Wacken/Lübeck (pm). Fabian Schmidt engagiert sich seit zwölf Jahren ehrenamtlich auf dem Festival im Seelsorge-Team der Nordkirche. Schmidt bietet Hilfe und Beratung für Metal-Fans. Zigtausende Menschen aus ganz Europa treffen sich seit 1990 in der kleinen Gemeinde im Kreis Steinburg, traditionell am ersten langen August-Wochenende, um vier Tage lang die Topstars der internationalen Heavy-Metal-Szene zu feiern.
Seit 13 Jahren ist ein Team der Nordkirche mit dabei, um Besuchenden des „Wacken Open Air“ (WOA) Hilfe, Beratung und Gespräche anzubieten. Fabian Schmidt aus Lübeck gehört seit 2011 zum Seelsorge-Team. 100 000 Metal-Fans werden bis zum Sonnabend, 5. August 2023 in Wacken erwartet. Das Dorf, das in 51 Wochen des Jahres gerade einmal 2000 Einwohner zählt, erlebt den – mittlerweile fest eingeplanten – Ausnahmezustand. Wer selbst noch nie vor Ort war, um zumindest als Zaungast ein wenig Atmosphäre zu erhaschen, für den hat Fabian Schmidt eine vielleicht ganz passende Beschreibung: „Es ist ein wenig wie ein Kirchentag – nur in schwarz und für Heavy-Metal-Musik.“
Zum 12. Mal ist der Lübecker in diesem Jahr mit dabei im Seelsorge-Team der Nordkirche. Der 43-Jährige ist Sozialpädagoge, beruflich bei der Hansestadt Hamburg beschäftigt. In Wacken ist er zusammen mit 20 anderen PastorInnen und DiakonInnen, PsychotherapeutInnen und PsychologInnen erste Anlaufstelle für Festivalgäste in Not.
Und solche Nöte gibt es viele, wie Fabian Schmidt zu berichten weiß. Von Liebeskummer bis zu lange verdrängten Problemen, von Panikattacken bis zu unvermittelten Telefonanrufen beispielsweise beim Tod von Angehörigen gibt es viele Auslöser, die mit einem Schlag der Unbeschwertheit des Festival-Besuchs ein Ende setzen. „In solchen Augenblicken sind wir für die Menschen da und versuchen, sie zu beraten und ihnen Hilfsangebote zu unterbreiten“, sagt der Seelsorger.
Gemeinsames Atmen, ein saures Bonbon
Das Portfolio der Jungen Nordkirche in den beiden Pagoden-Zelten und den abgetrennten „Save Spaces“ ist vielfältig. Das Team hört zu, bietet Räume, um sich Zurückzuziehen. „Mitunter hilft ein nicht alkoholisches Getränk, gemeinsames Atmen zur Beruhigung, ein Ring zum Massieren – oder ein Center Shock, ein extrem saures Bonbon.“
An allen Tagen sind auch Teams der Jungen Nordkirche auf dem weitläufigen WOA-Areal unterwegs. „Sehen wir jemanden, dem es offenkundig nicht gut geht, dann suchen wir den Kontakt.“ Bei schwerwiegenderen Fällen und bei Verletzungen ist die Zusammenarbeit mit Sanitätsdiensten eng. „Wir sind so etwas wie ein Bindeglied – und das Miteinander ist wirklich hervorragend.“ 350 Gespräche hat das Team im vergangenen Jahr während des viertägigen Festivals geführt. „Mittlerweile gibt es sogar so etwas wie Stammgäste, also Personen, die irgendwann schon einmal bei uns waren und einfach mal wieder vorbeikommen, um Hallo zu sagen – oder für die es wichtig ist, dass wir da sind. Um eine Sicherheit zu haben“, berichtet Fabian Schmidt, der viele Jahre im geschäftsführenden Ausschuss der nordelbischen Jugend Vollversammlung saß.
„Wer Hilfe braucht, bekommt sie auch“
Allen im Team ist es wichtig, für Menschen in Not da zu sein. „Religion, Kultur oder gar Kirchenmitgliedschaft spielen für unsere Arbeit in Wacken keine Rolle: Wer Hilfe braucht, der bekommt sie bei uns“, sagt der Ehrenamtliche. Das Angebot der Nordkirche habe keinesfalls den Anspruch, missionieren zu wollen. „Natürlich kommen dann und wann Fragen zum Thema Kirche und Glauben“, sagt der Lübecker. Einige würden einräumen, mit Kirche nichts anfangen zu können. „Andere stellen Sinnfragen, ob es Gott gebe und wenn ja, wie er all das Leid auf der Welt zulassen könne.“
Fabian Schmidt ist zwar selbst auch Heavy-Metal-Fan, allzu viel bekommt er allerdings meist nicht mit vom Bühnenprogramm. „Natürlich gibt es da den einen Künstler, die andere Band, die man gern sehen möchte, aber mitunter ist man auch einfach nur froh, wenn man nach getaner Arbeit ins Gemeindehaus der Kirchengemeinde in Wacken kann, um die Füße hochzulegen und etwas Ruhe zu haben.“