Berkenthin (pm). Wenige Tage, nachdem die Graffiti-Schmierereien in seinem Heimatdorf aufgetaucht sind, ist Bürgermeister Friedrich Thorn immer noch sichtlich aufgebracht. „So geht man doch in einem Dorf nicht miteinander um“, sagt Thorn und schaut entsetzt auf den besprühten Verteilerkasten in der Nähe seines Wohnhauses. „Süstemhure“ und „Backpfeife“ steht dort geschrieben, unter dem Buchstabenkürzel „BWI/FT“. An mindestens vier Stellen im Dorf sind diese Schmähungen gegen die BWI an Verteilerkästen der Telekom oder Abwasserzweckverband gesprüht worden.
BWI ist die Abkürzung der Berkenthiner Wähler-Initiative, die seit über 40 Jahren aktiv Kommunalpolitik in Berkenthin betreibt. „So etwas habe ich all den Jahren aber noch nicht erlebt“, sagt Thorn, der zu den Gründungsmitgliedern der BWI zählt. Er ist sich sicher, dass mit dem Buchstabenkürzel „FT“ sein Name gemeint ist, Friedrich Thorn. 2023 wurde er als ehrenamtlicher Bürgermeister wiedergewählt und ist auch Vorsitzender des Stecknitz-Schulverbandes.
Die Stimmung in Berkenthin ist seit einigen Wochen aufgebracht, seitdem sich die Berkenthiner Wähler-Initiative und Friedrich Thorn mit einer Pressemitteilung an die Lübecker Nachrichten gewandt hatten, um vor einer Unterwanderung der aktuellen Mittelstands-Proteste durch Querdenker und Kräfte vom rechten Rand zu warnen. Kurz nach der Veröffentlichung war in der einschlägigen WhatsApp-Gruppe „Kreuz-Gruppe RZ“ zu einer „Mahnwache“ in Berkenthin aufgerufen worden. „Tatsächlich kamen rund 30 Personen mit Fahrzeugen und Transparenten nach Berkenthin, um gegen die aktuelle Bundesregierung zu protestieren“, schildert Ute Hess, ebenfalls Mitglied in der BWI und 2. stellvertretende Bürgermeisterin.
Auch sie ist entsetzt von diesen Schmierereien, ebenso wie der BWI-Fraktionsvorsitzende Jochen Backhaus. „Natürlich dürfen Menschen in unserem Land demonstrieren, das ist ein hohes Gut.“, sagt Backhaus. „Aber wenn Kommunalpolitiker direkt mit Ohrfeigen bedroht werden, ist aus meiner Sicht eine Grenze überschritten.“
Auf die Inhalte der Schmierereien angesprochen, sagt Thorn: „Die Bezeichnung als „Süstemhure“ ist – einschließlich orthographischer Fehlerhaftigkeit – vermutlich nicht zufällig gewählt: In den einschlägigen Publikationen des rechten Randes werden die demokratisch gewählten Staatsorgane schon seit Goebbels als System beziehungsweise Systemparteien bezeichnet.
Wir engagieren uns hier auf lokaler Ebene aus Überzeugung für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung, weil wir sie für das beste System halten, das wir je in Deutschland hatten. Diese Arbeit hat NICHTS damit zu tun, ob jemand die Arbeit der aktuellen Bundesregierung gut oder schlecht findet.“ Gleichzeitig bereitet ihm die aufgeheizte Stimmung Sorge. „Natürlich geht so etwas nicht spurlos an einem vorüber“, sagt Thorn. Die BWI sorge sich darum, dass es unter solchen Vorzeichen immer schwieriger wird, engagierte Menschen für die Lokalpolitik zu gewinnen. Die BWI appelliert an die Verantwortlichen der aktuellen Proteste, dort mäßigend einzuwirken. „Wer anonym Drohungen und Beleidigungen auf Stromkästen schmiert, sollte keinen Applaus bekommen, sondern zur Verantwortung gezogen werden“.
Die Gemeindevertretung Berkenthin verurteilt geschlossen die politischen Schmierereien im Dorf. „Wir sind absolut solidarisch mit unseren Kolleginnen und Kollegen von der BWI und appellieren an alle demokratischen Kräfte, diese Form der Agitation zu verurteilen“, sagt der SPD-Fraktionsvorsitzende Volker Peters. „Wir sind für die Unterstützung durch die SPD dankbar – das ist ein Zeichen, wie gelebte Demokratie funktioniert. Man kann politisch unterschiedlicher Meinung sein und trotzdem gemeinsam für ein lebenswertes Dorf arbeiten“, freut sich Jochen Backhaus, der Fraktionsvorsitzende der BWI in der Gemeindevertretung. Auch Bürgermeister Friedrich Thorn (BWI) dankt den SPD-Gemeindevertretern: „Wir arbeiten seit vielen Jahren gut zusammen und haben gemeinsam viel für die Gemeinde bewegt – ich freue mich sehr über die Unterstützung aus beiden Fraktionen.“ Thorn dankte auch dem Pastor der Kirchengemeinde Berkenthin, Jaan Thießen, der in seiner sonntäglichen Predigt die Schmierereien ebenfalls verurteilt hatte – die Predigt ist unter folgendem Link abrufbar: https://www.podcast.de/episode/621550005/250224-gift-im-system-4mose-21-4-9 Quelle: Gemeinde Berkenthin/Kirchengemeinde Berkenthin