Herzogtum Lauenburg (pm). „So einen Standort müssen Sie erst mal finden: Eine belebte Innenstadt mit Fußgängerzone, die sich im Wettbewerb mit Hamburg und Lüneburg behauptet.“ Wenn Stefan Skowronnek über die Rahmenbedingungen für den Einzelhandel in Geesthacht spricht, gerät er ins Schwärmen. „Die Stadt hat in der Vergangenheit die richtigen Entscheidungen getroffen. Sie hat die Attraktivität des Zentrums erhöht und eine Verlagerung des Handels in Außenbereiche verhindert“, sagte der Geschäftsführer der Nessler GmbH bei einem Besuch von Lars Schöning, Hauptgeschäftsführer der IHK zu Lübeck, Michaela Bierschwall, Geschäftsführerin der Wirtschaftsförderungsgesellschaft im Kreis Herzogtum Lauenburg mbH (WFL), und Dr. Sabine Hackenjos, Leiterin des IHK-Geschäftsbereichs Innovation und Umwelt sowie Ansprechpartnerin für den Kreis Herzogtum Lauenburg. Gemeinsam besuchten sie auf ihrer Sommertour drei innovative Unternehmen in Geesthacht und Lauenburg, um sich über ihre Geschäftsmodelle und die Lage in den Branchen zu erkundigen.
Die Kaufhaus Nessler ist ein 94 Jahre altes Familienunternehmen. Sie betreibt an vier Standorten Häuser „mit Angeboten in der Mitte des Marktes“, so Skowronnek. Die ungleichen Bedingungen an den Standorten hemmen jedoch immer wieder die Weiterentwicklung des Geschäfts. „Hier in Geesthacht haben wir große gestalterische Freiheiten. Diese nutzen wir und tragen zur Attraktivität der Innenstadt bei.“ Er ist überzeugt, dass der stationäre Einzelhandel in Innenstädten eine Zukunft habe. Deshalb investiert das Unternehmen mehr als sechs Millionen Euro in eine grundlegende Sanierung seines Kaufhauses, von der Fassade über Klimaschutz bis zur Neugestaltung der insgesamt 6.000 Quadratmeter großen Verkaufsflächen auf mehreren Ebenen. Zusätzlich zur modernen und inspirierenden Verkaufsatmosphäre will Nessler einen Gastronomiebereich neu bauen, um die Aufenthaltsqualität weiter zu verbessern.
Weil Nessler mehr eigene Nachwuchskräfte ausbilden möchte, bot WFL-Chefin Michaela Bierschwall Skowronnek eine Einbindung in das Netzwerk „Praktikum im Hansebelt“ an, bei dem sein Unternehmen an Schulen für Schülerpraktika und eine spätere Ausbildung werben kann. Lars Schöning lobte die Innovationskraft und Loyalität zum Standort der Nessler GmbH. „Wenn Unternehmer vor Ort Verantwortung übernehmen, sollten Politik und Verwaltung ihnen Freiheiten lassen“, sagte er. Zugleich will er Skowronneks Forderung, leerstehende Ladengeschäfte aus Gründen der Nachhaltigkeit zu modernisieren und zu erhalten, in den IHK-Einzelhandelsausschuss einbringen. In Gewerbegebieten erfolge bereits häufig eine Betrachtung der Nachnutzung unter Nachhaltigkeitsaspekten. In Ortszentren könne das ebenfalls zur Belebung beitragen, betonte der Hauptgeschäftsführer.
Beeindruckt waren die Besucher auch von den Innovationen der Stühff Maschinen- und Anlagenbau und der aus ihr gegründeten AMSTOG GmbH. Das Unternehmen blickt auf eine mehr als 150-jährige Tradition zurück. Mit der Übernahme der damaligen Kupferschmiede in Hamburg 2001 und dem Umzug nach Geesthacht trieb Geschäftsführer Holger H. Stühff den Innovationskurs voran. Das Unternehmen entwickelt und fertigt Apparate, Behälter, Rohrleitungen und Sonderanfertigungen für die Industrie und ist auf die Arbeit mit Edelstahl, Titan, Nickel, Kupfer und Aluminium, aber auch Kunststoffen spezialisiert. Auch in der Entwicklung der Wasserstofftechnologie und ihrer Anwendung engagiert sich das Unternehmen, häufig in Kooperation mit dem Helmholtz-Zentrum Hereon in Geesthacht. Für ein internationales Projekt habe Stühff ein eigenes Speichermodul entwickelt und zum Patent angemeldet, sagte der Geschäftsführer.
