Ganz bestimmt will ich mich nicht lustig machen über Situationen, die dramatisch sind.
Wie alle anderen weiß ich auch, dass dieses kleine Virus ein respektabler Gegner ist, dem wir nur alle gemeinsam und mit der innigen Entschlossenheit zur zurückhaltenden Nichtbegegnung entgegentreten können. Wichtig ist aber auch, genau das zu tun.
Das bedeutet: Keine Kontakte, die nicht wirklich notwendig sind. Vieles können wir erreichen, wenn wir, statt uns von Angesicht zu Angesicht zu begegnen, auf alte fast vergessene Möglichkeiten und Tugenden zurück greifen.
Das Telefon war einst eine tolle Erfindung. Wer eines hatte und wusste, wo er einen Gegenanschluss finden konnte, brauchte nicht mehr aus dem Haus zu gehen, um seine Informationen und seine Anliegen weiter zu geben. Das war ganz bequem. Wir könnten es jetzt ganz neu entdecken. Auch über unsere modernen Mobiltelefone können wir, man glaubt es kaum, sogar ganz schicht telefonieren und im direkten Austausch miteinander reden. Dabei kann ich mir den Menschen, mit dem ich rede, bildlich vorstellen. Wenn ich genau hinhöre, kann ich sogar entdecken, ob er gerade steht, ob er sitzt, wie seine Körperhaltung ist, ob er nachdenklich den Kopf schüttelt, ob er ein wenig überheblich das Kinn vorstreckt oder ob er gerade nebenbei noch mit etwas anderem beschäftigt ist. Ja wirklich, all das kann ich an der Stimme erkennen, wenn ich mir ein wenig Mühe gebe und genau hinhöre.
Hinhören ist ja auch zu so einer vergessenen Tugend geworden. Wann haben wir beim Telefonieren zum letzten Mal genau und intensiv hingehört? Seien wir mal ehrlich, wenn uns jemand etwas von sich erzählt, sind wir dann wirklich bei der Geschichte unseres Gegenübers oder sind wir nicht viel mehr schon dabei, unsere eigenen Erlebnisse mit ähnlichem Hintergrund zu durchdenken? Sind wir nicht viel mehr beim „Hören“ bereits dabei, die Zubereitung unseres Mittagessens im Geiste vorzubereiten oder zu überlegen, wann und ob wir das Bad putzen sollen oder ob wir vielleicht, wegen der derzeit günstigen Benzinpreise nach diesem Gespräch noch mal eben zum Tanken fahren sollten. Dann sagt unser Gesprächspartner so etwas wie „Verstehst du?“ und wir murmeln ein scheinbar mitfühlendes und geistesabwesendes „Ja, ich verstehe dich. Aber mach dir doch nicht so viele Gedanken. Das wird schon alles wieder.“, während wir uns nach unserer Einkaufstasche umschauen und schonmal Schlüsselbund und Geldbeutel in die Tasche werfen. Wir haben unseren Gesprächspartner in seinem Anliegen nicht gehört und wenn wir erzählen sollten, worüber wir gesprochen haben, könnten wir den Inhalt des Gespräches nicht wiedergeben. „Naja,“ erzählen wir der nachfragenden Freundin im Supermarkt, wenn wir von dem Telefonat berichten, „du kennst sie ja. Das Gespräch war wie immer.“
In Wirklichkeit aber waren wir „Wie immer!“ wir haben einfach nicht zugehört. Corona ist, neben anderen, auch die Schutzheilige der Schatzsucher. Finden wir doch die wahren Schätze und damit unsere Tugenden von einst wieder in uns: Aufmerksamkeit, Mitgefühl und Zugewandheit.
Bleiben sie gesund!
Ihre Susanne Dieudonné