Ratzeburg (tbi). Rund 120 Tage ist es her, dass Ottfried Feußner sich im „wirklichen“ Ruhestand befindet. Der ehemalige Stadtpräsident (vormals: „Bürgervorsteher“) hatte bei der Kommunalwahl nicht mehr für die Ratzeburger Stadtvertretung kandidiert. Kommentare zum Zeitgeschehen in der Kreisstadt gibt der CDU-Politiker nicht ab. Das aber könnte sich ändern.
20 Jahre Stadtpräsident / Bürgervorsteher, 25 Jahre in der Stadtvertretung aktiv und vor über 40 Jahren Aufgaben im Sportbereich übernommen – alles ehrenamtlich, versteht sich. Das Ehrenamt gehört zum Selbstverständnis des gebürtigen Hessen aus Marburg, den es durch seinen beruflichen Werdegang bei der Bundespolizei (vormals „Bundesgrenzschutz“) nach Ratzeburg verschlug. Unweit des Polizeigeländes in der Vorstadt hat er mit Ehefrau Ilona ein Haus gefunden, in dem sich beide bis heute wohl und zuhause fühlen. Dort im Keller befindet sich auch das private Archiv des heute 75-jährigen Ruheständlers. Alle Presseartikel, die über seine Tätigkeiten erschienen sind, hat er dort chronologisch abgeheftet. „Insgesamt waren es mit der Übergabe der aktuellen Unterlagen im Büro des Bürgermeisters 3775 Termine“, weiß Feußner. Nicht einen einzigen Fahrkilometer hat er dabei mit der Stadt abgerechnet, auch wenn er darauf Anspruch gehabt hätte. Aber das passt wohl nicht in sein ehrenamtliches Selbstverständnis.
Vorgenommen hatte er sich beim Eintritt in den Ruhestand, das Büro aufzuräumen und Dinge zu entsorgen. Begonnen hat er damit, ist aber längst noch nicht fertigt, gesteht Ottfried Feußner mit einem Lächeln. „Keine Langeweile“ also, obwohl die Anzahl der elektronischen Posteingänge von einstmals um die 300 auf heute rund 30 pro Monat zurückgegangen ist.
Mit viel Humor hat er die Stadt Ratzeburg vertreten. Humor, der gut nachzuvollziehen, aber nie albern war. Humor, gepaart mit einer gehörigen Portion Charme, ebenso wie mit einer natürlichen Autorität, die bei den zahlreichen von ihm geleiteten Sitzungen der Stadtvertretung nicht geschadet hat. Nicht ohne Stolz blickt er auf die Wahlen zurück, die ihn 20 Jahre lang an die Spitze der Stadtvertretung brachten: Jedes Mal wurde Ottfried Feußner einstimmig in das Amt gewählt. Im Rahmen des diesjährigen Neujahrsempfanges der Stadt gab der damals noch amtierende Stadtpräsident bekannt, dass er nicht erneut kandidieren werde. Mit einem kleinen Rückblick auf sein Verständnis von der Amtsführung, von der Ehre, die er immer empfand, der Stadt Ratzeburg zu dienen und die Stadt zu vertreten, wandte er sich an die mehr als 200 Gäste. Diese dankten Feußner mit minutenlangen stehenden Ovationen für sein Engagement über die Jahrzehnte.
Die offiziellen Termine – seien es Besuche in oder von Partnerstädten, hohe Geburtstage oder wiederkehrende Anlässe – hat Feußner mit insgesamt fünf Bürgermeistern abstimmen müssen. Begonnen hat seine Amtszeit mit Bürgermeister Bernd Zukowski, es folgten Michael Ziethen, Rainer Voß, Gunnar Koech und der heute amtierende Bürgermeister Eckhard Graf. 12 Jahre währte das gemeinsame Wirken für die Stadt mit Rainer Voß und so wundert es nicht, dass dessen Name bei unserem Gespräch im Hause Feußner häufiger fällt. „Wir waren nicht immer in allen Detailfragen einer Meinung, aber wir waren uns immer einig, das Beste für die Stadt Ratzeburg mit ihren Bürgerinnen und Bürgern zu wollen“, sagt Ottfried Feußner rückblickend. Die Abstimmung von Terminen und die Arbeitsteilung habe mit Rainer Voß immer gut funktioniert. Jeder hat die jeweiligen Stärken einbringen können. „Wenn es um das Werben für Spenden ging, zum Beispiel für die Fontäne im Kurpark, fielen solche Aufgaben mir zu“, lacht Feußner, „dafür wäre ich besser geeignet“. Auch das eine gemeinsame Jahr mit Eckard Graf (Anmerkung: Graf wurde 2022 erstmalig zum Bürgermeister gewählt) sei ein Jahr des guten und vertrauensvollen Zusammenarbeitens gewesen.
„Der eine oder andere Bürger hat es noch nicht bemerkt, dass ich nicht mehr im Amt bin, sodass es hin und wieder Anrufe mit der Bitte um Hilfestellungen gibt“, weiß Feußner und nimmt auch das mit Humor. Denn eine „Einwohnersprechstunde“ habe er in den vergangenen 20 Jahren nicht gemacht, „weil die Leute sowieso immer bei mir privat angerufen haben“.
