Ratzeburg (pm). Er geht – und bleibt. Jürgen Hensel, seit zwanzig Jahren Pastor in der St. Georgsberg-Kirchengemeinde und seit fünf Jahren wirkt Hensel auch als Notfallseelsorger in der Propstei Lauenburg. Am Freitag, 14. September 2018, verabschiedet Pröpstin Frauke Eiben den rührigen Pastor um 18 Uhr in der Kirche St. Georg auf dem Berge aus der Gemeindearbeit.
„Seit dem 1. September widme ich mich ganz der Notfall- und Feuerwehr-Seelsorge im Kreis Herzogtum Lauenburg“. Gemeint sind damit die Vor- und Nachsorge bei Einsätzen der Feuerwehren des Kreisfeuerwehrverbandes Herzogtum Lauenburg und des Rettungsdienstes des Deutschen Roten Kreuzes, sowie Amtshandlungen wie Taufen, Trauungen und Beerdigungen. „Natürlich werde ich die Gemeindearbeit vermissen – aber ich werde eine neue Gemeinde, die so genannte Blaulicht-Fraktion, haben“, sagt der 56-Jährige, der ursprünglich aus der Nähe von Bad Oldesloe stammt.
Dass er von Pröpstin Eiben persönlich verabschiedet wird, ist dem Pastor sehr wichtig. „Sie kam vor fünf Jahren auf mich zu, als der damalige Notfallseelsorger Friedrich-Wilhelm Seeliger in Ruhestand ging. Frauke Eiben wusste, dass ich durch meinen Zivildienst beim Rettungsdienst schon immer eine Affinität zu dieser Arbeit hatte“. Jürgen Hensel trat in die örtliche Feuerwehr ein, absolvierte die Grundausbildung und später weitere Zusatzausbildungen wie der als Fachwart für Feuerwehr-Seelsorge, die ihn befähigen, Unfallopfer, deren Angehörigen sowie die Helfer seelsorgerlich zu betreuen. „Für alles, was die Seele betrifft, sind wir Seelsorger da“.
„Der letzte schwere Unfall bei Lauenburg, bei dem ein 18-Jähriger in seinem Wagen verbrannte, ging vielen Kameraden an die Nieren“, erinnert sich Hensel. „Insgesamt wurden von der Notfall- und Feuerwehrseelsorge an diesem Tage zehn Einsätze betreut; insgesamt vier Notfallseelsorger waren für unterschiedlichste Einsätze unterwegs. Parallel dazu waren weitere Einsätze abzuarbeiten. Mein Eindruck nach dieser dramatischen Woche: Das System funktioniert, besonders auch dadurch, weil es von vielen mitgetragen wird“. Im Kreis Herzogtum Lauenburg soll die Struktur zur psychosozialen Notfallversorgung von Einsatzkräften weiter ausgebaut werden.
Dass der Pieper unvorhergesehen und zu allen möglichen Tages- und Nachtzeiten piept, daran haben sich Jürgen Hensel und auch seine Frau, mit der er seit 26 Jahren verheiratet ist und drei Kinder hat, im Laufe der Zeit gewöhnt. „Wenn ich morgens nach einem Einsatz nach Hause komme, sprechen wir kurz darüber“. Denn auch ein Seelsorger muss mal reden. Das tut er auch mit seinen Kameraden: „Nach jedem Einsatz kommen wir zusammen und besprechen die Geschehnisse, um diese besser zu verarbeiten. Es ist ein sehr persönlicher Austausch“. Hensel bieten den Kameraden bei Bedarf langfristige seelsorgerliche Begleitung nach extremen Situationen an. „Das nehmen viele in Anspruch“.
Allein in diesem Jahr hatte Jürgen Hensel 55 Einsätzen bei der Feuerwehr; die Fälle in der Notfallseelsorge beziffert Hensel ebenfalls mit rund 50 Einsätzen. „Leider ein trauriger Rekord“. Deshalb sei es so wichtig, dass die Propstei Lauenburg und auch der Kreis mit der Seelsorge hier gut aufgestellt sind.
Jeder, der Jürgen Hensel kennt oder mit ihm spricht, merkt ihm sein Enthusiasmus für diesen Beruf an. Ein Seelsorger in Extremsituationen, dem es immer um die Menschlichkeit und die Seele der Betroffenen geht. „Was ich persönlich sehr schätze, ist die große Dankbarkeit der Menschen, die ich betreut habe. In unserer Gesellschaft mit ihrer Dienstleistermentalität ist das nicht mehr selbstverständlich. Ich finde es wichtig, die Zeit zu haben um mit Betroffenen zu reden, ihnen Sicherheit zu vermitteln und Ruhe auszustrahlen. Bei all meinem Tun fühle ich mich vom Glauben an Gott getragen – sonst könnte ich diesen Beruf nicht ausüben“.
Der Nachfolger von Jürgen Hensel als Gemeindepastor steht bereits fest: Rolf Brunke, zurzeit noch Pastor in Groß Grönau, wechselt in die St.-Georgsberg-Kirchengemeinde. Er wird am Sonntag, 23. September 2018, um 10 Uhr im Gottesdienst in der St.-Willehad-Kirche in Groß Grönau verabschiedet.