Geesthacht (pm). „Ich mag einfach Menschen. Es ist mir darum in all den Jahren auch nie langweilig geworden, mich mit Kindern und ihren Familien zu beschäftigen, sie in ihrem Alltag zu begleiten und zu unterstützen“, sagt Martina Koos. Seit 40 Jahren arbeitet sie in der städtischen Kindertageseinrichtung am Neuen Krug – und in dieser Zeit entwickelt sich nicht nur ihre Position von der Erzieherin in einer Halbtagsgruppe zur Einrichtungsleiterin, sondern die gesamte Ausrichtung des Hauses: Vom Kindergarten zum Familienzentrum Regenbogen.
„Es hat sich über die Jahre so viel geändert: Familien organisieren sich heute anders, die pädagogischen Ansätze haben sich verändert und auch der Arbeitsmarkt. Als ich 1984 in den Beruf eingestiegen bin, waren zum Beispiel Erzieherinnen und Erzieher noch arbeitslos – heute ist das undenkbar. Jetzt werden dringend zusätzliche Kita-Plätze benötigt und damit auch Erzieherinnen und Erzieher gesucht“, verdeutlicht Martina Koos, welchen Wandel der Bereich Kita in den vergangenen Jahrzehnten durchlaufen hat.
Am 1. Februar 1984 begann Martina Koos wenige Tage vor ihrem 21. Geburtstag als Erzieherin einer Nachmittagsgruppe am heutigen Familienzentrum ihren Dienst. Gerade einmal vier Gruppen wurden damals am Neuen Krug betreut – heute spielen und lernen dort rund 200 Kinder. „Die Betreuungszeiten und die Mischung der Gruppen waren ganz anders. Ganztagskinder waren absolut in der Minderheit und wir hatten damals noch klassische Halbtagsgruppen. Ich arbeitete von 14.30 Uhr bis 19 Uhr in einer reinen Nachmittagsgruppe – auch das gab es damals. Und die Kinder wurden in altersgleichen Gruppen betreut. Das heißt, wir hatten eine Gruppe für Dreijährige, eine für Vier- bis Fünfjährige, eine für Vorschulkinder und eine für Hortkinder. Unser Kinderrestaurant gab es noch nicht, gegessen wurde also in den Gruppenräumen“, erinnert sich Martina Koos. „Aber vor Ort gekocht wurde schon immer – einmal im Monat gab es Labskaus und jeden Freitag Suppe“, nennt sie mit der eigenen Küche eine der wenigen Konstanten im Kita-Betrieb der vergangenen Jahrzehnte. „Das System der Kinderbetreuung hat sich grundlegend verändert“, betont Martina Koos und Michael Iburg, der ständige Stellvertreter des Familienzentrums, ergänzt: „Du hast einen großen Anteil daran, dass unser Familienzentrum so modern ist, wie wir es heute kennen.“
Denn nach einigen Jahren, in denen sich Martina Koos ausschließlich der Arbeit in den Gruppen gewidmet hatte, wurde sie 1998 erst stellvertretende Leitung und 2005 dann Leiterin – zuerst als Doppelspitze gemeinsam mit Elke Raasch. Seit ihrer Zeit in der Leitungsebene hat sich das heutige Familienzentrum in mehrfacher Hinsicht neu erfunden. Altersgleiche Gruppen gibt es beispielsweise nicht mehr, ein so genanntes „halb offenes System“ wurde eingeführt, bei dem jedes Kind einer Gruppe angehört und dennoch projektbezogen den eigenen Neigungen folgend Aktivitäten wählen kann. „Die Kinder haben so immer Bezugserziehende und dadurch feste Anker im Alltag. Zeitgleich haben sie aber die Möglichkeit, sich frei zu entwickeln“, erklärt Martina Koos die Vorteile des Systemwechsels. „Diese Struktur hat viel mehr mit der echten Lebenswirklichkeit der Familien zu tun. Kleinere Kinder lernen durch die altersgemischten Gruppen von größeren und die Größeren helfen den Kleineren.“ Zudem gehören Gruppen, in denen alle Kinder zeitgleich zur Toilette geschickt oder ein Bild zu einem bestimmten Thema malen sollen, der Vergangenheit an. „Früher war das die gängige Pädagogik, die in vielen Kitas so auch praktiziert wurde. Heute steht das Kind als Individuum viel stärker im Mittelpunkt. Die Kinder sollen sich frei entwickeln, ihre Neigungen ausleben und bei der Gestaltung ihres Kita-Alltags mitbestimmen können“, betont Martina Koos.
