Lübeck/Kiel (pm). Vertreter des Träges des Marienkrankenhauses in Lübeck, das Erzbistum Hamburg, der dortigen Belegärzte, des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) und des Gesundheitsministeriums informierten am Mittwoch, 25. Januar im Sozialausschuss des Landtages zum Thema Marienkrankenhaus in Lübeck. Der Träger hatte im vergangenen Jahr mitgeteilt, dass unter anderem aufgrund von fehlenden Ärztinnen beziehungsweise Ärzten eine Schließung der dortigen Geburtsklinik droht und diese angekündigt, falls keine Lösung mit externer Unterstützung gefunden würde. Da die Schließung die geburtshilfliche Versorgung vor Ort gefährden würde, hatte sich das Gesundheitsministerium eingebracht und nach Prüfung verschiedener Ideen hatte sich das Universitätsklinikum bereit erklärt, in die Klinik einzusteigen, um die Versorgung in der Region zu sichern. Anlässlich der Befassung im Sozialausschuss veröffentlicht das Gesundheitsministerium nachfolgend Fragen und Antworten zu dem Thema Geburtshilfe/ Krankenhausfinanzierung/-planung und zur Versorgungssituation im Raum Lübeck.
Grundsätze
Was ist der Grund, warum derzeit bundesweit Kliniken fusionieren, Abteilungen schließen oder den Betrieb einstellen? 1. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung zählt der Fachkräftemangel bundesweit als wesentlicher Faktor zu den Gründen für Klinikschließungen oder Zusammenlegungen. 2. zählen außerdem bundesweite Qualitätsvorgaben für die Sicherheit von Patientinnen und Patienten – oder im Fall von Geburtshilfe für werdenden Mütter und Neugeborene – zu den Gründen, da diese insbesondere für Kliniken einer niedrigen Versorgungsstufe schwerer zu erfüllen sind. Und 3. die Notwendigkeit, wirtschaftlich mit den Krankenkassenbeiträgen der Beitragszahlerinnen und -zahler umzugehen sowie ungeplante Kostensteigerungen, beispielsweise durch die Inflation/ Energiekosten/ Coronapandemie.
Wer ist für den rechtlichen Rahmen der Finanzierung der laufenden Klinikkosten verantwortlich? Der Rahmen und die Finanzierung der laufenden Betriebskosten der Kliniken sind bundesgesetzlich geregelt, federführend ist das Bundesgesundheitsministerium. Das System erfolgt über so genannte Fallpauschalen, die über die Krankenkassen den Kliniken für ihre Leistung vergütet werden.
Kann sich das Land für eine bessere Klinik-Finanzierung einsetzen? Ja, Schleswig-Holstein setzt sich gegenüber der Bundesregierung für eine auskömmliche Klinikfinanzierung ein: Nach einer entsprechenden Bundesratsinitiative u.a. Schleswig-Holsteins hatte der Bund bundesweit 1,5 Milliarden Euro als pauschale Hilfe für Energiemehrkosten zur tranchenweisen Auszahlung für die Krankenhäuser angekündigt. Diese Zahlungen wären aus Sicht der Landesregierung zu spät geflossen, da die wirtschaftliche Situation vieler Kliniken bereits unmittelbar gefährdet war. Daher hatte Gesundheitsministerin von der Decken eine Vorfinanzierung der krankenhausindividuellen Ausgleichszahlungen des Bundes aus Landesmitteln eingeleitet. In dem Rahmen hat das Land Mitte Januar bereits 48 Millionen an die Kliniken vorausgezahlt. Darüber hinaus ist das Land gemeinsam mit den Kommunen für die Finanzierung der Investitionsmittel verantwortlich.
Plant das Land auch mehr Investitionsmittel aufgrund der Kostensteigerungen zur Verfügung zu stellen? Ja, das ist das Ziel der Landesregierung. Eine Verständigung über die hälftig von den Kommunen finanzierten Mittel dazu ist in Arbeit mit den Kommunen. Zudem erwartet das Land angesichts der von der Bundesregierung angekündigten tiefgreifenden Krankenhausreform auch eine Beteiligung des Bundes an damit einhergehenden notwendigen Investitionskosten. Dies war auch durch die vom Bundesgesundheitsminister eingesetzte Reform-Kommission vorgeschlagen worden.
Welche Rolle spielt die von der Bundesregierung angekündigte Reform in der Krankenhausplanung und in der Geburtshilfe? Diese Reform spielt eine enorme Rolle gerade in Bezug auf die Geburtshilfe, denn nach den bisherigen Vorschlägen der eingesetzten Kommission soll es beispielsweise keine Leistungseinheit des sogenannten Level 4 mehr geben. Der Reformvorschlag der Bundesebene sieht diese Geburtskliniken in der bisherigen Form in Krankenhäusern der Grund- und Regelversorgung nicht mehr vor, aber Schleswig-Holstein setzt sich mit aller Kraft dafür ein, dass dieser Teil der Reform nicht mit jetzigem Stand zur Anwendung kommt. Das Gesundheitsministerium arbeitet daran, sich intensiv an der Ausgestaltung der Reform zu Beteiligen. Begrüßt wird beispielsweise, dass die Reform Vorhaltekosten für Kliniken vorsieht.
