Ratzeburg (pm). Einer ungewöhnlichen Aufgabe musste sich vergangene Woche die 10d der Gemeinschaftsschule Lauenburgischen Seen stellen. Die Schülerinnen und Schüler waren zusammen mit ihrer Lehrerin Telse Frahm im Ratzeburger Rathaus mit Bürgermeister Eckhard Graf, Günter Schmidt und Ute Steffen von der Herzogtum Lauenburg Marketing und Service GmbH (HLMS) und Gerhild Kutschale von der Ratzeburger Tourist-Info verabredet, um in Sachen Barrierefreiheit touristische Detektivarbeit zu leisten. Ihnen wurde die Aufgabe gestellt, einen möglichst barrierefreien, touristisch attraktiven Spazierweg für einen fiktiven Gast zu finden, der eine Behinderung hat und keine weiten Wege schafft.
Vorbereitet hatte diesen Aktionstag die Behindertenrechtsaktivistin Martina Radtke im Rahmen des Projektes „Demokratie inklusiv“. Sie hatte entsprechende Hilfsmittel, wie Rollstühle, Rollatoren oder Seheinschränkungsbrillen organisiert, um den teilnehmenden Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit zu geben, sich selbst in die Rolle ihres fiktiven Gastes zu begeben und eigene Erfahrungen zu sammeln. Bei der Einführung im Ratssaal des Ratzeburger Rathauses, an der auch Schulleiter Marc Karbowski teilnahm, wurde erst einmal abgestimmt, was dieser Gast unbedingt in Ratzeburg sehen sollte. Der Dom, das Wasser und die schöne Landschaft, die Petri-Kirche, eines der Museen wurden von den Schülern auf die Vorschlagsliste gesetzt.
Ausgestattet mit ausgearbeiteten Protokollbögen und Zollstöcken begaben sich vier Gruppen danach auf unterschiedlichen Wegen auf Erkundung. Schnell zeigte sich, dass nicht jeder Weg barrierefrei zum gewünschten Ziel führte und man die angedachten Routen immer wieder ändern musste. Auch die Längen der Strecken wurde deutlich unterschätzt. Den Schülerinnen und Schüler fiel hier durch eigene Beobachtungen immer wieder auf, wie langsam und mühsam sich ältere Menschen mit Rollatoren durch die Stadt bewegen. Es ergaben sich sogar einige Gespräche mit Betroffenen, die sehr bereitwillig über ihre Erfahrungen in Ratzeburg sprachen.
Auch die Aufgabe, beim Rundgang noch einen Platz für eine gastronomische Pause zu finden, erwies sich schwieriger als gedacht. Nicht jedes Café erwies sich als barrierefrei. Und die Frage, wo eine behindertengerechte Toilette zu finden ist, konnte nicht immer auf Anhieb beantwortet werden. Die Beschilderungen im Stadtgebiet ist hier nicht eindeutig und für die Nutzer von Rollatoren gibt es oft keine öffentlich zugänglichen WCs. Alles wurde sorgsam dokumentiert, vorhandene Barrieren ausgemessen und daraus Vorschläge für ansprechende und machbare Rundgänge entwickelt.
In einer abschließenden Auswertung im Ratssaal wurden einige dieser empfehlenswerten Strecken vorgestellt und über die gemachten Erfahrungen diskutiert. Die Anregungen wurden von Gerhild Kutschale dankend aufgenommen. Sie sollen einfließen in den Aufbau eines Angebotes für barrierearme Stadterkundungen. Martina Radtke zeigte sich vom Einsatz der Schülerinnen und Schüler begeistert. „Die 10d der Gemeinschaftsschule mit ihrer Lehrerin Telse Frahm unterstützt bereits zum zweiten Mal die Umsetzung des ‚Aktionsplans Inklusion‘ der Stadt Ratzeburg durch ihre aktive Mitarbeit. Die jungen Menschen haben sich sehr engagiert mit den Fragen rund um Barrierefreiheit auseinandergesetzt und eigene konstruktive Ideen entwickelt“, sagte Martina Radtke.
Die Aktion wurde unterstützt durch die ‚Partnerschaft für Demokratie‘ der Stadt Ratzeburg und des Amtes Lauenburgische Seen im Rahmen des Bundesprogramms ‚Demokratie leben!‘.