Ratzeburg (tbi). Folgt der Kreistag auf seiner heutigen (Donnerstag, 8. Dezember) Sitzung der Mehrheitsentscheidung im zuständigen Ausschuss, gibt es im kommenden Jahr keine Förderung für die Frauenberatungsstelle Land-Grazien – Frauen helfen Frauen Sandesneben. Es geht um 40 000 Euro, die dann der Frauenberatung fehlen, um ihr Beratungsangebot im bisherigen Umfang fortsetzen zu können.
Mit einer kurzfristig angesetzten Podiumsdiskussion im Ratzeburger Burgtheater sollte der Öffentlichkeit die Arbeit der Beratungsstelle und die Notwendigkeit der Förderung durch den Kreis vorgestellt werden. Unter der Leitung von Moderatorin Janine Mehner waren Miriam Peters vom Trägerverein Frauen helfen Frauen als Koordinationskraft der Land-Grazien auf dem Podium, David Welsch von der Kreistagsfraktion der SPD und Doris Klinnert vom Kreisvorstand Die Linke waren ebenfalls der Einladung gefolgt. Eine betroffene Frau, die das Beratungsangebot bereits in Anspruch genommen hatte, musste kurzfristig wegen Erkrankung des Kindes absagen.
„Ausgrenzung ist bereits eine Form von Gewalt. Häusliche Gewalt betrifft vor allem Frauen und Kinder. Die Land-Grazien machen Mut, aus dem Teufelskreis auszubrechen“, leitete Janine Mehner in den gut einstündigen Abend ein. Die hauptamtlich tätige Miriam Peters hob die Besonderheiten des Projektes Land-Grazien hervor. Es sei ein bundesweit einmaliges Projekt, da die Beratung mobil stattfinden könne. In einem als Gewerbefahrzeug getarnten Transporter können Beratungen stattfinden und Kontaktaufnahmen seien über mehrere Kanäle in den sozialen Medien möglich. Mehr als 125 000 Kontakte habe es hier bereits gegeben, 20 Prozent der Betroffenen wären Minderjährige. Miriam Peters hob mehrfach hervor, dass die Land-Grazien keine Konkurrenz für weitere Frauenberatungsstellen im Kreis sind. „Wir sind eine Ergänzung und stehen zu 100 Prozent solidarisch zu allen Frauenberatungsstellen“, so Peters. Der Bedarf an Hilfe für Frauen könne dennoch nicht gedeckt werden, es fehle an einer flächendeckenden Infrastruktur. Umso notwendiger sei es, dass die Land-Grazien eine Förderung durch den Kreis erhielten. Dann gäbe es auch die Option, eine weitere Förderung durch das Land zu erhalten, dazu müsste allerdings die Kreisförderung vorausgehen.
Über die Notwendigkeit dieser Förderung waren sich die Podiumsgäste ebenso einig, wie die knapp 30 Gäste der Veranstaltung. Grüne, CDU und FDP waren nicht auf dem Podium. Von Landtagsmitglied Rasmus Vöge (CDU) war aber am Veranstaltungstag noch ein Schreiben eingegangen, das von Moderatorin Mehner verlesen wurde. Darin hieß es, dass er, Vöge, die Arbeit der Land-Grazien kenne und sich bei den Haushaltsberatungen im Januar 2023 für eine Förderung durch das Land einsetzen werde.
Aus dem Publikum äußerte Dr. Christel Happach-Kasan, Kreistagsabgeordnete der FDP, ihre Verwunderung angesichts der Mehrheiten von Schwarz-Grün die es sowohl im Kreis- als auch im Landtag gibt: „Ich kann nicht verstehen, warum das nicht klappen sollte!“. In der betreffenden Ausschusssitzung hatten sich FDP und Grüne der Stimme enthalten.
Bärbel Kersten sagte als stellvertretende Bürgermeisterin der Stadt Ratzeburg: „Die Frauenhäuser haben zu wenig Platz; ein mobiles Angebot ist wichtig!“. Gesine Biller, die sich als „Bürgerin“ vorstellte, sagte: „Was der Verein und die Land-Grazien für unsere Gesellschaft leisten, ist sehr wertvoll. Wenn hier die Hilfsangebote eingeschränkt würden, entstünden Folgekosten zum Beispiel durch Unterbringung, die viel höher wären. Mit Enthaltungen ist bei so einem wichtigen Thema kein Blumentopf zu gewinnen“.
Johanna Lembcke-Oberem ist Pastorin in Lütau. Sie kennt die Arbeit der Land-Grazien gut und sprach für den Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg. „Als Seelsorgerin bin ich froh und dankbar, dass ich das Beratungsangebot der Land-Grazien betroffenen Frauen bekannt machen kann. Es ist eine wirklich große Bereicherung, da auch die Präventionsarbeit der Land-Grazien enorm ist.“
Miriam Peters ist unabhängig von der heutigen Entscheidung des Kreistages von der Notwendigkeit des Projektes überzeugt: „Wir werden nicht aufhören und auch 2024 wieder an die Tür klopfen“. Peters berichtete auch offen über „rechte Hetze“, die der Verein erlebt hat. So hätte es Drohungen gegeben, die im Briefkasten gelandet sind. „Wir sind denen ein Dorn im Auge“, sagte Miriam Peters.
Die Podiumsdiskussion konnte im Livestream verfolgt werden und lässt sich noch einmal ansehen. Zum Ansehen der Aufzeichnung der Podiumsdiskussion bitte hier klicken..