In diesen 20 Jahren hat Ottfried Feußner als stärkste Veränderung wahrgenommen, dass sich vermehrt Bürgerinnen und Bürger über einen Mangel an Veranstaltungsangeboten vernehmbar äußern. „Hier ist ja nichts los“, sei eine Aussage, die Ottfried Feußner nicht nachvollziehen möchte. „Meine Antwort: Hier ist genug los, Sie müssen nur daran teilnehmen!“, reagiert Feußner bis heute auf diesen Vorwurf. Es gebe allein im kulturellen Bereich sehr viele Angebote, dabei sei auch die Verbindung der Stadt mit dem Amt Lauenburgische Seen (Amt LS) von großer Bedeutung, was das Miteinander angehe.
Einen kleinen Querschnitt über die Veranstaltungen, die Ottfried Feußner besuchte, zeigt die folgende Galerie:
Früh hat Feußner begonnen, Veranstaltungen des Amtes LS zu besuchen, soweit gewünscht Grußworte der Stadt Ratzeburg zu entrichten und so auch öffentlichkeitswirksam die inhaltliche Nähe von Stadt und den sie umliegenden Gemeinden zum Ausdruck zu bringen. „Wir müssen alle über den Tellerrand hinaussehen; Ratzeburg kann ohne die benachbarten Gemeinden nicht bestehen“, ist er überzeugt. „Es geht auf vielen Ebenen alles ineinander über“, beobachtet Feußner wohlwollend und nennt als Beispiele die Ausstellungsreihe „Dörfer zeigen Kunst“ des Amtes LS und die gemeinsame Partnerschaft für Demokratie Stadt Ratzeburg – Amt Lauenburgische Seen aus dem Bundesprogramm „Demokratie leben!“.
Bei der Frage nach der schwierigsten Zeit im Amt, herrscht erst einmal Stille. Ottfried Feußner überlegt lange, lächelt irgendwann und sagt „da fällt mir jetzt spontan nichts ein“. Aber nach einigen Augenblicken werden sein Ton und sein Blick ernster. „Über eine Sache bin ich sehr traurig: Es gab einen einstimmigen Beschluss der Stadtvertretung über alle Parteigrenzen hinweg, dass wir uns für die Umgehungsstraße einsetzen.“ Dazu ist es bekanntermaßen (bislang) nicht gekommen. Die schönste Erinnerung dagegen kommt schnell über die Lippen: „Mit dem damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck gemeinsam die Gründung der Nordkirche hier in Ratzeburg, im Dom, zu feiern. Schön war auch die Zeit mit Herrn Voß in den Partnerstädten Strängnäs und Sopot“. Eine Persönlichkeit wie Ottfried Feußner ist ohne ein Ehrenamt kaum vorstellbar. Und so engagiert er sich weiterhin im Kuratorium der Bürgerstiftung Ratzeburg, in der Helfervereinigung des THW Ratzeburg und im Förderverein der Freiwilligen Feuerwehr Ratzeburg.
Über den von den Bürgermeistern Graf in Ratzeburg und Ingo Schäper in Mölln im vergangenen Jahr verkündeten Kurs zu einem näheren Miteinander sagt Feußner, der bei vielen sich bietenden Gelegenheiten während seiner Amtszeit launige Bemerkungen über Mölln machte: „Damit geht es mir sehr gut. Ich habe allerdings noch nicht viel davon gemerkt. Bei mir war es ja immer nur Gefrotzel; ich habe ja nie etwas gegen Mölln gehabt, im Gegenteil: Ich fahre da ab und zu noch hin“.
Die politischen Entscheidungen der Inselstadt Ratzeburg verfolgt Ottfried Feußner sehr aufmerksam, hält sich allerdings konsequent mit Kommentaren dazu zurück. „Ich habe mir selbst ein Jahr Zurückhaltung auferlegt, solange mische ich mich nicht in die Politik ein. Still ruht der See“, sagt er und lässt lachend offen, was dann sein wird. „Mich kann keiner mehr einholen“, sagt Ottfried Feußner mit einem fröhlichen Gesicht. 20 Jahre Stadtpräsident / Bürgervorsteher sind in der Tat schwer einzuholen. Mit Sicherheit wird er aber als erster Stadtpräsident der Kreisstadt Ratzeburg in die Stadtgeschichte eingehen. Sein Wunsch für die Zukunft der Stadt Ratzeburg: „Mein Wunsch ist, dass die jetzt in der Stadtvertretung vertretenden Parteien und die Wählergemeinschaft zum Wohle der Stadt gute Entscheidungen treffen und die Stadt gut mit den derzeitigen Verhältnissen zurechtkommt, speziell mit der Flüchtlingssituation. Und dass der Bürgermeister und die Politik gute Entscheidungen für das Gemeinwohl treffen“.
Ottfried Feußner formuliert also auch im Ruhestand gelegentlich noch „staatsmännisch“. (Sicherlich) nicht nur Herzogtum direkt freut sich auf künftige launige Kommentare zur Stadtpolitik in Ratzeburg oder auch mal „klare Kante“. Alles Gute für den „Ruhestand“ und vielen Dank für das Gespräch, Ottfried Feußner.