Berlin (pm). Gesetzlich versicherte Patienten, bei denen ein hohes Risko für einen metastasierten Prostatakrebs festgestellt wurde, können eine hochsensitive Ausbreitungsdiagnostik in Anspruch nehmen. Das hat der Gemeinsame Bundesausschuss G-BA im vergangenen Jahr beschlossen. Mit dem als PSMA-PET/CT bezeichneten Verfahren können auch kleinste Tumorabsiedlungen im Körper aufgespürt werden. Die Untersuchung habe somit wesentlichen Einfluss auf wichtige Therapieentscheidungen, erklärt der Berufsverband Deutscher Nuklearmediziner e.V. (BDN). Sie mehr Patienten mit Prostatakrebs anbieten zu können, sei ein großer Fortschritt in der Behandlung dieses häufigen Tumors. Die PSMA-PET/CT kann allerdings nur im Rahmen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) erfolgen.
Das Prostatakarzinom ist mit mehr als 68.000 neu diagnostizierten Erkrankungen pro Jahr die häufigste Krebserkrankung bei Männern in Deutschland; trotz verbesserter Behandlungsmöglichkeiten ist es noch immer die dritthäufigste Krebs-Todesursache. Weil der Krebs im Frühstadium nur wenige oder gar keine Beschwerden verursacht, wird er oft erst spät erkannt. „Bei ungefähr jedem dritten Patienten befindet er sich dann schon in einem fortgeschrittenen oder sogar metastasierten Stadium“, sagt Professor Dr. med. Detlef Moka, Vorsitzender des BDN. Auf genau diese Fälle bezieht sich nun die neue Regelung des G-BA – konkret auf Patienten mit einem Gleason Score von 8 bis 10, einem T-Staging von T3 oder T4 oder einem PSA-Wert im Blutserum oberhalb von 20 ng/ml. Eine solche Tumoreinstufung nimmt der Urologe nach Blutuntersuchung und Biopsie vor.
„Bei diesen Werten ist das Risiko für Metastasen sehr hoch, weshalb den Patienten jetzt gleich zu Beginn eine PSMA-PET/CT-Ausbreitungsdiagnostik zusteht“, erläutert Moka. Patienten, die aufgrund der ersten Untersuchungsergebnisse infrage kommen, müssen dafür allerdings in die ambulante spezialfachärztliche Versorgung (ASV) überwiesen werden. „Nur im Rahmen dieses Versorgungsbereiches, in dem der Patient von interdisziplinären Ärzteteams in Praxen und Kliniken betreut wird, kann die Ausbreitungsdiagnostik per PSMA-PET/CT abgerechnet werden“, erläutert Moka. ASV-Teams stehen in den meisten größeren Städten zur Verfügung. Die ASV-Servicestelle (https://www.asv-servicestelle.de/) bietet unter dem Menüpunkt „Für Patienten“ mit dem „ASV-Verzeichnis“ eine regionale Suchmöglichkeit.
Beim PSMA-PET/CT handelt es sich um ein spezielles Bildgebungsverfahren, das mit einer Kombination von Positronen-Emissions-Tomographie (PET) und Computertomographie (CT) arbeitet und gezielt Zellen sichtbar macht, die das Protein PSMA auf ihrer Oberfläche tragen. Das Kürzel PSMA steht dabei für „Prostata-spezifisches Membran-Antigen“, ein Oberflächenmarker, der auf gesunden Prostatazellen nur in geringen Mengen vorkommt. „Auf Prostata-Krebszellen ist PSMA dagegen in deutlich größeren Mengen vorhanden“, erklärt Moka. Je aggressiver der Tumor wachse und Metastasen bilde, desto höher seien auch die PSMA-Werte. „Der Marker ist daher hervorragend dafür geeignet, Tumorherde sowohl in der Prostata selbst als auch in Lymphknoten oder an anderen Stellen des Körpers ausfindig zu machen.“
Die Untersuchung liefert somit wichtige Erkenntnisse über den Grad der Metastasierung, die dabei helfen, über das weitere therapeutische Vorgehen zu entscheiden. „Finden sich nur einzelne Metastasen, etwa in der Leber oder in den Lymphknoten, dann können diese genau lokalisiert, operativ entfernt und/oder gezielt bestrahlt werden“, sagt Moka. Hat der Krebs dagegen bereits weit gestreut und viele Absiedlungen in unterschiedlichen Organen gebildet, kann er so nicht mehr alleinig therapiert werden. „Dann wird versucht, ihn medikamentös zurückzudrängen“, erläutert der BDN-Vorsitzende. Hierfür stehe eine Reihe gut wirksamer Medikamente zur Verfügung.
Die Spezifität des PSMA kann auch für die Therapie des Prostatakarzinoms genutzt werden. Als neue therapeutische Option hat sich in den vergangenen Jahren die Behandlung mit einem Lutetium-177-markierten PSMA-Liganden etabliert – einem Protein, das sich fest mit dem PSMA auf der Zelloberfläche verbindet und mit ihm gemeinsam in das Zellinnere aufgenommen wird. Zweiter Bestandteil des Wirkstoffs ist die radioaktive Substanz Lutetium-177, die zuvor an den PSMA-Liganden gekoppelte wurde, mit ihm in die Tumorzellen gelangt und diese von innen zerstört. „Mit dieser sogenannten Radioligandentherapie steht uns eine hochsensitive, zielgerichtete und nebenwirkungsarme Behandlung zur Verfügung, mit der sich auch bei fortgeschrittenen Prostatakarzinomen noch ein Gewinn an Überlebenszeit erzielen lässt“, sagt Moka.
Trotz der Beschränkung auf die ASV sei es sehr zu begrüßen, dass die PSMA-PET/CT nun einer deutlich größeren Zahl von Patienten zur Verfügung steht. „Das ist ein großer Erfolg im Kampf gegen den Prostatakrebs“, betont Moka. Es sei ein wichtiger Schritt hin zu einer individualisierten, effektiven Krebstherapie, die auch bei höheren Tumorstadien noch die Möglichkeit einer Heilung eröffne.