Jahrelang lag am 1. November eine Rose auf dem Grabstein A. Paul Webers auf der Domhalbinsel. Still und leise dort abgelegt als Zeichen der Dankbarkeit. Als Geburtstagsgruß seines Photographen. Später, nach Hans-Jürgen Wohlfahrts Tod, übernahm Friedemann Roeßler diese Tradition. Vergangenes Allerheiligen ist er selbst schwer erkrankt – und der Urnengrabstein blieb leer. Ob es jemand bemerkt hat? Gerade solche winzigen Zeichen der Liebe und Zuneigung brauchen wir in Krisenzeiten umso mehr. Das Bild der Rose vermag in meinen Augen die elenden Bilder von Panzern, Bomben und Raketen, von Pandemie und Atomkraftwerken zu besiegen: Das letzte Wort hat nicht der Hass, nicht der Diktator, nicht ein Virus, nicht der Tod – nein, das letzte Wort hat die Liebe. Auch jetzt, da Dr. Friedemann Roeßler verstorben ist.
Ratzeburg ohne „unseren Friedemann aus der Zwiebelburg“? Unvorstellbar. Am 13. Januar ist er nach schwerer Krankheit erlöst worden; seine geliebte Ehefrau Marlis hatte ihn nach langem Krankenhausaufenthalt noch für die gesamte Weihnachtszeit – so sagt sie es in Dankbarkeit selbst – zu Hause, um alles ins Wort zu bringen, was sich die beiden noch sagen wollten. Insofern, wieder mit Marlis´ Worten: „Alles ist gut.“ Die Kerze wird auch bei mir im Gottesdienst mit dem Licht aus Betlehem für meinen Freund brennen. Jeder von uns wird andere Erinnerungen im Herzen haben; eines aber verbindet uns auf jeden Fall: Die Dankbarkeit, einen so liebenswerten, klugen, treuen Weggefährten erlebt haben zu dürfen. Es fügt sich, dass wir (auch online) in der aktuellen Ausgabe „Unser Herzogtum“, Nummer 28, ab Seite 44 von Friedemann Roeßler lesen können – mit heutigem Blick ein würdevoller Nachruf.
Schon als Kind photographierte Friedemann Roeßler in seiner Kindheitsstadt Ratzeburg und entwickelte seine Schnappschüsse in der Dunkelkammer seines Vaters – so, wie es sein Lebensfreund Hans-Jürgen Wohlfahrt zeitlebens tat. Unterbrochen durch seine 28-jährige Berufszeit als Chemiker in Wolfsburg, wovon später seine Glasvitrine mit unzähligen Modellautos zeugen sollte, blieb er „das Auge Ratzeburgs“; denn woanders als in Ratzeburg leben? Undenkbar! In Wolfsburg, wo er am Ostersonntag 2006 in einer Kleinanzeige von der freien Wohnung in Ratzeburgs Zwiebelburg las, hatte es einfach nichts zum Photographieren gegeben… Auch im Ruhestand sah er in unserer Inselstadt genau hin und verewigte es – oft auch präsentiert von Dr. Gunther Tiersch zur Wettervorhersage im ZDF. Ob als Vorsitzender des Ratzeburger Seniorenbeirats, am Büchertisch im Ratzeburger Dom, als Wächter während zahlreicher Barlachausstellungen: Immer war Friedemann Roeßler ehrenamtlich zur Stelle. Und die Anzahl seiner stets kostenlos zur Verfügung gestellten Photos stieg: Altehrwürdige Türen, verschneiter Dom, Barlachs Lehrender in Sankt Petri.
Worüber würde er sich nun im Himmel freuen? Schauen wir uns seine Photos neu an! Machen wir einen seiner zahlreichen Spaziergänge durch Ratzeburg, aber ohne Handy, dafür mit weit geöffneten Augen und Herzen!
Friedemann wollte nun doch keine große Trauerfeier, sondern eine stille Seebestattung im kleinsten Familienkreis. Daher kann jeder von uns auf je eigene Weise die Kerze für ihn anzünden und seiner gedenken.
Felix Evers, Hamburg