Herzogtum Lauenburg/Lübeck (pm). Brauchen wir „die Kirche“, um zu glauben? Und wie müsste Kirche sein, damit wieder mehr Menschen kommen? Um diese und andere Fragen geht es im neuen Podcast des Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg „Mein Gott, warum Kirche?!“. Zum Abschluss des alten und zum Beginn des neuen Jahres beschäftigen sich Pröpstin Petra Kallies und Propst Philip Graffam darin mit Fragen rund um den Wandel in der Kirche.
„Ich glaube, wir haben ein Imageproblem!“, fasst es Pröpstin Petra Kallies im Gespräch mit Redakteurin Annkathrin Bornholdt zusammen. Seit rund 30 Jahren ist Kallies als Pastorin tätig – und immer wieder erlebt sie, dass es zwischen den Menschen und der Kirche Hemmschwellen gibt. Warum gehen Menschen in Krisen eher zum Psychologen als zur Pastorin oder zum Pastor nebenan? „Ich erlebe, dass Leute sich nicht trauen – weil sie denken, dann werde ich auch noch gefragt, ob wir zusammen ein Vaterunser beten wollen. Dass aber ein Pastor oder eine Pastorin in der Seelsorge ganz anders ausgerichtet ist, das erwarten sie gar nicht.“
Auch dem Zweifel Raum geben
Ihr Amtskollege Philip Graffam sieht die Kirche genau da in der Pflicht: „Kirche ist da gefragt, wo wir nah am Menschen dran sind. Wo wir es schaffen, Lebenssituationen, Kontexte von Menschen wahrzunehmen, ernst zu nehmen und offen draufzuzugehen.“ Auch Begriffe wie „Sünde“ und „Schuld“ riefen bei Menschen bestimmte Bilder hervor. Über diese Begriffe müsse man neu ins Gespräch kommen, sind Kallies und Graffam überzeugt.
Dazu gehöre auch – so der Propst – dass es wieder mehr Raum für den Zweifel geben muss: „Der Zweifel hat genauso viel Platz wie das Annehmen. Das ist auch eine wichtige Erfahrung in meinem spirituellen Leben. Nur so komme ich überhaupt dazu, mir Gedanken zu machen.“ Um eine Kirche zu betreten, müsse man noch lange nicht fest im Glauben stehen.
Gottesdienste müssen vielfältiger werden
Die großen christlichen Kirchen in Deutschland haben mit vielen Herausforderungen zu kämpfen: steigende Kirchenaustrittszahlen, Vertrauensverlust, Umgang mit sexualisierter Gewalt. Nur noch 13 Prozent der Menschen sagen laut der aktuellen Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU), dass sie kirchlich-religiös sind – ihre Religiosität also in enger Verbindung mit der Kirche leben. Nur 23 Prozent der Deutschen sind evangelisch.
„Mein großer Wunsch für die Kirche ist, dass wir mutiger werden. Ich wünsche mir weniger Beharrungskräfte und mehr Mut, Neues auszuprobieren“, sagt Pröpstin Kallies. Sie wünscht sich eine größere Vielfalt beim Thema Gottesdienste: „Diese Vielfalt muss sich aber auch wirklich in der Gestaltung der Gottesdienste zeigen. Es reicht nicht, die alte Form nur mit anderem Inhalt zu füllen. Und auch nicht, einfach nur die Uhrzeit zu verändern.“ Sie könnte sich vorstellen, dass Hamburger Format der „Wohnzimmerkirche“ auch in Lübeck auszuprobieren. Dabei wird die Kirche mit Sesseln und Lampen ausgestattet und man kommt bei Snacks gesellig miteinander ins Gespräch über Gott und die Welt.
Der klassische Sonntagsgottesdienst ist nicht mehr so gut besucht wie früher. Auch das zeigt die KMU. Ein Thema, dass die Pröpstin sehr beschäftigt: „Das ist ein heißes Eisen, aber ich würde es ganz klar sagen: Einen Gottesdienst in der Stadt, in dem weniger als 15 Leute sind – können wir lassen. Macht den Gottesdienst mit anderen zusammen. Gestaltet ihn gemeinsam. Oder besuche lieber die zehn Leute, für die du damit vielleicht viel mehr tun kannst.“
„What would Jesus do?“
Was würde Jesus machen? Auch das ist eine Frage, die es sich in Zeiten des Wandels zu stellen lohnt. „Ich finde die Frage immer gut ‚What would Jesus do?‘ Wir können daraus lernen, dass er nicht in der Synagoge gewartet hat, bis jemand mit einer Frage kommt, sondern dass er rausgegangen ist und Leute konfrontiert hat. Ihnen auch Fragen gestellt hat, die sie bis dahin eigentlich gar nicht hatten. Und er hat an vielen Stellen auch bewusst auf Provokation gesetzt.“ Auf diese Weise, mit Menschen ins Gespräch zu kommen, davon könnten wir auch heute noch viel lernen, ist Kallies überzeugt.
Christliches Menschenbild in der Gesellschaft
Eine wichtige Aufgabe der Kirche sehen Graffam und Kallies darin, das christliche Menschenbild in der Gesellschaft noch stärker wirken zu lassen. „Mein Wert hängt nicht davon ab, wie leistungsfähig ich bin. Ob du nun die Super-Power-Woman bist oder jemand, der sagt: Ich bin froh, wenn ich meinen Tag irgendwie schaffe – das ist vor Gott vollkommen gleich. Du bist nicht mehr oder weniger wert. Davon zu erzählen, das ist eine der Kernaufgaben“, so Pröpstin Petra Kallies und auch Philip Graffam ist diese Botschaft besonders wichtig. „Das Signal zu geben: Du bist wer. Da ist Liebe und zu dieser Liebe kannst du du sagen. Das kann ich in einem Gottesdienst machen, in einem Podcast oder auch auf Instagram.“
Die ersten beiden Folgen des Podcasts „Mein Gott, warum Kirche?!“ erscheinen am 25. Dezember 2023 und 1. Januar 2024 auf Spotify, bei Apple Podcasts und YouTube. Sie sind außerdem auf der Homepage des Kirchenkreises abrufbar: www.kirche-LL.de