Ratzeburg (pm). Die Stadtvertretung der Stadt Ratzeburg hat sich auf ihrer jüngsten Sitzungen mit den Überlegungen der Landesregierung befasst, die Städtebauförderung im Land Schleswig-Holstein zu kürzen. Über die Städtebauförderung werden auch in Ratzeburg wichtige städtische Entwicklungsprojekte finanziert, wie die städtebauliche Gesamtmaßnahme „Zukunftsgestaltung Daseinsvorsorge“, mit dem geplanten Neubau des Schwimmbades, der Sanierung der ehemaligen Ernst-Barlach-Schule, die Neugestaltung der Seebadestelle an der Schloßwiese, die Erneuerung des Kurparks und des Rundweges um den kleinen Küchensee.
In der Städtebauförderung wirken Bund, Land und Kommune in einer Drittelförderung zusammen. Eine Kürzung dieser Förderquote beim Land würde unweigerlich dazu führen, dass die Kommunen einen größeren Anteil der Finanzierung für geplante Städtebaumaßnahmen übernehmen müssten. Damit wären viele Kommunen, wie auch Ratzeburg, angesichts ihrer eigenen prekären Finanzlage überfordert. Geplante Modernisierungsprojekte zur Daseinsvorsorge würden vor dem Aus stehen. Entsprechend deutlich wurden daher diese Pläne der Landesregierung von der Ratzeburger Stadtvertretung kritisiert. Sie schloss sich einstimmig einer Resolution der Städte im Städteverband Schleswig-Holstein für den Erhalt der Städtebauförderung im Land Schleswig-Holstein an.
Resolution der Städte im Städteverband Schleswig-Holstein für den Erhalt der Städtebauförderung im Land Schleswig-Holstein
In Bezug auf
den hohen Stellenwert der städtebaulichen, ökonomischen, ökologischen und sozialpolitischen Zielerreichung durch die Städtebauförderung,
die erheblichen ökonomischen Anstoßwirkungen auf öffentliche und private Anschlussinvestitionen in den städtebaulichen Erneuerungsgebieten,
die enormen investiven Wirkungen der Städtebauförderung sowie die starken beschäftigungspolitische Impulse mit hohem regionalen Bezug,
der Bindung von Bundesmitteln für das Land Schleswig-Holstein und
der Notwendigkeit und herausragenden Bedeutung des Förderinstrumentariums für die Bewältigung der aktuellen und künftigen Herausforderungen für die Stadtentwicklung
fordert die Stadt Ratzeburg mit Beschluss der Stadtvertretung vom 10.09.2024 die Schleswig-Holsteinische Landesregierung und den Schleswig-Holsteinischen Landtag auf, von Kürzungsabsichten im Bereich der Städtebauförderung Abstand zu nehmen und eine vollständige Komplementärfinanzierung der Städtebauförderung durch Landesmittel zu gewährleisten.
Begründung:
- Zur Bedeutung der Städtebauförderung allgemein
Nach der Präambel zu der von dem Land Schleswig-Holstein unterzeichneten Bund-/ Länder-Vereinbarung zur Städtebauförderung messen Bund und Länder der Städtebauförderung als Leitprogramm für eine zukunftsfähige, nachhaltige, resiliente und moderne Entwicklung der Städte und Gemeinden in Deutschland große Bedeutung bei und sehen in der Städtebauförderung eine wichtige sozial-, struktur-, innen-, umwelt- und kommunalpolitische Aufgabe.
Dies gilt insbesondere für den Erhalt von lebendigen und identitätsstiftenden Stadt- und Ortskernen, Maßnahmen für den Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel, das Schaffen von Wohnraum sowie bedarfsgerechten und zukunftsorientieren Infrastrukturen. Nicht zuletzt wirkt die sozial gerechte Quartiersentwicklung integrationsfördernd. Die Städtebauförderung ist und bleibt ein herausragendes und unverzichtbares Instrument der Stadtentwicklung.
- Aufgabe und Funktion der Städtebauförderung
Die Städtebauförderung hilft den Städten, ihre Attraktivität als Wohn- und Wirtschaftsstandorte unter den aktuellen Bedingungen des demographischen und wirtschaftsstrukturellen Wandels sowie der digitalen und klimapolitischen Transformationsprozesse auszubauen. Die Wohnungsangebote und Aufenthaltsqualität der Innenstädte werden verbessert, die Versorgungsfunktion der Stadt- und Stadtteilzentren gestärkt und der zunehmenden Tendenz der sozialen Polarisierung sowie städtebaulicher Funktionsverluste wird entgegengewirkt. Die Funktionsqualität der Städte und Gemeinden und ihrer Zentren mit ihren unwiederbringlichen Kulturgütern vor dem Verfall zu bewahren, schrittweise zu erneuern und gleichzeitig eine moderne städtische Infrastruktur zu entwickeln, die sich veränderten Nutzungsbedingungen anpasst, ist ohne das organisatorischrechtliche und finanzielle Instrument der Städtebauförderung nicht zu realisieren.
