Von Vera Bade
Im Frauencafé „Lydia“ in Ratzeburg wird montags und mittwochs zusammen
gefrühstückt. Das Buffet ist reichlich und hübsch gedeckt. Es gibt immer herzliche Begrüßungen und Umarmungen.
Manche Frauen kennen sich schon Jahrzehntelang, und es wird über Freud und Leid mehr ausgetauscht als „small talk“ über Rezepte und Stricken geführt. Es wird gewitzelt und gelacht,
die Frauen fühlen sich in ihrem Element, sind froh nur unter sich zu sein (denn Frauen und Männer „passen nicht zusammen, außer in der Mitte“, wie die meisten lächelnd feststellen). Nur donnerstags gibt es Kaffee und Kuchen zusammen mit Männern.
Als Ausländerin tauche ich gerne in das gemeinsame Klönen, Quatschen und Schnacken ein, was für mich viel lebendiger und interessanter als ein Sprachkurs zu sein scheint (dafür hatte ich nie Zeit, von eigenen Kindern, durch Media und gute Bücher mehr gelernt). Wie alle Ausländer höre ich, bewusst oder unbewusst, nie auf Vergleiche zu ziehen: das und jenes ist hier in Deutschland besser, aber in anderen Bereichen ist das und jenes bei uns, also in der
Heimat, besser.
Vor langen Jahren hat mir ein junger Deutscher mal gesagt: „Vera, du bist schon so lange in Deutschland und du sagst immer noch „bei euch“, du bist hier über 30 Jahre , jetzt ist die Zeit „bei uns“ zu sagen wenn wir über Deutschland reden“. Ich habe das als eine Einladung empfunden, er hat mich angenommen und das gezeigt hat, was ich davor selten und flüchtig mal empfunden habe.
„Deutschland ist das schwierigste Land für Emigranten“, habe ich oft von Ausländern hier gehört. Es gibt ja viele Möglichkeiten mit der Mimik, Gestik oder mit der Sprache und bloß
Gleichgültigkeit eine „Mauer“, eine Grenze zu errichten auch wenn der „Neuling“ sich bemüht, menschlich hier anzukommen. In eine TV Sendung hat man erzählt, dass sich nach der Umfrage über 50 Prozent hier schon lange lebenden Türken nicht angenommen fühlen, egal wie sehr sie sich darum bemühen.
Sprachbarrieren sind per se „Mauern“, aber Aufmerksamkeit und Mimik sind manchmal genügend, um zu zeigen: “ Du bist uns sympatisch, lerne weiter, damit wir kommunizieren können“. In „Lydia“ habe ich ein Mal beim Frühstück eine Frau aus Syrien erlebt. Eine sehr hübsche intelligente Frau, deren Deutsch noch so rudimentar war, dass ich auf Englisch umgeschaltet habe, um sie zu unterstützen. Das war ein (gefühlter) „Fehler“, was ich aus den Blicken von Frauen abgelesen habe. „Sie sollen Deutsch lernen!“, hat mir eine Frau mit Nachdruck gesagt. Da ich erst seit einem Jahr im „Lydia“ auftauche und selber ein „Neuling“ bin, habe ich mich nicht getraut, weiter Englisch mit der Syrerin zu reden. Sie kam leider nicht wieder.
„Es gibt nur eine Sprache – hat ein indische Schriftsteller Rabindranath Tagore gesagt – und die ist die Sprache des Herzens“. Diese Sprache kennt man auch in Café „Lydia“, auf diese Sprache könnten wir uns öfter „umschalten“ für die Neulinge, Geflüchtete, für die Emigranten, die Deutschland schon wegen der demografischen Entwicklung sehr braucht.
Die Pluralisierung der Gesellschaft ist alternativlos – in jedem Land auf dem Globus.