Herzogtum Lauenburg (pm). Die Mitglieder des regionalen Ausbildungsbündnisses der Kreise Stormarn und Herzogtum Lauenburg haben sich am Donnerstag, 10. November in der Agentur für Arbeit in Bad Oldesloe getroffen und das Ausbildungsjahr 2021 / 2022 bilanziert. Sie appellieren an die Jugendlichen: „Schaut auf das breite und attraktive Ausbildungsangebot in unserer Region! Die Chancen auf eine Ausbildungsstelle sind besser denn je. Das gilt auch für das kommende Jahr.“ Auch wenn das Ausbildungsjahr 2022 längst begonnen hat, besteht dennoch die Chance, auch jetzt noch eine Lehrstelle zu bekommen. Die Unternehmen in beiden Kreisen spüren den Bewerbermarkt: Zunehmend mehr Ausbildungsplätze bleiben zum Ausbildungsstart ohne Azubi.
Zwei zurückliegende Jahre der Corona-Pandemie mit zeitweise starken Beschränkungen haben die Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen nicht gebremst. Ganz im Gegenteil blieb die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen in dieser Zeit in den beiden Kreisen Stormarn und Herzogtum Lauenburg konstant und stieg im vergangenen Jahr mit über 2.700 sogar auf einen Höchstwert an. Spürbar, und das auch noch bis in das aktuelle Ausbildungsjahr hinein, sind die Auswirkungen hingegen bei den Jugendlichen. „Die zwei Jahre Pandemie mit eingeschränkten bis hin zu fehlenden Präsenz-Angeboten zur beruflichen Orientierung und Berufsberatung sind noch nicht wieder aufgeholt. Auch wenn mittlerweile wieder alle Angebote in den Schulen präsent sind und auch Messen stattfinden, finden die Jugendlichen noch nicht wieder in die Ausbildungsbetriebe“, sagt Kathleen Wieczorek, Chefin der Agentur für Arbeit Bad Oldesloe. „Es ist bedauerlich, nochmals einen Rückgang zu verzeichnen. Auszubildende werden in beiden Kreisen weiterhin händeringend gesucht.“
Die Zahl der bei der Arbeitsagentur gemeldeten Ausbildungsbewerberinnen und -bewerber ging im Ausbildungsjahr 2021 / 2022 weiter zurück. Im Kreis Stormarn interessierten sich 721 Jugendliche für einen Einstieg in eine duale Ausbildung. Das waren 161 oder 18,3 Prozent weniger als im Vorjahr. Vor Ausbruch der Corona-Pandemie lag ihre Zahl noch regelmäßig über 1.000. Die gleiche Entwicklung findet sich im Kreis Herzogtum Lauenburg. Hier waren mit 771 Ausbildungsinteressierten ebenfalls deutlich weniger als noch im Vorjahr bei der Berufsberatung gemeldet. Zum Vorjahr waren es 191 junge Leute weniger, ein Rückgang von 19,9 Prozent. Auch im Herzogtum lag die Zahl in den Vorjahren über 1.000.
„In der Pandemiezeit mag auch die Unsicherheit, wie sich einzelne Branchen entwickeln, eine Rolle gespielt haben. Hier hat sich ein Trend verstärkt, Ausbildungswege jenseits der dualen Ausbildung wie ein Studium einzuschlagen oder den Schulbesuch zu verlängern. Dabei haben die Unternehmen ihre Ausbildungsangebote zu jeder Zeit aufrechterhalten. Für dieses Engagement geht mein Dank an die ausbildenden Unternehmen. Der Ausbildungsmarkt ist in unserer Region immer stabil geblieben und ist es weiterhin. Mein Appell an die Jugendlichen: Schaut Euch die vielen regionalen Ausbildungsangebote an und nutzt die Unterstützung unserer Expertinnen und Experten aus der Berufsberatung“, appelliert Wieczorek und empfiehlt: „Die Unternehmen sollten nochmals aktiv werden und zum Beispiel wieder in großem Umfang Praktika für Schülerinnen und Schüler anbieten. Sie ermöglichen den jungen Menschen einen Einblick in die Praxis und bieten die Chance, für einen Beruf und den Ausbildungsbetrieb zu werben sowie die angehenden Berufseinsteigerinnen und -einsteiger frühzeitig an den Betrieb zu binden. Die Jugendlichen werden als Fachkräfte für die Themen der Zukunft benötigt: Klima-, Umweltschutz und Digitalisierung.“
Weniger ausbildungssuchende Jugendliche haben sich natürlich bei den Unternehmen bemerkbar gemacht. Bei ihnen gingen weniger Bewerbungen ein und zunehmend mehr Ausbildungsstellen konnten nicht besetzt werden. Insgesamt waren im Kreis Stormarn 1.595 Ausbildungsstellen bei der Oldesloer Agentur für Arbeit gemeldet worden, 73 oder 4,4 Prozent weniger als im Vorjahr. Davon blieben bis Ende September 258 unbesetzt, 53 oder 25,9 Prozent mehr als im September 2021.
