Lübeck (pm). Schleswig-Holstein will Vorreiter für die digitale Transformation in Europa werden. Die technischen Voraussetzungen und Möglichkeiten besitze das Land längst, für einen Erfolg sei allerdings ein Kulturwandel vor allem in der Verwaltung erforderlich. „Wir messen uns nicht mit den Langsamsten, sondern den Besten in Europa. Die digitale Transformation betrifft sämtliche Lebens- und Arbeitsbereiche in der Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung und Zivilgesellschaft. Sie fordert damit auch alle Politikfelder auf, konsequent digital und gleichgerichtet zu handeln“, sagte Dirk Schrödter, Chef der Staatskanzlei und Digitalisierungsminister des Landes Schleswig-Holstein, in der Sitzung der Vollversammlung der IHK zu Lübeck. Das höchste Gremium der IHK unter Vorsitz von Präses Hagen Goldbeck hatte sich mit dem Schwerpunkt Digitalisierung befasst.
Präses Goldbeck betonte, die Digitalität sei in der IHK zu Lübeck bereits seit mindestens 20 Jahren ein Thema. In den Arbeitskreisen ITK & Digitalisierung sowie Künstliche Intelligenz engagierten sich Unternehmerinnen und Unternehmer ehrenamtlich, um diese Bereiche im Hansebelt voranzutreiben. Nils Offer, Vorsitzender des Arbeitskreises Künstliche Intelligenz ergänzte: „Wir sind zwar Vorreiter in Deutschland, aber nicht global. Um im Ostseeraum mitzuhalten, müssen wir aufs Gaspedal drücken.“ Offer forderte zudem mehr Geschwindigkeit vor allem beim Bürokratieabbau. „Alles steht und fällt mit der Regulatorik. Wir sollten zum Beispiel Ausschreibungen digitalisieren. Da müssen wir schneller werden. Das ist wichtiger als Server aufbauen, davon haben wir genug. Nutzen Sie Ihre Gesetzgebungskompetenz im Land, um die Dinge voranzutreiben und nehmen Sie die Kommunen in die Pflicht. Dann kommen wir schnell voran.“
Um sein ehrgeiziges Ziel zu erreichen, hat das Land eine ressortübergreifende Digitalstrategie verabschiedet. Zu ihr gehören unter anderem die digitale Souveränität des Landes, ein konsequentes Handeln nach den Grundgedanken von Open Government, das den Aufbau eines digitalen Ökosystems und damit den Digitalstandort Schleswig-Holstein unterstützt, ein erfolgreiches Innovations- und Wissensmanagement sowie eine umfassende Verwaltungsmodernisierung. „Die Nutzung und der breite Einsatz von neuen Technologien, besonders der Künstlichen Intelligenz, ermöglichen Innovationen für die Landesverwaltung und schaffen Wertschöpfung für die vielen kleinen und mittleren Unternehmen im Land“, sagte Schrödter. Von entscheidender Bedeutung sei die digitale Transformation außerdem für „unsere ambitionierten Ziele, bis 2040 klimaneutrales Industrieland zu sein. Diese funktionieren nur mithilfe digitaler Prozesse. Unsere Green-IT-Strategie hat innerhalb der Digitalstrategie als eigenes Cluster eine besondere Relevanz. Wir setzen uns für den energieeffizienten, ressourcenschonenden Betrieb von Hard- und Software ein und unterstützen damit die Ziele der Klimawende.“
Daraus ergeben sich auch große Chancen für die Wirtschaft. In der digitalen Souveränität lägen riesige Chancen für die Industrie. Standort- und industriepolitisch gedacht, stärken wir unseren Digitalstandort und generieren Wertschöpfung, wenn wir die in der Verwaltung vorhandenen Daten für Dritte verfügbar machen und die vielen tollen Unternehmen im Land vernetzen“, erläuterte der Minister. Sein Fazit: „Wir brauchen mehr ‚DatenNutz‘ und weniger Datenschutz, einen anderen Umgang mit Daten. Das ist in anderen EU-Staaten mit derselben DSGVO möglich.“
Das sei vor allem erforderlich für die Entwicklungen, vor dem das Land steht. Der Hansebelt werde mit dem Bau und der Eröffnung des Fehmarnbelt-Tunnels in wenigen Jahren zur Boomregion Europas. „Wir müssen dafür sorgen, dass die Wertschöpfung bei uns bleibt, und dafür an ganz vielen Stellschrauben drehen“, sagte Dr. Astrid Bednarski, Vorstandsvorsitzende des HanseBelt e.V. und Mitglied der Vollversammlung. Es gelte nun, gemeinsam daran zu arbeiten, die Region bestmöglich aufstellen, rief sie den Unternehmerinnen und Unternehmern zu.
Dazu gehöre auch ein ausgeweitetes Engagement für die Unternehmensnachfolge. Eine aktuelle Umfrage der IHKs und Handwerkskammern hat ergeben, dass viele Chefinnen und Chefs im Alter von mindestens 55 Jahren die Übergabe ihrer Betriebe noch nicht eingeleitet und größtenteils keinen Nachfolger in der Familie haben. „Die IHK muss hier Hilfestellung leisten, vor allem bei der Abgabe von Unternehmen an Mitarbeiter. Unsere Initiative ‚Mein Unternehmen Zukunft‘ ist bestens dafür geeignet, tiefer in die Thematik einzusteigen und Unternehmern zu helfen“, betonte Vollversammlungsmitglied Dirk Reetz. Past-Präses Friederike C. Kühn ergänzte, dass viele der betroffenen Unternehmen Ausbildungsbetriebe seien. Die IHK müsse daher aufpassen, dass im Falle der Aufgabe von Betrieben die Ausbildung in den kleinen Betrieben nicht wegbreche. Präses Goldbeck kündigte an, dass die IHK im kommenden Jahr ihre Anstrengungen in diesen Bereichen verstärken werde.