Lübeck (pm). Mit verhaltenem Optimismus geht die Wirtschaft im HanseBelt ins neue Jahr. Die IHK zu Lübeck erwartet auch für 2019 einen recht stabilen Verlauf der Konjunktur. Wichtige Grundlagen für eine positive Entwicklung sind Stärkung und Ausbau der Infrastruktur, Lösungen für den Fachkräftemangel sowie verlässliche und planbare Rahmenbedingungen. In ihrer Jahres-Pressekonferenz kündigten IHK-Präses Friederike C. Kühn und Hauptgeschäftsführer Lars Schöning zudem an, die Beratungsleistungen für die IHK-Mitglieder vor allem im Hinblick auf die Digitalisierung im Jahr 2019 weiter auszubauen.
„Die schleswig-holsteinische Wirtschaft ist trotz aller Risiken durch drohende Handelsbeschränkungen in robuster Verfassung, das belegen unsere Konjunkturumfragen“, so Kühn. Dem Konjunkturklima-Index der IHK zu Lübeck zufolge schauen die Unternehmen verhalten optimistisch in die Zukunft. Im dritten Quartal 2018 erreichte der Index auf einer Skala von 0 bis 200 Punkten 116 Punkte und damit annähernd den Wert des Vorquartals. Im Vorjahr lag er bei 125 Punkten. Besonders die Unternehmen in der Industrie schätzen ihre Lage als sehr günstig ein, viele arbeiten weiterhin an den Kapazitätsgrenzen. Insgesamt bewerteten 34,2 Prozent der Befragten die gegenwärtige Lage als gut, 52 Prozent als befriedigend, nur 13,8 Prozent der Unternehmen gaben ihre Lage als schlecht an. Das ist zwar eine leichte Verschlechterung im Vergleich zum dritten Quartal 2017, allerdings erwarten wie vor einem Jahr weiterhin rund 88 Prozent der befragten Unternehmen gleichbleibende oder sogar bessere Geschäfte zum Jahresende.
Der Brexit und seine unklaren Folgen führen zunehmend zur Verunsicherung in der Wirtschaft. Ohne Klarheit über den Verlauf des Brexit können sich die Unternehmen nicht wirklich darauf vorbereiten. „Das Ausscheiden Großbritanniens aus dem gemeinsamen Markt wird spürbare Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft haben. Da hängen Jobs und ganze Wertschöpfungsketten dran. Großbritannien ist der fünftgrößte Exportmarkt Schleswig-Holsteins und Deutschlands insgesamt. Mehr als 750.000 Arbeitsplätze in Deutschland hängen vom Export auf die britischen Inseln ab“ so Kühn. Deutschlandweit ist das Exportvolumen mit Großbritannien seit dem Brexit-Entscheid um mehr als fünf Prozent zurückgegangen.
Auch die Handelspolitik der USA mit der Erhebung von hohen Zöllen auf Importe, die extraterritoriale Anwendung von US-Regeln sowie der Handelsstreit mit China hinterlassen erste Spuren im Norden. Auch die Sanktionen gegen Russland einschließlich der russischen Gegenmaßnahmen, die neuen US-Sanktion gegen den Iran und auch das abgeschwächte Türkeigeschäft belasten die Wirtschaft. Im dritten Quartal 2018 rechneten 10,3 Prozent der Unternehmen mit einer schwächeren Exportentwicklung (Vorquartal: 4,3 Prozent), während der Anteil der Unternehmen mit positiven, also steigenden Exporterwartungen mit rund 31,6 Prozent nahezu konstant blieb.
„Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass von einer merklichen Eintrübung der Konjunkturaussichten im HanseBelt derzeit noch nichts zu spüren ist“, betonte Kühn. Zwar hätten die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute und der DIHK ihre Wachstumsprognosen für 2018 und 2019 gesenkt. „Es wird aber weiterhin ein Wachstum geben, auch wenn es sich verlangsamt.“ Zu dieser Einschätzung tragen außer den Ergebnissen der Konjunkturumfrage die nach wie vor positiven Signale aus dem Tourismus und dem Einzelhandel, der mit dem Weihnachtsgeschäft zufrieden ist, bei. Auch die erfreuliche Entwicklung im Arbeitsmarkt spricht für Stabilität. Kühn: „In den Kreisen unseres IHK-Bezirks bewegen sich die Arbeitslosenquoten weiterhin auf historischen Tiefstständen: Im Kreis Stormarn herrscht mit einer Quote von 3,0 Prozent weiterhin faktisch Vollbeschäftigung. Der Kreis Segeberg liegt bei 3,7 Prozent, auch der Kreis Herzogtum Lauenburg nähert sich der Vier-Prozent-Marke. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt vor allem in den Hamburger Randkreisen hat dazu beigetragen, dass es Ende November erstmals mehr als eine Million sozialversicherungspflichtige Beschäftigte in Schleswig-Holstein gab.
Für eine anhaltend positive Entwicklung müssen die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft stimmen. Vor allem für die Bereiche Abgaben, Bürokratie und Infrastruktur sieht Lars Schöning Verbesserungsbedarf. „Im europäischen Vergleich sind Steuern und Abgaben für unsere Unternehmen zu hoch. Gerade jetzt, in Zeiten der sprudelnden Steuereinnahmen, haben Bund, Länder und Kommunen die Chance zur Gestaltung ihres finanziellen Spielraums und damit zur Entlastung von Unternehmen und Verbrauchern“, so Schöning.
Einen Abbau von Hemmnissen müsse es beim Ausbau der Infrastruktur geben, betonte der Hauptgeschäftsführer. „Das Planungsrecht steht sich selbst im Weg. Es dauert zu lange, hinkt der Entwicklung und der Rechtsprechung häufig hinterher.“ In vielen Nachbarländern hätten die Planungsbehörden rechtliche Möglichkeiten, Projekte zügiger zu verwirklichen. „Kann sich Deutschland als eine der größten Volkswirtschaften der Welt auf Dauer Stillstand bei der Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur leisten? Auf keinen Fall, das darf so nicht weitergehen“, sagte er und verwies auf das Thesenpapier der IHK Nord mit dem Titel: „Norddeutsche Infrastrukturprojekte beschleunigen“, das Good Practice-Beispiele aus anderen Ländern beschreibt. In dem Papier hat die IHK Nord vorgeschlagen, ein neues Infrastrukturbeschleunigungsgesetz auf den Weg zu bringen. Das vom Bund Ende November 2018 beschlossene Gesetz gehe nicht weit genug. Aus Sicht der IHK ist gesetzlich festzulegen, dass Verwaltungsgerichte bei Klagen gegen Planfeststellungsbeschlüsse innerhalb einer bestimmten Frist – zum Beispiel wie in den Niederlanden nach sechs Monaten – zu einem Urteil kommen. Der Bund sollte als Alternative zur deutschen Planfeststellung die Einführung von Baugesetzen wie in Dänemark prüfen.
Schöning: „Von unseren Nachbarn können wir lernen. Vor allem wir hier im HanseBelt sind wir auf den Ausbau der Verkehrswege angewiesen, um Anschluss an die großen Wirtschaftszentren zu halten und unsere logistische Standortgunst zu verbessern.“ Ein positives Beispiel dafür, wie gute Planung die Belastung für die Wirtschaft begrenzt, sieht Schöning im Ausbau der A7 von Hamburg bis Bordesholm. Zu den wichtigsten Infrastruktur-Projekten im HanseBelt gehören der Weiterbau der Autobahn A20 und der A21 jeweils bis nach Nordniedersachsen. „Neben der dringend notwendigen Fertigstellung der A20 kann die A21 mit einer Ostumfahrung Hamburgs den Verkehr rund um die Metropole deutlich entlasten. Wir werden uns gemeinsam mit Nachbarkammern dafür einsetzen, den Ausbau der B404 zur A21 von Schwarzenbek bis zur A39 in Niedersachsen in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans aufzunehmen“, kündigte Schöning an.
