaubsgrüßen, sondern auch zu Weihnachten, Neujahr, Ostern und anderen Anlässen. Man nutzte vorgefertigte Standard-Entwürfe, in welche nur die jeweiligen Ortsansichten einkopiert werden mussten. Ob die Motive zur Stadt passten – wie etwa die Meeresmuscheln zu Mölln – war nicht besonders relevant.
Der Erste Weltkrieg (1914-18) bot Anlass zum Versenden von Postkarten-Grüßen der Soldaten aus dem Felde oder an sie dorthin, aber auch zum Austausch witzig gemeinter Postkarten untereinander. Auch hatten Karten zum „Abschied“ besondere Hochkonjunktur. „Immer Fachmann – Militärische Fachausdrücke im Spiegel des Humors“ nannte sich eine umfangreiche Serie von Soldatenpostkarten aus dem 1. Weltkrieg, deren humoristische Wirkung auf den Wortspielen der Titel und ihren amourösen Darstellungen beruhte. Zum Osterfest fand neben religiös geprägten Motiven (im Norden eher selten verschickt) auch Patriotisches auf die Karten, dessen Verbindung mit Ostern weit hergeholt war, aber dem Zeitgeist der deutschen Kaiserzeit entsprach. Wesentlich beliebter waren aber die Fotos von Kindern mit Hasen oder Ostereiern.
Fotografierte Weihnachtsgrußkarten mit geschmückten Christbäumen und Spielzeug auf dem Gabentisch geben einen interessanten historischen Einblick in die Weihnachtsbräuche und Lebensumstände in der Zeit der Jahrhundertwende. Mit farbigen Chromolithographien, Kolorierungen, Prägedrucken und Goldauflagen kamen Weihnachtsgrußkarten besonders prunkvoll daher.
Karten mit erotischen Motiven oder anzüglichen Witzen wurden wohl nur selten verschickt (alle in der Ausstellung gezeigten Karten sind nicht postalisch gelaufen), sondern fanden den Weg in Herrenbrieftaschen. Massenhaft produziert wurden Fotokarten von Frauen in Ganzkörpertrikots, die Nacktheit nur vortäuschten – oder man imitierte antike Statuen.
Aus dem vielfältigen Angebot an Grußkarten mit Blumenmotiven stechen die Rosen als Sinnbilder der Liebe und Vergissmeinnicht als Symbole der Treue hervor. Fotos von schönen Damen wurden als Kartengrüße gerne verschickt, wobei das Geschlecht von Absender und Adressat keine Rolle spielte. Oft waren die Damenköpfe auch mit Männernamen versehen, die als Gruß zum Namenstag gedacht waren und heute unfreiwillig komisch anmuten. Die Namen wurden von Hand individuell aufgemalt und mit Glitter beklebt.
Karten mit deutlich sichtbarem Ausfall von Silbernitrat beweisen, dass es sich bei den meisten Schwarz-weiß-Karten um echte Fotographien, also Einzelstücke, handelt, die oft von Hand koloriert wurden. Später wurden die meisten Karten als Chromolithographien seriell gedruckt.
Erstaunlich groß war das Angebot an Grußkarten zum 1. Schultag. Lustige oder rührselige Kinderszenen – fotografiert oder gemalt – waren ein beliebtes Kartenmotiv. Häufig wurden sie in umfangreichen Serien produziert. Eine ganze Industrie lebte von Herstellung und Vertrieb sogenannte „Kunstpostkarten“, die nicht etwa bekannte Gemälde abbildeten, sondern serienweise eigens für die Karten gemalte Motive von größtmöglicher „Breitenwirkung“ zeigten. Hunderte solcher Motive malte der Dresdner Akademiekünstler Alfred Mailick (1869-1946).
Am häufigsten wurden Grußpostkarten zum Geburtstag verschickt. In der Zeit zwischen 1890 und 1910 waren Blumenmotive besonders beliebt. Manche Karten sind kleine Kunstwerke des Jugendstils – manche banaler Kitsch. Die Zahl der damals produzierten Motive ist gewaltig. Neben zahllosen Karten mit Porträts und Darstellungen „namenloser“ Schönheiten, die einfach nur Ausdruck des herrschenden Schönheitsideals waren, gab es auch „Fan-Postkarten“ von berühmten Schauspielerinnen und Schauspielern der jungen Filmindustrie, wie etwa von Henny Porten, die nach dem Krieg in Ratzeburg gelebt hat und von der mehr als 800 unter-schiedliche Postkartenmotive bekannt sind.
Die Ausstellung im Kreismuseum in Ratzeburg, Domhof 12, ist täglich, außer montags, von 10 bis 13 und 14 bis 17 Uhr geöffnet.