Ein neues, innovatives Geschäftsfeld erschloss Stühff, als das Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration in Berlin eine bestimmte Legierung benötigte. „Ich habe eine Lösung gefunden und die Anlage gemeinsam mit Fraunhofer entwickelt und gebaut“, erzählt er. Aufgrund der unterschiedlichen Werkstoffe und Verfahren gründete Stühff die AMSTOG GmbH, die unter anderem auf kombinierte Salzbadbehandlungsprozesse für Glasbauteile spezialisiert ist. „Wir ermöglichen es, auf die hochgiftige Flusssäure zu verzichten“, sagt AMSTOG-Geschäftsführer Stefan Emde. „Unsere Verfahren für Optik, Fluidik oder die Multifunktionale Mikrosystematik gewährleisten eine hohe Bauteilqualität und -zuverlässigkeit sowie definierter Prozessstopp ohne Nachätzen.“
Stühff und Emde seien mit dem Standort zufrieden, allerdings vermisse Emde Unternehmen mit ähnlichen Schwerpunkten in den Bereichen Salzbehandlung oder auch Optik, mit denen AMSTOG sich vernetzen und austauschen könne. Lars Schöning sagte zu, Kontakte zu Unternehmen in der Region herzustellen. Zugleich lobte er die Leistung von Stühff und Emde: „Sie leisten hier echte Pionierarbeit auf einem wichtigen Gebiet für alltägliche Anwendungen. Bei Ihnen spüren wir nichts davon, dass es deutschen Unternehmen an Innovationswillen und -fähigkeit fehle.“
Echten Erfindergeist gibt es auch in der Hitzler Werft in Lauenburg. Seit der Übernahme des Traditionsunternehmens vor rund dreieinhalb Jahren setzen die neuen Geschäftsführer Marek und Kai Klimenko verstärkt auf innovative Antriebstechniken für Schiffe. Aktuell baut das Unternehmen das Forschungsschiff „Coriolis“ für das Helmholtz-Zentrum Hereon. Die Elektromotoren an Bord beziehen den Strom wahlweise aus Generatoren, der Batterie oder Batterie und Brennstoffzelle. „Hier, am südlichsten Punkt Schleswig-Holsteins, tragen wir zur hohen Wirtschaftskraft bei. Das ist der Politik nicht immer bewusst“, sagte Kai Klimenko. Ein Beleg seien die Planungen zum Bau einer neuen Elbquerung. Diese könnte über das Werftgelände laufen. Lars Schöning und Michaela Bierschwall sagten zu, Politik und Verwaltung im Interesse der Wirtschaft zu beraten.
Sorgen bereite dem Unternehmen auch der Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals. Ohne die im vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplan festgelegte Erweiterung der Schleusen würde der Kanal bedeutungslos und könnte keinen Beitrag zur Verkehrswende leisten. Einer Renaturierung der Wasserstraße und ausschließlich touristischen Nutzung erteilen die Klimenkos eine klare Absage. „Wir benötigen eine gesamtdeutsche Planung für Binnenwasserstraßen und geschlossene Verbindungsmöglichkeiten von der Ostsee bis zum Mittelmeer. Leider endet die Nord-Süd-Achse schon in Lauenburg“, beklagte Marek Klimenko.
Dem stimmte Lars Schöning zu: Trotz aller Bekundungen spiele das Binnenschiff bei der Verkehrswende und beim Klimawandel nur eine untergeordnete Rolle. Im Fall des Elbe-Lübeck-Kanals sei das ärgerlich, weil dieser ein bedeutender Bestandteil des zentraleuropäischen Nord-Süd-Verkehrskorridors sei. Daher werde die IHK weiterhin im Dialog mit der Politik für den Ausbau werben.