Im Lauenburgischen waren es 966 Ausbildungsstellen, die den Jugendlichen insgesamt für ihren diesjährigen Berufseinstieg zur Auswahl standen, und damit 73 oder sieben Prozent weniger als 2021. Davon blieben bis Ende September 103 ohne Auszubildenden, 31 oder 43,1 Prozent mehr als im vergangenen Jahr. Auch in den Stormarner Ausbildungsbetrieben des Handwerks sind weniger Jugendliche angekommen, berichtet Nadine Grün aus dem Team Nachwuchsgewinnung der Handwerkskammer Lübeck. „Wir haben im Kreis Stormarn bis Ende Oktober mit 413 eingetragenen Ausbildungsverträgen 40 weniger als im Vorjahr gezählt. Das ist ein Rückgang von 8,8 Prozent. Dabei suchen die Handwerksbetriebe händeringend Nachwuchs. Für jeden Ausbildungssuchenden finden sich im Handwerk noch Einstiegsmöglichkeiten.“
Für das Handwerk im Kreis Herzogtum Lauenburg bilanziert Susanne Bendfeldt, Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft im Herzogtum: „Stand 01. November wurden im Kreis 414 neue Ausbildungsverträge im Handwerk eingetragen. Dies sind fast genauso viele Verträge wie im Vergleich zum Vorjahr. Das zeigt, dass wir nach wie vor viele junge Menschen dafür begeistern konnten, eine Karriere im Handwerk zu starten. Wie auch in den Vorjahren blieben jedoch noch viele freien Stellen unbesetzt.“
Weniger Ausbildungsverträge gingen auch bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) ein. „Bis Ende Oktober 2022 wurden bei der IHK zu Lübeck insgesamt 3.375 neue Ausbildungsverträge erfasst. Daraus ergibt sich im Vergleich zum Vorjahr ein nochmaliges Minus um fünf Prozent. Für den Kreis Stormarn sind mit 690 Ausbildungsverträgen 66 weniger als im Vorjahr registriert. Dies entspricht einem Minus von neun Prozent. Im Kreis Herzogtum-Lauenburg wurden bisher 349 Verträge, 20 oder fünf Prozent weniger als im Vorjahr, eingetragen“, berichtet Dr. Ulrich Hoffmeister, Geschäftsbereichsleiter Aus- und Weiterbildung bei der IHK zu Lübeck. Der Rückgang sei noch auf die Corona-Pandemie, aber auch auf rückläufige Bewerberzahlen und einem starken Anstieg von Vertragslösungen in den ersten drei Monaten in der Ausbildung zurückzuführen. „Reduzierte Kontakte, ausgefallene Ausbildungsmessen, abgesagte Praktika – Berufsorientierung und Ausbildungsplatzsuche standen noch immer vor großen Herausforderungen. Betriebe und junge Menschen fanden nicht wie gewohnt zusammen“, so Hoffmeister.
Der Trend zurückgehender Schülerzahlen setzt sich an den beiden berufsbildenden Schulen in Bad Oldesloe und Ahrensburg sowie am regionalen Berufsbildungszentrum (BBZ) in Mölln fort. „Dies ist gerade in Hinblick auf den immensen Fachkräftemangel mehr als problematisch“, weiß Johannes Kahlke, Schulleiter der Beruflichen Schule des Kreises Stormarn in Ahrensburg. Ein Grund sehen die drei Schulen nach wie vor in die durch Corona-Pandemie zu kurz gekommene Berufsorientierung bei den Schulabgängern und -abgängerinnen in diesem Sommer.
„Wir setzen große Hoffnungen in die stärkere Berufsorientierung an den allgemeinbildenden Schulen, die nicht zuletzt durch den aktuellen Koalitionsvertrag eine ganz andere Bedeutung erhalten hat“ ergänzt Ulrich Keller, Schulleiter des BBZ Möllns. Keller bietet in seiner Schule seit einiger Zeit Werkstatttage für Schülerinnen und Schüler von Gemeinschaftsschulen an, um die Profilbildung und somit die Berufsorientierung der jungen Menschen zu fördern.
Die Oldesloer Schule, jüngst für vorbildliche Studien- und Berufsorientierung erneut mit dem Berufswahlsiegel ausgezeichnet, bietet sowohl ihren eigenen als auch den Schülerinnen und Schülern der umliegenden Gemeinschaftsschulen mit dem „Siegel-Day“ einen Berufsorientierungstag, bei denen sich die Jugendlichen sowohl in Workshops unterschiedlicher Anbieter wie an Informationsständen regionaler Unternehmen informieren und orientieren können. „Das Angebot wird sehr gut angenommen; wir haben sehr positive Rückmeldungen erhalten“, resümiert Kai Aagardt, Schulleiter der Beruflichen Schule in Bad Oldesloe. „Wir arbeiten eng mit der Arbeitsagentur zusammen und unterstützen, wo wir können“, ergänzt Kahlke und nennt die Teilnahme der beiden Stormarner Schulen an der Ausbildungsmesse auf dem Marktplatz in Bad Oldesloe im September 2022 sowie die Einbindung der Berufsberatung an den Schulen als Beispiele der guten Kooperation. „Die Hoffnung besteht, dass mit intensiverer und zielgenauer Berufsorientierung der Trend bereits im kommenden Jahr gedreht werden kann“ ergänzt Kahlke. Die Schulen seien bereit und stehen den allgemeinbildenden Schulen als ständiger Ansprechpartner wie auch als Praxisstandort für Projekttage zur Verfügung.
Hintergrund-Info:
Mitglieder des regionalen Ausbildungsbündnisses sind die Kreishandwerkerschaften Stormarn und Herzogtum Lauenburg, die Handwerkskammer Lübeck, die Industrie- und Handelskammer zu Lübeck, die Beruflichen Schulen aus den Kreisen Stormarn und Herzogtum Lauenburg, die Schulämter der Kreise Stormarn und Herzogtum Lauenburg, die Jobcenter Stormarn und Herzogtum Lauenburg, der Verwaltungsausschuss der Agentur für Arbeit Bad Oldesloe sowie die Agentur für Arbeit Bad Oldesloe.