Herzogtum Lauenburg (hs). Alle Jahre wieder ist das Gedicht von Rainer Maria Rilke (1875-1926) aktuell, wenn die Früchte aus den Gärten und von den Felder geerntet sind oder das Obst die letzten warmen Sonnenstrahlen braucht um noch reifer zu werden. Hilde Schulz hat den Leserinnen und Lesern von Herzogtum direkt das Gedicht von Rilke ins Plattdeutsche übersetzt.
HERBSTTAG
- HERR: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
- Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
- und auf den Fluren lass die Winde los.
- Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
- gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
- dränge sie zur Vollendung hin und jage
- die letzte Süße in den schweren Wein.
- Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
- Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
- wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
- und wird in den Alleen hin und her
- unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.
Und nu up Platt:
HARVSDAG
- HERR: dat is Tied. De Sommer wör bannig grot.
- Leg dienen Schatten up de Sünnenklocken,
- und up de Feller lat de Winn los.
- Sech de letzten Früchten bescheed, se süllt vull sien;
- Giff ehr man noch twee warme Daage,
- driev se nott‘ Enn hen und jaag
- de letzte Seute in den schworer Wien.
- Wokeen nu keen Huus hett, but sik keen mehr.
- Wokeen nu alleen is, ward dat lang blieben,
- Ward waaken, lesen, lange Breif schrieben
- und ward in de Alleen hen und her
- unrohig wannern, wenn de Bläder drievt.
Hilde Schulz ut Hamfelln im Oktober 2024