Ratzeburg (aa). Die erste „Lange Nacht der Demokratie“ am 2. Oktober 2024 in Ratzeburg war ein voller Erfolg und lockte rund 200 Gäste ins Burgtheater. Organisiert von der Volkshochschule Ratzeburg und Umland mit Unterstützung der „Partnerschaft für Demokratie“ der Stadt Ratzeburg und des Amtes Lauenburgische Seen, bot die Veranstaltung vielfältige Einblicke in die Bedeutung unserer Demokratie.
Ein Highlight des Abends war der politische Talk des NDR Studios Lübeck zum Thema „Medien und Demokratie“. Unter der Moderation von Studioleiterin Mechthild Mäsker diskutierten Bundestagsabgeordneter Konstantin von Notz, Journalistin Gabriele Heise (Salemer Dialog), Pressesprecher der Stadt Ratzeburg sowie Vorsitzender des Vereins Miteinander leben, Mark Sauer und die freie Journalistin Esther Geißlinger über die Bedeutung einer freien Medienlandschaft, journalistische Standards und die wachsende Gefahr von Fake News.
Zur Frage, wie gut wir hier im ländlichen Raum aufgestellt sind, erklärte Gabriele Heise, dass die Veranstaltungen des „Salemer Dialog“ stets gut besucht seien: „Die Bürger sind sehr interessiert und haben Lust auf Austausch und Debatte.“ Mark Sauer ergänzte: „Demokratie ist ein großes Mitmachprojekt.“ Die Angebote des Vereins Miteinander Leben seien immer der Versuch, die Menschen zum Mitwirken zu bewegen.
Welche Regeln müssen herrschen, damit ein Dialog stattfinden kann? Sind Populismus und Fakenews ein Trend, der noch umkehrbar ist? So sieht Konstantin von Notz aktuell den größten Feind der Demokratie den „Dissens über die Faktenlage“. „Debatten, wie sie aktuell geführt werden, haben zersetzenden Charakter“, sagte von Notz weiter. Mit verantwortlich dafür sieht er unter anderem die „krasse Veränderung der Geschwindigkeit von Medien“ im Gegensatz zu früher. Er werde heutzutage oft schon gebeten unter Zeitdruck zu Themen Stellung zu beziehen, bevor er überhaupt Gelegenheit hatte, sich mit dem Thema in seiner Tiefe zu befassen. „Die Feinde der Demokratie haben zudem entdeckt, dass ihre Offenheit (freie Meinungsäußerung) auch ihre Archillesferse ist. Sie zersetzen den Konsenz der Regeln wie kommuniziert wird“, stellte von Notz mit Verweis auf die Verbreitung auf Fakenews fest. Esther Geislinger ergänzte: „Es herrscht keine Waffengleichheit, weil eine Seite schlicht lügt und das als Wahrheit verkauft.“ Die Medien seien in einer schwierigen Situation, da sie wirtschaftlich massiv unter (Zeit-)Druck stünden. Dabei sollten sie sich mehr auf ihre Kernkompetenz „Recherche“ besinnen, so Geislinger.
Die „verkürzte Wahrnehmung“ von Diskursen sieht auch Mark Sauer als Problem: „Es geht nicht mehr in die Tiefe, die Aufmerksamkeit schweift schnell ab.“ Das beobachtet er nicht nur bei der Generation „TikTok“, es sei inzwischen auch in der Erwachsenenwelt angekommen.
Von Notz: „Viele Leute haben sich heute im Internet etwas angelesen und lehnen mit Inbrunst Expertisen ab. Ich wage die Behauptung, dass in der Zeit vor dem Internet auch nicht alle täglich eine Zeitung gelesen haben. Aber es gab noch die Anerkennung von Expertise.“ Von Notz wünsche sich eine Reform und gleichzeitig eine Stärkung, der öffentlich-rechtlichen Medien, um so den Fakenews etwas entgegenzusetzen. „Wir müssen einen Weg finden, mit Desinformation umzugehen. Ich glaube, man kann das gewinnen.“
„Wir müssen einandere in die Augen schauen und miteinander reden; mit mehr Zeit auf andere Leute zu gehen“, forderte Gabriele Heise und sieht als möglichen Weg der Besserung, Orte der Begegnung und des Austausches in der realen Welt zu schaffen. „Man muss aber auch von diesen Orten wissen“, gab Mark Sauer zu bedenken. Er beobachte mit Sorge den Rückzug lokaler Medien: „Früher gabe es noch zwei Ausgaben des MARKTs“. Zudem hätten sich die Redaktionen der lokalen Printmedien über die Jahre auch personell immer weiter ausgedünnt. Sauer: „Ich sehe das als richtig großes Problem, dass im ländlichen Raum der Lokaljournalismus verschwindet.“
Esther Geislinger wünsche sich mehr Geld für Kontrollplattformen, um den Fakenews Einhalt zu gebieten. Zudem sehe sie einen Hebel darin, wenn Wege gefunden werden, kleinteiligen Journalismus zu finanzieren. Auch von Notz wünscht sich mehr Aufsichtsstrukturen: „Wir haben etwas zu verteidigen. Und hier ist eine klare Mehrheit, die unsere liberale Demokratie erhalten will. Wir haben alle Karten in der Hand, das Rad noch zu drehen.“
Musikalisch-politisch wurde der Abend unter anderem durch einen musikalischen Beitrag von Jörg Rüdiger Geschke sowie einem Konzert des Sängers Sebastian Krumbiegel aufgelockert, der in seinen Liedern zur Wachsamkeit in der Verteidigung demokratischer Werte aufrief.