Wir fordern eine bundeseinheitliche Kostenübernahme von Verhütungsmitteln
für finanziell benachteiligte Menschen
Das Recht auf eine selbstbestimmte Familienplanung, zuletzt von den Vereinten Nationen 1994 als Menschenrecht bekräftigt, steht jeder Frau, jedem Mann und jedem Paar zu.
Damit garantiert auch Deutschland – zumindest theoretisch – jeder Bürgerin und jedem Bürger, die Familienplanung individuell bestimmen zu können. Konkret soll somit Jede und Jeder entscheiden können, wann und wie viele Kinder sie oder er haben möchte und zu welchem Zeitpunkt dies günstig erscheint.
Bis 2004 gab es im Sozialgesetz eine so genannte „Hilfe zur Familienplanung“. Das Sozialamt übernahm die Kosten für Verhütungsmittel. Durch die Hartz IV-Gesetzgebung ist diese Möglichkeit weggefallen. Seitdem gibt es für Männer und Frauen, die Leistungen nach SGB II beziehen, eine Pauschale für „Gesundheitspflege“, die zur Zeit 17,59 Euro beträgt. Aus dieser Pauschale sollen Hartz IV-EmpfängerInnen alle benötigten, nicht verschreibungspflichtigen, Arznei- und Heilmittel und auch Verhütungsmittel bezahlen oder aus ihrem Budget „ansparen“.
Eine monatliche Pillenpackung kostet zwischen 4,50 Euro und 22 Euro, der Verhütungsring 16 Euro bis 22 Euro im Monat. Spiralen und Implantate sichern die Verhütung für mehrere Jahre und sind auf lange Sicht kostengünstiger. Die einmaligen Kosten hierzu von 300 bis 400 Euro können Hartz IV-Empfängerinnen aber nicht aus dem Regelsatz zahlen und ein Ansparen ist kaum möglich.
Eine Sterilisation, deren Finanzierung in den Beratungsstellen besonders häufig von kinderreichen Familien nachgefragt wird, ist von Menschen mit geringem Einkommen nicht umsetzbar. Eine Übernahme der Kosten auch hier wäre ein wesentlicher Schritt zur Verwirklichung des Rechts auf Verhütung für alle Menschen. Die Kostenerstattung von Verhütungsmitteln für Frauen und Männer wäre ein wichtiges gesundheitspolitisches Signal: Frauen und Männer sind gleichermaßen für Verhütung verantwortlich und zuständig.
Auf Grund der Verwendung kostengünstiger, aber unsicherer Verhütungsmittel muss von einer erhöhten Gefahr ungewollter Schwangerschaften mit entsprechenden Folgekosten für die Gemeinschaft ausgegangen werden. Die Kosten für einen Schwangerschaftsabbruch von Frauen, die Einkommensersatzleistungen erhalten, und von geringfügig Verdienenden werden dann allerdings in Höhe von zirka 400 Euro durch die Krankenkassen übernommen.
Die Mitarbeiterinnen aus unseren kreiseigenen Beratungsstellen, die im Schwangerschaftskonflikt beraten, bestätigen das Problem aus der Praxis:
Ein sehr hoher Anteil der hilfesuchenden Frauen, die sich im Schwangerschaftskonflikt befinden, ist finanziell benachteiligt und hat sich aus dieser Notlage heraus für ein kostengünstiges, aber wenig sicheres Empfängnisverhütungsmittel entschieden.
Durch eine Kostenübernahme von Verhütungsmitteln auf Bundesebene könnte somit auch Leid bei den Betroffenen verhindert werden.
Erfahrungen aus der Schwangerschaftskonfliktberatung zeigen, dass für viele Betroffene ein Abbruch der Schwangerschaft eine große psychische Belastung darstellt. Oftmals trauen sie sich hinterher aus Scham nicht, Hilfe und Unterstützungsmöglichkeiten wahrzunehmen. Über die Gewährung von Verhütungsmitteln würden diese Frauen erst gar nicht in diese krisenreiche Situation geraten.
Neben der Situation von Frauen und Männern mit geringem Einkommen sowie Menschen, die von verschiedenen Einkommensersatzleistungen abhängig sind, halten wir es auch für ausgesprochen wichtig, die besondere Situation von Geflüchteten bei der Erarbeitung von Vergabekonzepten einzubeziehen. Die Einrichtung eines unbürokratischen Verhütungsfonds sollte auch Personengruppen ohne Krankenversicherung oder Status im sozialen Sicherungssystem erreichen, denn: Selbstbestimmte Familienplanung ist ein Menschenrecht für alle Frauen und Männer!
Das zentrale Ziel der Kostenübernahme von Verhütungsmitteln sollte sein, ungewollte Schwangerschaften und/oder Schwangerschaftsabbrüche mit den entsprechenden Folgekosten zu vermeiden und eine sinnvolle individuelle Familienplanung als ein Menschenrecht zu unterstützen.
Verhütung ist derzeit in Deutschland vom sozialen Status abhängig. Das Menschenrecht auf freie Wahl der Verhütungsmethode, die die größtmögliche Sicherheit bietet und individuell gesundheitlich verträglich ist, ist nicht mehr für alle Menschen garantiert!
Wir sehen daher die Landes- wie Bundespolitik in der Pflicht, für eine bundeseinheitliche Regelung zu sorgen und damit Verantwortung für die Gemeinschaft zu übernehmen.
Die Herzoginnen:
Frauenberatungsstelle Herzogtum Lauenburg
Integrierte Beratungsstelle Schwarzenbek / Lauenburg, Diakonisches Werk, Schwangeren- und Schwangerschaftskonfliktberatung nach § 218 /219 StGB
Franziska Just, Einrichtungsleitung AWO Interkulturell im Kreis Herzogtum Lauenburg, Arbeiterwohlfahrt Landesverband Schleswig-Holstein e.V.
Renate Schächinger, KIBIS Selbsthilfekontaktstelle Kreis Herzogtum Lauenburg
Brigitta Marks, pro familia Schleswig-Holstein Beratungsstelle Geesthacht
Elke Hagenah, Gleichstellungsbeauftragte Kreis Herzogtum Lauenburg
Edelgard Jenner, Gleichstellungsbeauftragte Stadt Mölln und Amt Breitenfelde
Anja Nowatzky, Gleichstellungsbeauftragte Stadt Geesthacht
Nina Stiewink, Gleichstellungsbeauftragte Amt Hohe Elbgeest
Petra Michalski, Gleichstellungsbeauftragte Schwarzenbek
Friederike Betge, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Lauenburg/Elbe