Ebenso wichtig sind die Planungen für die Anbindung der festen Fehmarnbelt-Querung an das Straßen- und Schienennetz. „Bei den Fehmarnbelt Days im Mai in Malmö haben wir erneut erfahren, wie wichtig den Dänen und Schweden diese Verbindung ist. Sie ist eine feste Anbindung an Zentraleuropa und verstärkt das Zugehörigkeitsgefühl der Skandinavier zu Europa“, so Schöning. Das Projekt werde die Wirtschaftsbeziehungen im Ostseeraum stärken und damit die Wertschöpfung in der Region erhöhen. „Wir erwarten noch in diesem Jahr den von der Landesregierung angekündigten Planfeststellungsbeschluss, um endlich weiter zu kommen.“ Sollte es Verzögerungen geben, müsse der Standort auf wichtige Entwicklungsimpulse verzichten.
Die Fortschritte bei der Planung des Ausbaus des Elbe-Lübeck-Kanals sowie der Bahnstrecke Lübeck–Bad Kleinen–Schwerin und des Baus der Hamburger S-Bahn-Linie S4 nach Bad Oldesloe begrüßte der Hauptgeschäftsführer ausdrücklich. „Mit ihrer Einigung zum Ausbau der neuen S4 haben Bund, Land und Deutsche Bahn in der vergangenen Woche die Weichen für dieses wichtige Projekt in der östlichen Metropolregion gestellt. Die zusätzlichen Gleise verbessern den Personennahverkehr und schaffen Kapazitäten für den Fernverkehr sowie für den wichtigen Güterverkehr auf dieser hochfrequentierten Strecke“, so Schöning.
Eine weitere wichtige Infrastruktur ist das Breitbandnetz. Die IHK zu Lübeck ist in diesem Jahr dem Bündnis für den Glasfaserausbau in Schleswig-Holstein beigetreten. Ziel ist es, den Glasfaserausbau zu beschleunigen und bis 2020 die Hälfte sowie bis 2022 knapp zwei Drittel der Haushalte und Unternehmen an das Netz anzubinden. Diese ist die wichtigste Voraussetzung für die Digitalisierung der Unternehmen. Daher wird das Thema Digitalisierung auch 2019 ein Schwerpunkt der IHK-Arbeit sein mit zahlreichen Veranstaltungsformaten rund um die Themen Online-Marketing, IT-Sicherheit und vernetzte Industrie. Am 6. Februar 2019 startet die IT FOR BUSINESS Kongressmesse mit 50 Ausstellern in den Lübecker media docks. „Wir erwarten wieder rund 500 Besucher“, so Schöning. 25 Workshops und Vorträge rund um die Themen IT-Sicherheit, Digitalisierung und Online-Marketing ergänzen das Angebot.
Um die Industrieunternehmen im Bereich der Digitalisierung zu unterstützen, plant die IHK für 2019 die Erstellung eines Leitfadens sowie gemeinsam mit den IHKs Flensburg und Kiel eine Standortumfrage im produzierenden Gewerbe zur Bewertung beziehungsweise Beurteilung der Standortfaktoren. „Die Ergebnisse fließen direkt in unsere politische Arbeit ein“, so Schöning. Er kündigte an, die eigenen digitalen Angebote für die Mitgliedsunternehmen weiter auszubauen. So will die IHK beispielsweise in der neuen Reihe „Meet the Experts“ Digitalisierungsexperten und Anwender zusammenführen.
Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, hat die Wirtschaft im HanseBelt erneut mehr Ausbildungsverträge abgeschlossen als im Vorjahr. „Trotz rückläufiger Bewerberzahlen nach dem doppelten Abiturjahrgang 2017 haben sich 2018 mehr junge Leute für eine duale Ausbildung entschieden.“ Insgesamt registrierte die IHK bis Mitte Dezember 4028 neue Verträge, 66 mehr als vor einem Jahr. Einer Umfrage aller 79 IHKs unter den Ausbildungsbetrieben zufolge gelingt es der Wirtschaft verstärkt, mehr Abiturienten und auch Studienabbrecher für eine duale Ausbildung zu gewinnen. „Diese Zielgruppen werden wir auch weiterhin verstärkt in den Fokus nehmen, denn allein in unserem Bezirk konnten die Unternehmen in diesem Jahr 600 Ausbildungsplätze nicht besetzen“, sagte Schöning. Mit sechs öffentlichkeitswirksamen Verleihungen des begehrten IHK-Ausbildungs-Awards hat die IHK für die qualitativ hochwertige Ausbildung im HanseBelt geworben. „Dieses Qualitätssiegel werden wir auch 2019 wieder an vorbildliche Ausbildungsbetriebe verleihen“, kündigte Schöning an. Nach dem Erfolg der dritten IHK-Ausbildungsrallye im September plant die IHK weitere Aktionen, bei denen sich Schüler in mehreren Unternehmen im IHK-Bezirk über Ausbildungsberufe informieren können.
