Herzogtum Lauenburg (pm). Misophonie: bitte was? Viele Menschen auch im Kreis Herzogtum Lauenburg können mit diesem Begriff zunächst nichts anfangen. Die Bezeichnung leitet sich von den griechischen Begriffen „misos“ und „phone“ ab und bedeutet wörtlich übersetzt ‚Hass auf Geräusche‘. Menschen, die an Misophonie leiden, reagieren stark emotional auf bestimmte Geräusche, die für andere Personen normalerweise nicht störend oder sogar kaum wahrnehmbar sind. „Die Lautstärke der Geräusche ist dabei nicht ausschlaggebend. Kauen, ein tropfender Wasserhahn oder Schmatzen bringen Betroffene in Rage und lassen sie regelrecht ausflippen. Dabei können alle Arten von Geräuschen als Auslöser fungieren“, sagt AOK-Serviceregionsleiter Reinhard Wunsch.
Bei der Misophonie handelt es sich um ein recht junges Krankheitsbild. Anfang des 21. Jahrhunderts wurde es durch zwei US-amerikanische Neurowissenschaftler erstmals beschrieben und benannt. Sie fanden heraus, dass sich Misophonie überwiegend in der Pubertät entwickelt, da sich in dieser Phase das Gehirn am stärksten entwickelt. Junge Menschen beginnen, feiner zu hören und Gehörtes anders zu bewerten. Studien gehen davon aus, dass etwa 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung betroffen sind.

Wie entsteht Misophonie überhaupt?
Misophonie kann sehr plötzlich und in jedem Alter entstehen. Besonders häufig beginnt sie allerdings zwischen dem achten und dem 13. Lebensjahr. Prinzipiell kann jeder Mensch Misophonie-Symptome entwickeln. Experten vermuten, dass Misophoniker negative oder traumatische Erfahrungen erlebt haben, die sie mit einem bestimmten Geräusch verbinden. Diese führen dann im weiteren Verlauf zu immer ausgeprägteren emotionalen Reaktionen, wenn dieses Geräusch erneut gehört wird. Betroffene sind dann irritiert, verspüren Ärger, Angst und Frustration bis hin zu Wut und sogar Hass.
Diagnose einer Misophonie:
Bisher wird die Misophonie nicht in den offiziellen Diagnose-Klassifikationen (ICD-10) geführt. Betroffene sollten sich dennoch nicht scheuen, sich hausärztlich zu einer möglichen Bewältigungsstrategie beraten zu lassen. Von dort könnte im Bedarfsfall eine begleitende HNO-ärztliche Therapie koordiniert werden. Um die Symptome von anderen auditiven Störungen abzugrenzen und auch deren Schweregrad zu ermitteln, wird neben einer körperlichen und neurologischen Untersuchung zunächst ein Fragenkatalog abgearbeitet. Dieser arbeitet heraus, auf welche Geräusche besonders empfindlich reagiert wird und setzt diese in Zusammenhang mit bestimmten Orten, Menschen und Situationen.
Therapieansätze:
Kann die Ursache einer Hassreaktion für ein bestimmtes Geräusch gefunden werden, arbeiten die Experten häufig mit einer Gegenkonditionierung, bei der das Geräusch mit einem neuen, positiven Erlebnis verbunden wird. „Wenn die Ursache nicht ermittelt werden kann, bieten sich Methoden zur Stressreduktion oder zur Entspannung wie zum Beispiel Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung, Yoga oder Thai-Chi an“, so Wunsch. Betroffene lernen dabei, ihre heftige emotionale Reaktion zu kontrollieren. Weitere Informationen zu anerkannten Entspannungsmethoden bei den Präventions-ExpertInnen der AOK NordWest oder online unter www.stress-im-griff.de , dem kostenlosen Anti-Stress-Programm der AOK auch für Nicht-Mitglieder.