Nusse (pm). Morgens um 5.15 Uhr klingelt bei Maik Fleischer der Wecker. Dann schaut er in seinen Posteingang um zu sehen, ob in der Kita Forstscheune alle Fachkräfte zur Verfügung stehen. Gibt es mehrere Ausfälle unter den 16 Fachkräften, wird es schwierig. Die personelle Ausstattung der Kindertagesstätten in Schleswig-Holstein ist so knapp berechnet und hat so starre Anforderungen auf der anderen Seite, dass Fleischer nicht umhin kommt, bei zu vielen Krankheitsfällen unter dem Personal die Betreuung der Kinder einzuschränken. Möglichst vor sechs Uhr werden die Eltern benachrichtigt, ob und welche Gruppen betroffen sind. Dafür hat die Kita extra eine App eingerichtet. „Der Personalschlüssel passt einfach nicht zu den Krankheitstagen“, kritisiert Fleischer. „Herr Fleischer und das Personal geben wirklich alles. Aber ich traue mich morgens kaum, auf das Handy zu blicken“, berichtet eine Mutter. Es sei oft nicht möglich, für die Betreuung ihrer zweijährigen Tochter so schnell Alternativen zu finden. Und selbst der flexibelste Arbeitgeber werde irgendwann unruhig, wenn Mitarbeiter nicht zuverlässig zur Verfügung stehen.
Das sind nur zwei Stimmen von Menschen, die aus unterschiedlichen Perspektiven unter der derzeitigen Lage der Kitas im Land zu leiden haben. Hetty Heger, ebenfalls eine betroffene Mutter, hatte Eltern, Fachkräfte und Träger-Vertretungen nach Nusse eingeladen, um dort mit dem SPD-Landtagsabgeordneten Martin Habersaat über die aktuellen Schwierigkeiten zu sprechen. „Die Qualität ist nicht besser geworden, im Gegenteil. Ausflüge und Aktionen fallen aus, weil Überstunden nicht mehr ausgeglichen werden können. Und der Stress in den Einrichtungen überträgt sich auf unsere Kinder“, kritisiert sie. Martin Habersaat erklärt: „Grundlage für den Personalschlüssel und viele weitere Ausstattungsfragen ist das sogenannte SQKM – das Standartqualitätskostenmodell. Mit diesem hat die Landesregierung Mindeststandards definiert. Und weil diese knapp bemessen sind und in der Regel unterhalb der vorherigen Regelungen liegen, kneift es überall.“ Weil im SQKM keine Mittel für Hilfskräfte vorgesehen sind, erledigen beispielsweise in vielen Einrichtungen Erziehern Aufgaben wie Essensvorbereitung und Abwasch. Das verstärkt den Stress und nimmt Zeit für die pädagogische Arbeit. „Helfende Hände“ hat Sozialministerin Touré zwar durchaus vorgesehen – aber nur für Einrichtungen, denen es an pädagogischen Fachkräften fehlt. „Ihr wollt immer mehr“, sei oft der Eindruck in der Kommunalpolitik, klagt eine Einrichtungsleiterin. Dabei gehe es nur darum, Standards aus der Zeit vor dem neuen Kita-Gesetz zu halten.
Was sich aus der Runde in Nusse ergab – Frust bei Eltern, Erzieherinnen, Einrichtungsträgern und der Kommunalpolitik, ist auch das Ergebnis der Evaluation, die Sozialministerin Aminata Touré in Kiel vorgestellt hat. Dem System fehlen rund 100 Millionen Euro und Fachkräfte. Deshalb fürchten viele, dass -wie bei den Horten- Gruppengrößen oder Elternbeiträge erhöht werden könnten.