Ratzeburg (tbi). Es war der ausdrückliche Wunsch des scheidenden Stadtpräsidenten Ottfried Feußner, dass die konstituierende Sitzung der neuen Stadtvertretung im Ratssaal stattfindet. Zwar war zu erwarten, dass es ein sehr volles Haus wird, aber ein Ausweichen in die Aula der Lauenburgischen Gelehrtenschule kam für Feußner nicht in Frage.
Dabei hat der Stadtpräsident (vormals „Bürgervorsteher“) in den 20 Jahren seiner ehrenamtlichen Dienstzeit nie ein Büro im Rathaus gehabt, nicht eine Sprechstunde hier abgehalten. „Ich war telefonisch immer erreichbar“, sagte Feußner, der zwar der neuen Stadtvertretung auf eigenen Wunsch nicht mehr angehört, aber nach den gesetzlichen Vorgaben die Sitzung zu eröffnen hatte. Es sei der insgesamt 3774. Termin für ihn und die 100. Eröffnung einer Sitzung, sagte Ottfried Feußner, der alle seine Termine im eigenen Archiv bewahrt. „Ich habe immer versucht, mein Amt überparteilich auszuüben und auch mal nicht mit der eigenen Fraktion (Anmerkung: CDU) gestimmt“, sagte Feußner. Zu Beginn der Amtszeit sei er klar für die Ratzeburger Umgehung eingetreten: „Das wurde nicht umgesetzt und liegt auch nicht im Willen der heutigen Stadtvertretung“, resümierte der erfahrene Politiker, ohne dass es wehmütig klang.
Ottfried Feußner dankte der Verwaltung, besonders Heike Hamdorf, und ausdrücklich seiner Ehefrau Ilona, die alle seine Aktivitäten 20 Jahre lang mitgetragen hat. Unter kräftigem Applaus machte Feußner am Rednerpult Platz für Heinz Suhr von der Freien Ratzeburger Wählergemeinschaft (FRW), der als dienstältestes, ununterbrochenes Mitglied der Stadtvertretung (25 Jahre) die Sitzungsleitung übernehmen musste. Suhr dankte dem Stadtpräsidenten Feußner und sagte, dass er „immer mal den Wunsch gehabt (habe), eine Sitzung der Stadtvertretung zu leiten“. Auch habe er intensiv darüber nachgedacht, für die Nachfolge des Stadtpräsidenten zu kandidieren, aber: „Es ist zu spät; es macht keinen Sinn, entschuldige Ottfried, einen alten Mann durch einen alten Mann zu ersetzen“, so Heinz Suhr.
Über die nachfolgenden Wahlen und Besetzungen der Ämter in der neuen Stadtvertretung hat Herzogtum direkt bereits berichtet. Nachzutragen bleibt, dass es jetzt fünf Fraktionen in der Stadt gibt, die alle von Männern geführt werden. Nach Fraktionsgröße geordnet sind das: Jürgen Hentschel für die FRW, zehn Sitze, Dr. Ralf Röger für die CDU, sieben Sitze, Robert Wlodarczyk für Bündnis 90/Die Grünen, fünf Sitze, Uwe Martens für die SPD mit vier Sitzen und Nicolas Reuß für die FDP mit zwei Sitzen.
Der frisch gewählte neue Stadtpräsident Andreas von Gropper (FRW) sagte nach seiner Wahl: „Hier zu stehen und aus den Händen von Ottfried Feußner die Glocke zu erhalten, ist ein besonderer Moment. Danke für den Vertrauensvorschuss und an Ottfried Feußner, der das Amt 20 Jahre lang skandalfrei geführt hat“. Er selbst sehe sich als „Brückenbauer“ zwischen den Fraktionen, der Stadtvertretung und der Verwaltung und der Politik und den Bürgerinnen und Bürgern. Letzteres besonders, da die Wahlbeteiligung in der Stadt am 14. Mai bei unter 50 Prozent (genau: 45,6 Prozent) gelegen habe. Von Gropper bat um Geduld, wenn „es am Anfang etwas holpert“, betonte aber auch, dass er als Stadtpräsident auch „direkt gewähltes Mitglied der Stadtvertretung bleibe und eine eigene Meinung“ haben werde.
Feierliche Momente auch bei der Verabschiedung von Stadtvertreterinnen und Vertretern, die das Gremium verlassen. Dabei auch Claus Nickel (CDU), der sich 41 Jahre in der Stadtvertretung engagiert hat und Bärbel Kersten (SPD), die 25 Jahre dabei war. Zeiten als sogenannte „bürgerliche Mitglieder“ waren auf der offiziellen Schautafel nicht berücksichtigt.
Bürgermeister Eckhard Graf ließ es sich erwartungsgemäß ebenfalls nicht nehmen, Ottfried Feußner für sein Wirken zu ehren. Nachdem Graf die beruflichen und ehrenamtlichen Lebensstationen Feußners verlesen hatte, dankte er auch im Namen der Verwaltung, dass der bisherige Stadtpräsident immer „mit seinem unverwechselbaren Humor die Stadt Ratzeburg vertreten“ habe. Persönlich bedankte sich Graf für die „herzliche Bindung“, die es in den 14 Monaten gemeinsamer Amtszeit gegeben hat.
Für das Ehepaar Feußner gab es abschließend Blumen und einen Aufenthalt in einem Lübecker Wohlfühl-Hotel. Und auch am letzten Tag seiner Amtszeit nutzte Ottfried Feußner die Gelegenheit, die jahrzehntelang geübten Nickligkeiten gegenüber der Nachbarstadt Mölln noch einmal auszuspielen. „Vielen Dank für den Gutschein; ich bin froh, dass es nicht in die Stadt geht, deren Namen man nicht nennen soll. Diese Formulierung habe ich im Internet gelesen“, so Feußner, der mit stehenden Ovationen verabschiedet wurde.