Kann das Gesundheitsministerium SH rechtlich ein „Veto“ einlegen, wenn Kliniken Abteilungen schließen oder Kliniken verkauft werden? Nach dem geltenden Recht ist das nicht möglich. Zwar haben Kliniken in Deutschland Versorgungsaufträge, agieren dennoch auch als freie Unternehmen, mit damit verbundenen unternehmerischen Freiheiten – anders als in Ländern, in denen das Gesundheitssystem staatlich ist wie beispielsweise in Großbritannien. Gemeinsam mit dem Landeskrankenhausausschuss wirkt das Gesundheitsministerium durch entsprechende Entscheidungen auf die Sicherstellung der Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten hin.
Sind Kliniken mit einer bestimmten Trägerart vorteilhaft für die Sicherstellung der Versorgung? Das lässt sich pauschal nicht sagen. Es gibt positive Beispiele für sehr gute Kliniken, ganz unabhängig davon, ob die Träger kommunal, freigemeinnützig (kirchlich) oder privat sind. Auch bei staatlichen Gesundheitssystemen, wie beispielsweise in Großbritannien oder auch in Dänemark gibt es unterschiedliche Erfahrungen und auch große Herausforderungen wie beispielsweise deutliche Wartezeiten für Patientinnen und Patienten, die nach Erfahrungsberichten tendenziell länger sind als in Deutschland, das eine Trägervielfalt hat.
Geburtshilfe
Wie ist die Situation in der Geburtshilfe in Schleswig-Holstein derzeit? In Schleswig-Holstein gibt es Anfang 2023 insgesamt 17 geburtshilfliche Abteilungen, die sich auf vier verschiedene Versorgungsstufen aufteilen. Es sind aktuell fünf Perinatalzentren Level 1, drei Perinatalzentren Level 2, drei Perinatale Schwerpunkte Level 3 und sechs Geburtskliniken Level 4 (wovon eine, in Preetz, aufgrund Personalmangels den Kreissaal nicht in Betrieb hat). Die Level 1-4 stehen für den Grad der Versorgung. Im Level 1 gibt es eine uneingeschränkte Versorgung von Früh- und Neugeborenen. Level 4 ist für reife Neugeborene ohne vorher absehbare Komplikationen – dort ist auch keine Kinderklinik angeschlossen. Nach derzeitigem Stand ist die geburtshilfliche Versorgung im Land gesichert und die Beteiligten arbeiten daran, dass dies auch so bleibt. Dazu wurde unter anderem der Qualitätszirkel Geburtshilfe eingerichtet.
Kann ein Land oder das Gesundheitsministerium SH bestimmen, wo, welche Angebote der Geburtshilfe stattfinden? Nein, in der Tat ist der Einfluss begrenzt. Das Gesundheitsministerium kann im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten der Krankenhausplanung gemeinsam mit dem Landeskrankenhausausschuss und Beteiligten darauf hinwirken, dass die Versorgung durch entsprechende Entscheidungen sichergestellt ist. Voraussetzung sind jedoch immer die Bereitschaft und auch die Fähigkeit von Trägern, diese Leistung auch anbieten zu können. Und für die Träger sind dafür die gesetzlichen Rahmenvorgaben des Bundesgesundheitsministeriums (Finanzierung/ Qualität) von entscheidender Bedeutung – neben der Fähigkeit, den Fachkräftebedarf zu decken.
Geburtshilfe im Raum Lübeck/ Marienkrankenhaus
Welche Rolle hat das Ministerium in dem derzeit laufenden Prozess um das Marienkrankenhaus?
Das Gesundheitsministerium Schleswig-Holstein wurde vom Träger informiert, dass unter anderem aus Altersgründen mehrere Frauenärztinnen und Frauenärzte ihre geburtshilfliche Tätigkeit als Belegärzte und -ärztinnen einstellen und daher die Geburtshilfe im Marienkrankenhaus absehbar nicht mehr aufrechterhalten werden könne und eine Schließung drohe. Anders als bei bisherigen Schließungen in anderen Regionen des Landes können die umliegenden Kliniken eine solch große Anzahl von Geburten (1.374 in 2022) in Lübeck nicht auffangen. Um die geburtshilfliche Versorgung in der Region – und zudem die Arbeitsplätze der Fachkräfte des Marienkrankenhauses – zu sichern, hat sich das Ministerium intensiv für eine Lösung eingesetzt. Dafür wurde nach Prüfungen verschiedener Ansätze das UKSH um Hilfe gebeten.