Zum zweiten Mal wird die IHK zu Lübeck federführend für die IHK Schleswig-Holstein 2019 den Kongress „Frauen in Führung im Norden“ ausrichten. „Unter dem Motto ‚Meine Arbeitswelten‘ beleuchten wir unter anderem die Themen ‚Führen in digitalen Zeiten‘, ‚Diversität‘ und ‚New Work‘“, so Kühn. Mit dem Kongress setze die IHK zu Lübeck ihre 2013 unter dem Titel „Frauen in Führung“ gestartete Initiative für Unternehmerinnen, Existenzgründerinnen und Frauen in Führung durch Information, Beratung und Netzwerke konsequent fort. Das Projekt soll Frauen nachhaltig bei der Gründung, Übernahme und Führung von Unternehmen unterstützen und ihnen verstärkt der Zugang zu Führungspositionen sowie Ehrenämtern in der Wirtschaft ermöglichen. „Unser Anliegen ist es, das Angebot an Fachkräften in unserer Region zu verbessern. Im Bezirk der IHK zu Lübeck gibt es etwa 20.000 von Frauen geführte Unternehmen“, sagt die Präses.
Das Thema Unternehmensnachfolge werde im kommenden Jahr ebenfalls zu den Schwerpunkten der IHK-Arbeit gehören. „Eine Umfrage bei Unternehmen mit Inhabern, die älter als 55 Jahre sind, belegt, wie wichtig Beratung und Information sind“, sagte Kühn. Im Vergleich zur Umfrage von 2013 hätten sich die IHKs auf den zweiten Platz als Ansprechpartner nach den Steuerberatern gesteigert. Der Hauptgeschäftsführer führt diesen Erfolg darauf zurück, dass sie Kammern ihr Engagement deutlich verstärkt, ihr Netzwerk ausgebaut und damit die betroffenen Unternehmer sensibilisiert hätten.
Unter Federführung der IHK zu Lübeck ist das Regionalmanagement im HanseBelt Anfang 2018 mit drei Mitarbeitern erfolgreich gestartet. Gemeinsam mit den Kreisen im IHK-Bezirk, der Hansestadt Lübeck, den Wirtschaftsförderungsgesellschaften und dem HanseBelt e.V. wird das Regionalmanagement in der Kooperation elf Projekte zur zukunftsfähigen Positionierung und regionalökonomischen Entwicklung des HanseBelt umsetzen. Schwerpunkte bilden die Handlungsfelder „Raum für Wirtschaft“, „Mobilität“, „Tourismus“ und „Marketing“. Erste Projekte befinden sich bereits in der Bearbeitung, so etwa die Berechnung einer Gewerbeflächenbedarfsprognose für den HanseBelt.
Die IHK setzt sich für einen fairen Wettbewerb zwischen den Handelsstandorten ein. Schöning: „Für Sonntagsöffnungen gelten bislang strenge Kriterien, denn diese müssen jeweils an einen konkreten Anlass geknüpft sein. Die für die Hansestadt Lübeck ab 2019 vorgesehenen jeweils zwei jährlichen Sonntagsöffnungen im Zuge der Travemünder Woche sowie der Nordischen Filmtage bieten den teilnehmenden Unternehmen ausreichend Rechts- und damit Planungssicherheit.“ Die IHK fordert den Gesetzgeber in einem Positionspapier der IHK Schleswig-Holstein zugleich auf, das Erfordernis der Anlassbezogenheit auf den Prüfstand zu stellen, mit dem Ziel, es künftig den Kommunen zu ermöglichen, an maximal vier Sonntagen pro Jahr Öffnungen ohne die Notwendigkeit besonderer Anlässe zu genehmigen.