Auf die Frage, warum sie 40 Jahre lang in der gleichen Einrichtung geblieben ist, hält sie kurz inne, dann breitet sich ein überzeugtes Lächeln über ihr Gesicht aus: „Ich bin über all die Jahre immer sehr gerne hier gewesen. Ich genieße die Verlässlichkeit und auch die Neutralität meines kommunalen Arbeitgebers. Das Familienzentrum ist ein tolles und vor allem ein dynamisches Haus ist. Ich habe an unterschiedlichen Stellen innerhalb dieser Einrichtung gearbeitet und alle hielten ihre Herausforderungen bereit, an denen ich mich weiterentwickeln konnte.“ Jede neue Aufgabe habe auch neue Inhalte und Schwerpunkte für Martina Koos bedeutet. Einige Beispiele: Sie habe sich fortwährend mit moderner Pädagogik auseinandergesetzt, über die Jahre hielt auch im Familienzentrum immer mehr die Digitalisierung Einzug und je weiter Martina Koos in Richtung Leitungsebene zog, umso größer wurde unter anderem auch der Anteil von Verwaltungs-, Organisations- und Mitarbeiterführungsaufgaben. „Bei jeder Veränderung, ob nun hinsichtlich der pädagogischen Arbeit in den Gruppen oder auch im Programmbereich des Familienzentrums, muss ich die Mitarbeitenden mitnehmen“, nennt Martina Koos einen ihrer Grundsätze im Miteinander mit dem Kollegium, der offenbar aufgeht. Denn Christoph Wieck, Leiter des Fachbereichs Bildung und Soziales des Geesthachter Rathauses, betont: „In den vergangenen Jahren habe ich Frau Koos als hochmotivierte, verbindliche und verlässliche Kollegin und Führungskraft erlebt. Mit ihrem Herzblut hat sie die Einrichtung geprägt und zu dem gemacht, was heutzutage als moderne Kindertageseinrichtung angesehen wird.“ Und Michael Iburg hebt hervor: „Frau Koos verfügt über einen äußerst positiven und wertschätzenden Führungsstil. Und ihre pädagogische Haltung ist von den besten Pädagoginnen und Pädagogen geprägt worden. Das merkt man der Einrichtung und dem guten Ruf des Hauses an.“
Und diesen „guten Ruf des Hauses“ hören inzwischen nicht nur Eltern, deren Kinder in Krippen-, Elementar- und Hortgruppen des Familienzentrums betreut werden. An den offenen Gruppen, Vormittags- und Nachmittagskursen sowie Vorträgen nehmen Familien aus ganz Geesthacht und der Umgebung teil: Junge Eltern treffen sich mit ihren Krabbelkindern im Familienzentrum, Kleinkinder machen dort einmal wöchentlich Yoga oder probieren sich in Tanz- und Singspielen aus. Mütter und Väter erhalten Unterstützung in Erziehungs- und Finanzierungsfragen – und das sind nur einige wenige Beispiele. „Unser Angebot ist so bunt wie das Leben“, sagt Martina Koos, die trotz der wenigen Zeit, die sie inzwischen mit der Kinderbetreuung in den Gruppen verbringt, den Anschluss an die praktische Arbeit nicht verlieren möchte. „Meistens bin ich die Feuerwehr. Wenn es an einer Stelle personell eng wird, springe ich ein. Und ich habe mir immer gesagt, ich mache so lange weiter, bis mir die Lebenswirklichkeit der Familien fremd wird. Ich möchte nicht stehenbleiben, sondern lebenslang lernen. Ich möchte mit den Eltern und Kindern auf Augenhöhe sprechen können – ihre Heldinnen und Helden kennen. Wenn ich nicht mehr verstehe, wie die Familien ticken, ist die Zeit sich zurückzuziehen.“ Noch sei das nicht so weit.