Lübeck (pm). Der Hansebelt will der Zukunftsmotor in Nordeuropa werden. Um dieses Ziel zu erreichen, muss die Region attraktiv für Arbeitskräfte sein. Aber wo sollen die Arbeitskräfte herkommen? Und wie können Unternehmen sie dauerhaft binden? Diesen Fragen ging das Moderatorenduo Professor Dr. Thomas Straubhaar, ehemaliger Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI) und renommierte Wirtschaftsexperte, sowie Professor Dr. Arno Probst, Berater bei Deloitte und ehrenamtlich engagiert bei der IHK zu Lübeck, im Talk „HanseBelt Summer Lunch meets IHK-Fokus Wirtschaft“ zum Thema „Frohes Schaffen – (K)ein Fachkräftemangel im Hansebelt“ nach. Die IHK zu Lübeck und der HanseBelt e.V. hatten die gemeinsame Veranstaltung als Wirtschaftsdiskussion auf der Travemünder Woche organisiert. Mehr als 100 Vertreterinnen und Vertreter der Unternehmen waren der Einladung in das Zelt der Lübecker Nachrichten gefolgt.
Straubhaar stellte heraus, dass eine für Arbeitskräfte attraktive Region künftig im internationalen Wettbewerb die Nase vorn haben werde. Der Fachkräftemangel sei zwar allgegenwärtig, es gebe aber noch Potenziale: Frauen, Ältere und Menschen mit Migrationshintergrund. Eine weitere wichtige Zielgruppe seien die Jüngeren, die eine Berufsausbildung oder ein Studium absolvieren. Professor Dr. Christian Scheiner, Leiter des Instituts für Entrepreneurship an der Universität zu Lübeck, hat große Erwartungen in diese Generation: „Viele Studenten sind reifer als ich es war, sie sind motiviert, neugierig und sie wissen, wo sie sich entfalten wollen. Häufig haben sie seit ihrer Kindheit einen Plan und klare Ideen davon, welche Bedingungen sie bei der Arbeit vorfinden wollen.“
Genau hier sollten Schulen und Betriebe ansetzen, sagte Martina Weger, Leiterin der Hanse-Schule in Lübeck. „Jungen Menschen Fachlichkeit zu vermitteln, ist der Standard. Sie benötigen aber auch Werte sowie soziale, digitale und internationale Kompetenzen.“ Auf der einen Seite sollten die jungen Leute neugierig darauf sein, Neues kennenzulernen, auch in Grenzbereichen. Andererseits sollten Unternehmen veränderungsbereit sein und den Mut haben, dem Nachwuchs in der Ausbildung und beim Berufsstart Verantwortung zu übertragen. „Jüngere wollen Sinnhaftigkeit erkennen und Aufgaben übernehmen dürfen“, sagte sie. Das trage entscheidend zur Motivation und zur Bindung an den Arbeitgeber bei.
Eine wichtige Erkenntnis brachte Rocky Wüst, Executive Board Member der Lübecker H. & J. Brüggen KG, ein: Es gehe bei der Personalauswahl heute nicht mehr allein um fachliche Kriterien. Bewerber könnten auch Ecken und Kanten haben. Wichtig sei, dass sie Lust auf den Job sowie eine positive Einstellung zum Beruf hätten und sich motivieren ließen. Das gelte für alle Bereiche, denn Wüst betonte, auf dem Fachkräftemarkt gebe es immer wieder Bewegung, aber der Mangel an Arbeitskräften insgesamt verschärfe sich immer mehr. „Aufgabe des Unternehmens ist, sich darüber klar zu werden, welche Angebote es für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter habe, was es will und wie es die jungen Leute erreiche“, sagte der Personalverantwortliche des Lübecker Traditionsunternehmens. „Die Arbeit nach Innen ist daher genauso wichtig wie nach außen: Anstatt wir früher nur auf Fachlichkeit von Bewerbern zu achten, sollte der Arbeitgeber es neuen Beschäftigte ermöglichen, Innen etwas vorzufinden, das sie aufgrund der Ausschreibung erwartet haben. Dann sind sie leistungsbereit.“
Die drei Talkgäste waren sich einig, künftig mehr in Bildung investieren zu müssen. Das sei erforderlich, weil „das Wissen exponentiell gewachsen ist. In vielen Bereich so stak, dass es hochkomplex ist“, betonte Scheiner. „Ein einfaches Weltbild gibt es nicht mehr. Wir müssen die Menschen befähigen, die Komplexität zu verstehen und mit ihr umzugehen.“ Scheiner: „Ich finde es gut, dass es diese Komplexität gibt.“
Moderator Probst stellte heraus, dass Hotel- und Gastronomiebetriebe bereits im Ausland Personal akquirieren, und fragte, wie wichtig Zuwanderung sei. Bei Brüggen sind bereits Menschen aus 40 Nationen beschäftigt, sagte Wüst. „Wir erhalten immer wieder Bewerbungen von fachlich geeigneten Frauen und Männern. Häufig ist die Sprache aber eine Barriere.“ Künftig werde die Zuwanderung aber noch wichtiger für den Arbeitsmarkt werden, daher wolle Brüggen ein eigenes Konzept entwickeln. Martina Weger ergänzte, dass die Sprache der entscheidende Schlüssel für den Zugang zum Arbeitsmarkt sei. Diese gelte es ebenso zu fördern wie die Bildung vom Kleinkindalte bis zum Beruf.
Die HanseBelt-Vorsitzende Dr. Astrid Bednarski war zufrieden mit der Diskussion. „Unser Verein ist mit dem Ziel angetreten, gemeinsam für den Arbeitsmarkt zu werben. Der Talk hat bestätigt, dass wir in vielen Dingen schon sehr weit sind. Aber wir wissen jetzt auch, an welchen großen und kleinen Schrauben wir noch etwas bewegen können.“ Lars Schöning, Hauptgeschäftsführer der IHK zu Lübeck, schloss sich an: „Wir haben viele neue Erkenntnisse für unsere Arbeit gewonnen und werden dieses wichtige Standortthema weiter voranbringen“, sagte er.