Mölln (aa). ‚Kein direkter Augenkontakt mit dem Publikum‘, ‚Guckt nicht böse, nicht verliebt, sondern mit neutralem Blick‘ – so hallten Ende April einige Regieanweisungen während einer Schnupperstunde durch den Theatersaal des Robert-Koch-Campus in Mölln. Sie kommen vom Choreografen Christian Judith, der zusammen der Tanzpädagogin Silke Hüttel-Judith einen Tanzkurs der Kulturwerkstatt des Lebenshilfewerks Mölln-Hagenow (LHW) leitet.
Alle Menschen können tanzen, ob – groß und klein – alt und jung – auf Beinen und mit Rädern. So richtet sich das Angebot des LHW an wirklich alle, die Freude an Bewegung und Tanz haben und sich ausprobieren wollen. Bis zum 26. Juni soll jeden Dienstag mit Bewegung und Musik ein gemeinsamer Tanz, eine spielerische offene Tanz –Choreographie entstehen. Gesten werden ausprobiert und Bewegungsimpulse werden aufgegriffen. So entsteht eine Vielfalt an Ausdrucksmöglichkeiten. Getanzt wird allein, zu zweit und in der Gruppe.
Acht Teilnehmer sind zu dieser ersten Schnupperstunde gekommen. „Wie bekommt man die Rollifahrer mehr ins Zentrum des Geschehens?“, fragt Christian Judith während einer kurzen Pause. Gemeinsam werden Lösungen erarbeitet und anschließend ausprobiert. Voraussetzung um mitmachen zu können, sei die Bereitschaft sich bewegen zu wollen, erklärt der Tanzchoreograf dem Pressevertreter vor Ort. Andererseits werde aber auch ein gewisser Anspruch erhoben. Judith: „Das ist hier keine Beschäftigungstherapie. Jeder Mensch kann tanzen, aber nicht jeder Mensch ist ein Tänzer. Hier geht es um Kunst.“
„Jeder Teilnehmer“, so Christian Judith weiter, „habe seine Besonderheit – egal ob mit oder ohne Handicap. Diese Besonderheiten des Einzelnen wollen wir herausarbeiten und dann am Ende in die Aufführung einarbeiten.“ Doch bevor ein großes Ganzes entsteht, werden erst einmal Bewegungen geübt. Die Grundlage ist hier der zeitgenössische/moderne Tanz, Kontaktimprovisation und Tanztheater. Geübt wird hier die „Umrahmung“. Wie bewegen sich Rollstuhlfahrer und Fußgänger aufeinander zu und umeinander herum, oder kurz: Wie tanzt man zusammen? Bezüglich der Besonderheiten gibt Judith, der selbst beim Tanz ein Laufrad nutzt, ein Beispiel: Er hebt ein Bein und ein Mittänzer tut es ihm gleich. Judith vollendet die Figur, in dem er auch sein zweites Bein hebt. Sein Mittänzer muss passen. Würde auch er sein zweites, sein Standbein, heben, würde er umfallen. Zuvor vielleicht vorhandene Vorstellungen verschwimmen, der Fußgänger ist bei dieser Übung derjenige mit Handicap. Gemeinsam wird daher nach Lösungen gesucht, wie der Tänzer bestimmte Bewegungen auf der Bühne umsetzt. So haut zum Beispiel ein Tänzer mit der Faust auf die Lehne seines Rollstuhls, während die anderen mit dem Fuß aufstampfen. Judith: „Wir wollen eine neue Ästhetik setzen – was ich kann, der andere nicht kann. Wir wollen von einander lernen.“