- Die Städtebauförderung hat sich als Instrument der Stadtentwicklung bewährt und ist eine jahrzehntelange Erfolgsgeschichte
Seit 1971 haben sich Programmstruktur, -ziel und -anwendung bewährt. Die auf unterschiedliche Aufgaben, Ziele und Programminhalte ausgerichteten Strategien der vergangenen Jahre verdeutlichen eine offene und flexible Ausgestaltung der Städtebauförderung. Städtebauförderung versteht sich nicht allein als städtebauliche Infrastrukturförderung, sondern konzentriert sich auf einen übergreifenden Ansatz der Stadtentwicklung. Indem die Mehrzahl der Maßnahmen auf strukturverbessernde, sozialverpflichtete und – verträgliche sowie die Funktion der Städte stärkende Maßnahmen gerichtet ist, werden die Menschen in den Städten und Gemeinden in ihrem direkten Lebensumfeld erreicht und dessen Gestaltung positiv beeinflusst.
- Zur wirtschaftlichen Bedeutung der Städtebauförderung
Das Deutsche Institut für Wirtschaft hat bereits im Jahr 2004 den wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Stellenwert der Städtebauförderung untersucht und den Anstoßeffekt der Städtebauförderungsmittel auf das öffentliche und private Bauvolumen auf das 8,5- fache beziffert. Ergebnisse eines Forschungsprojektes im Auftrag des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Jahre 2011 bestätigen zurückliegende Studien. Danach stoßen die Städtebauförderungsmittel von Bund und Ländern das 7,8-fache an privaten und öffentlichen Investitionen an. Kurz gesagt bewirken die Städtebauförderungsmittel des Bundes und Länder öffentliche (staatliche und kommunale) und private Bauinvestitionen in rd. 8-facher Höhe, d.h. – 3 – 1 € Städtebauförderungsmittel führt zu rd. 8,00 € öffentlicher und privater Bauinvestitionen.
- Städtebauförderung und Stadtentwicklungsprogramme sind Motor heimischer Bauwirtschaft
Die wirtschaftsstrukturelle Förderung der Städte gehört ebenfalls zu den zentralen Aufgaben der Städtebauförderung, gerade in konjunkturell schwierigen Zeiten. Die Sanierung von historischen Innenstädten, Wohngebieten und von Mischgebieten bewirkt damit vor allem eine Förderung des örtlichen mittelständischen Handwerks, da die Modernisierungs- und Instandhaltungsarbeiten überwiegend von kleinen Firmen des Ausbaugewerbes durchgeführt werden. Während der Sanierungsphase sind es in erster Linie Leistungen des Bauhaupt- und des Ausbaugewerbes, mit denen die Beschäftigung in diesen Branchen gesichert oder angeregt wird. Über die Vorleistungsbezüge gehen von der Städtebauförderung aber auch auf die baunahen Branchen Beschäftigungswirkungen aus. Die Bauwirtschaft spielt vor allem in den weniger verdichteten Regionen für die lokale Wirtschaft eine bedeutende Rolle. Deshalb entfaltet die Städtebauförderung auch eine stabilisierende Wirkung im Hinblick auf die regionale Wirtschaftsstruktur.
- Stadtumbau und soziale Wohnraumförderung müssen zusammengedacht und dürfen nicht gegeneinander gestellt werden
Als besorgniserregend beobachten wir verzögerte, suspendierte oder stornierte Planungen und Bauvorhaben bei gemischten Bauvorhaben und in gemischt genutzten Einzelvorhaben in den Innenstädten. Diese gefährden die gerade in Angriff genommene Transformation von Teilen der inneren Städte nach dem Leerfallen von Handelsimmobilien und die diversifizierte Umnutzung von Immobilien. Chancen für einen deutlich höheren Anteil an Wohnen in den inneren Städten können nicht genutzt werden. Als alarmierend wird das Wegfallen von Wohnungsbauprojekten aller Größenordnungen gesehen. Dies schlägt unmittelbar auf die Mietensituation in den Städten vornehmlich im preiswerten Segment, durch. Erschwerend tritt hinzu, dass Bestandsmiethaushalte angesichts fehlender Angebote im Miet- wie Eigentumssektor noch weniger umziehen werden, als bereits beobachtet. Die deutlichen Herausforderungen für den Bau- und Wohnungssektor dürfen sich nicht zu einer Stadtentwicklungskrise entwickeln. Denn auch in einer krisenhaften Situation sind Konzepte zur Stadt- und Quartiersentwicklung, zum Stadtumbau und zur klimagerechten und -angepassten Transformation der Städte und Quartiere unerlässlich. Dies insbesondere
zur Transformation der Innenstädte,
zum Weiterbauen in und zur Aktivierung von untergenutzten Beständen,
zur Entwicklung von gemischten und Wohnungsbaupotenzialen auf Brachen und
wo nötig und möglich durch die Entwicklung neuer gemischter Stadtquartiere auf geeigneten zusätzlichen Bauflächen.