Herzogtum Lauenburg (pm). Die Idee ist so simpel wie genial: Je genauer und aktueller Daten über den Zustand einer Hochspannungsfreileitung erfasst werden, desto effizienter kann die Leitung genutzt werden. Dieses einfache Prinzip versteckt sich hinter dem Begriff des Freileitungsmonitorings. Schleswig-Holstein Netz (SH Netz) testet ab sofort an zwei Freileitungen erstmals die entsprechenden Sensoren von verschiedenen Herstellern, um das bestehende Freileitungsmonitoring weiterzuentwickeln.
Die Witterung wirkt sich auf Freileitungen aus. Dabei gilt: Je höher die Außentemperatur ist, desto geringer ist die zulässige Übertragungskapazität eines Leiterseils. Gleichzeitig steigen die Anforderungen an das Stromnetz: Immer mehr Erneuerbare Energien-Anlagen werden angeschlossen, während gleichzeitig der Stromverbrauch – etwa durch Wärmepumpen oder E-Ladesäulen – ansteigt. Damit SH Netz ihr Stromnetz optimal nutzen kann, ist ein genaues Freileitungsmonitoring entscheidend.
„Wir wollen herausfinden, ob beziehungsweise welche Sensoren einen Mehrwert im Vergleich zu unserem aktuellen Freileitungsmonitoring bieten und welche Sensoren am besten zu unserem Anforderungsprofil passen“, sagt Projektleiter Gianmarco Salazar Gesell. Die Sensoren nutzen unterschiedlichste Verfahren: Während beispielsweise ein Modell die Schwingung des Leiterseils misst, um daraus dessen Temperatur zu errechnen, erfasst ein anderes die Neigung des Seils. Denn: Je wärmer ein Leiterseil ist, desto stärker hängt es aufgrund der Ausdehnung des Stahls durch. Ein Mindestabstand von sechs Metern muss zum Boden immer eingehalten werden. Ein besonders wichtiger Aspekt, der von zu den Sensoren gehörenden Wetterstationen gemessen wird, ist die Windgeschwindigkeit. Je stärker der Wind weht, desto besser kühlt er die Leiterseile. Bei dem Test werden zudem Aspekte wie die Montage oder die Kosten der Sensoren miteinander verglichen.
Der Testzeitraum erstreckt sich über ein Jahr. „Dadurch können wir über alle Jahreszeiten hinweg Daten erfassen und miteinander vergleichen“, sagt Gerrit Erichsen, ebenfalls Projektleiter. Insgesamt 30 Sensoren an elf Masten haben Mitarbeiter von SH Netz kürzlich für den Vergleichstest installiert. Montiert wurden sie an einer Hochspannungsleitung im Kreis Nordfriesland sowie einer Leitung im Kreis Pinneberg. Dadurch werden unterschiedliche Nutzungsprofile abgedeckt: „Im Kreis Nordfriesland sind viele Windparks an der Leitung angeschlossen, während im Kreis Pinneberg viele Verbraucher Strom durch die Leitung beziehen“, erklärt Gianmarco Salazar Gesell.
Aktuell greift SH Netz für das Freileitungsmonitoring auf Daten von Wetterstationen zurück. Davon betreibt SH Netz elf eigene Exemplare in Schleswig-Holstein. Anhand der Wetterdaten errechnet SH Netz die Übertragungskapazitäten ihrer Leitungen. Durch die neuen Sensoren soll dieses Verfahren im Schwachwindbereich verbessert werden, sodass SH Netz für den Ausbau von Photovoltaikanlagen noch besser gerüstet ist. Verläuft der Test positiv, plant SH Netz den Einsatz von Sensoren im Hochspannungsnetz. Die Wetterstationen werden jedoch als Backup weiterbetrieben. „Dadurch haben wir selbst bei einem Ausfall von Sensorik eine sichere Berechnungsgrundlage“, sagt Gianmarco Salazar Gesell.