Schwarzenbek (pm). Durch die Corona-Pandemie bedingten Regelungen zum ’social distancing‘ ist auch das kulturelle Leben im Herzogtum Lauenburg nahezu zum Erliegen gekommen. In einem Interview erklärt Jasmin Schmidt, Vorsitzende der Schwarzenbeker Liedertafel, wie ihr Chor durch die Viruskrise kommt.
Der gemischte Chor der Schwarzenbeker Liedertafel besteht 177 Jahre. Nun gibt es eine Zwangspause. Wie geht es Ihnen und wird es nach Corona weiter gehen?
Jasmin Schmidt: Leider muss auch die Liedertafel, die dieses Jahr 177 Jahren alt ist, pausieren. Wir waren im Januar gleich aktiv in die Proben unseres Repertoires für unser Sommerkonzert eingestiegen und auf einmal hieß es, vorerst sind keine Proben erlaubt. Ich bin im August seit 25 Jahren Mitglied der Liedertafel und ich habe nicht mal nach der Geburt meiner Tochter so lange pausiert. Damals habe ich sie ziemlich schnell, schon nach einem Monat, mit in die Proben genommen, weil ich einfach nicht mit dem Singen aufhören wollte. Und nun werde ich, genau wie meine Sangeskolleginnen und –kollegen ausgebremst. Zum Glück kann man aber auch alleine singen und muss daher nicht auf Musik verzichten. Doch der richtige Sound kommt erst, wenn alle Stimmen Bass, Tenor, Alt und Sopran gemeinsam singen, und darauf freuen wir uns schon alle.
Wie viele aktive Sänger gibt es, und wie halten Sie Kontakt zu ihnen?
Schmidt: Im Moment haben wir 49 aktive Sängerinnen und Sänger. Über eine WhatsApp-Gruppe, in der viele dabei sind, halten wir zueinander Kontakt. Und dann laufen auch die Telefone und Handys heiß. Als Trostpflaster, weil wir uns ja nicht sehen können, habe ich den Aktiven die Sommerhits der Liedertafel aus den Konzerten von 2013 bis 2019 auf CD gebrannt und so kann jeder dazu in seiner Stimmlage die Lieder mitsingen. Macht man dann noch die Augen zu, dann spürt man ein wenig Chorgefühl, aber eben nur ein wenig.
Gibt es für die Mitglieder eine Alternative zu den bisher gemeinsamen wöchentlichen Proben?
Schmidt: Unser Chorleiter Markus Götze ist auch dabei, das neue Liedrepertoire für die einzelnen Stimmen einzusingen. Mein Mann stellt sie dann auf der Homepage im Mitgliederbereich den Sängerinnen und Sängern zur Verfügung. Da hat dann jeder Gelegenheit, selber schon einmal seine Stimme zu üben. Allerdings kann das keine Chorprobe ersetzen!!! In den Proben geht es ja um sehr viel mehr, als nur das mechanische Üben der Noten. Wir hören auf einander und erkennen wie der gemeinsame Klang ist. Wir lernen durch Götze, wie das Tempo sein soll, wo wir verzögern und an welchen Stellen laut oder auch leiser gesungen werden soll.
Was ist mit dem Sommerkonzert, das seit vielen Jahren im Juni stattgefunden hat?
Schmidt: Da wir das nun nicht gemeinsam proben, wird auch unsere Sommerkonzert, welches wir seit über fünfzehn Jahren kurz vor den Sommerferien im Hotel Schröder geben, in diesem Jahr erstmalig nicht stattfinden können. Zudem erlauben es die Vorgaben des Landes bestimmt nicht, dass über 150 Gäste in den Saal kommen, um unserem Konzert zu lauschen, wie es in den vergangenen Jahren war.
Wann wird der Chor die Proben wieder aufnehmen?
Schmidt: Zur Zeit planen wir, nach den Sommerferien am 13. August wieder mit den Proben zu beginnen. Natürlich müssen wir abwarten, welche Auflagen es bezüglich des Corona-Schutzes dann gibt. Wir hoffen aber sehr, dass wir in diesem Jahr auf jeden Fall unser Adventskonzert am ersten Advent in der St. Franziskus-Kirche geben können.
Im Herbst gab es bisher immer eine Chorfreizeit mit intensiven Proben fürs Weihnachtskonzert. Wird sie wie geplant stattfinden?
Schmidt: Aus diesem Grund planen wir auch schon unser Chorwochenende Ende Oktober, an dem wir intensiv die Weihnachtslieder üben, ein. Wir sind guter Dinge und blicken positiv nach vorne.
Hat es in der Geschichte des Chores schon mal eine ähnliche Zwangspause gegeben?
Schmidt: In den letzten Jahren des zweiten Weltkrieges ruhte die Vereinsarbeit. Bei Kriegsende kamen der Schwarzenbeker Liedertafel nicht nur wertvolles Notenmaterial und das erste Banner, sondern auch weitere Dokumente durch die englische Besatzungsmacht abhanden und jegliche Vereinstätigkeit war sofort untersagt. Am 16. Januar 1947 nahm die Schwarzenbeker Liedertafel mit 40 aktiven Sängern, damals noch ein reiner Männergesangsverein, mit Genehmigung der Alliierten Militärregierung als vorerst einziger bürgerlicher Verein in der Gemeinde ihr Wirken wieder auf.
Sie sind seit August 1995 Mitglied der Liedertafel, seit 2007 die Vorsitzende. Fehlen Ihnen das Singen und die Chorgemeinschaft?
Schmidt: Mir fehlt das Singen. Vor allem das Erleben, wie sich nach einigen Proben aus den Einzelpassagen eines Liedes ein Klang im Chor entwickelt, der auch schon mal für einen Gänsehauteffekt sorgt. Aber auch die tollen Leute in der Liedertafel fehlen mir. Wir können so herrlich gemeinsam lachen. Es sind viele Freundschaften, über das gemeinsame Singen im Chor hinaus, entstanden und diese können wir alle jetzt meist nur auf Distanz pflegen.
Kann das Singen gerade in dieser Zeit ein Trost sein?
Schmidt: Wenn wir uns traurig fühlen, so kann Musik ein kraftspendender Anker sein. So hat bestimmt jeder von uns schon die Erfahrung gemacht, wie ein Lied uns stärken kann. Musik bewegt uns und das mehr als wir vielleicht denken.