Wie schätzt das Ministerium die Pläne des Erzbistums Hamburg zum Marienkrankenhaus ein? Mit der Unterstützung des UKSH in der vom Träger und UKSH kommunizierten Form kann eine gute Basis für eine nachhaltige Sicherstellung der geburtshilflichen Versorgung in Lübeck geschaffen werden.
Wie steht das Ministerium Alternativen gegenüber? Das Land ist – ebenso wie das UKSH – grundsätzlich in der Frage nicht festgelegt, sondern hatte sich nach dem Hinweis des Trägers für eine Lösung eingesetzt. Sollten Beteiligte ein ebenso geeignetes Konzept erarbeiten, um die geburtshilfliche Versorgung nachhaltig, also auch in Kenntnis der Reformbestrebungen des Bundes im Bereich der geburtshilflichen Versorgung, zu sichern, könnte auch dieses verfolgt werden. Alle Beteiligten sollten sich jedoch sehr bewusst sein, worum es geht: um die Sicherstellung der geburtshilflichen Versorgung in der gesamten Region und den Erhalt von mehreren hundert Arbeitsplätzen.
Wie begegnet das Ministerium Kritik, dass bei einem Standortwechsel des Marienkrankenhauses auf das Gelände des UKSH Lübecker Geschichte verloren gehe, bzw. viele Emotionen mit dem Marienkrankenhaus am bisherigen Standort verbunden sind? Solche Gründe für einen Standort sind emotional verständlich, vorrangiges Ziel aller Beteiligten muss es jedoch sein, die Versorgung zu sichern. Sollten Beteiligte die emotional nachvollziehbaren Gründe als vorrangig betrachten, steht es ihnen selbstverständlich auch frei, sich für andere Lösungen einzusetzen und entsprechende Entscheidungen in eigener Verantwortung zu treffen. Vor dem Hintergrund der insgesamt schwierigen Situation scheint eine solche Lösung allerdings unwahrscheinlich.
Die Stadt Lübeck hatte zu Beginn bemängelt, in den Prozess in der Vergangenheit nicht ausreichend eingebunden worden zu sein. Ist das nachvollziehbar? Ob und in welchem Maße ein Austausch seitens der Stadt Lübeck mit der Klinik in der Vergangenheit geführt wurde – wie das auch in anderen Kommunen üblich ist zwischen Kommunen und Kliniken vor Ort – kann das Ministerium nicht beurteilen. Unabhängig davon ist das Ministerium an einem guten Austausch Aller interessiert und steht daher, nachdem der Träger seine Beschäftigten informiert hat, auch in Kontakt mit der Stadt. Gemeinsam wurde nach einem Treffen mit Träger, UKSH und Stadt verabredet, den Prozess im Interesse der Versorgungssicherheit gemeinsam voran zu bringen.
Wie steht das Ministerium zu Bedenken der Belegärzte oder Mitarbeitenden an dem vorgestellten Konzept des Trägers zum Erhalt der Klinik? Es liegt jetzt insbesondere an dem Träger, die Pläne gemeinsam mit den Beteiligten weiter zu entwickeln. Zu den Beteiligten gehören auch die Belegärztinnen und Belegärzte, die ebenso wie die Mitarbeitenden einen wertvollen Beitrag zur Versorgung leisten. Die Kritik der weiteren Wege zu einem möglichen neuen Standort innerhalb derselben Stadt ist individuell, insbesondere mit Blick auf die emotionale Bedeutung des Marienkrankenhauses auf der Lübecker Altstadtinsel, verständlich, die Situation jedoch nicht vergleichbar mit anderen Regionen, in denen Patientinnen und Patienten für ihre Behandlung außerhalb ihres Wohnorts wesentlich weitere Entfernungen in Kauf nehmen müssen. Wie mit der Stadt verabredet, sind die Beteiligten im Austausch und prüfen die Möglichkeiten.
Zu welcher Versorgungsstufe zählt die Abteilung der Geburtshilfe des Marienkrankenhauses Lübeck? Das Marienkrankenhaus in Lübeck zählt zur Versorgungsstufe 4, das ist die niedrigste Versorgungsstufe unter den Geburtskliniken. Dort sollen nur Schwangere ohne Risikofaktoren entbinden. Eine Abteilung für Pädiatrie, also Kinderheilkunde, oder Neonatologie für die medizinische Versorgung für Neugeborene, ist nicht angeschlossen.
Was wäre der Vorteil eines Umzugs der Geburtshilfe auf das Gelände des UKSH? Der Umzug einer weiterhin eigenständigen Klinik in die Nähe der Universitätsfrauen- und Kinderklinik würde die Unterstützung der Frauenärztinnen und Frauenärzte bei der Versorgung und kürzere Wege für die Notfallversorgung der Neugeborenen ermöglichen. In der Praxis finden sich immer weniger Ärztinnen und Ärzte, die bereit sind, das Risiko ohne angeschlossene Notfallversorgung für Neugeborene in einer Geburtsklinik der niedrigsten Versorgungsstufe zu verantworten.