Ratzeburg /Lübeck (aa). Hat der inzwischen abgewählte Bürgermeister Ratzeburgs, Gunnar Koech, im Jahr 2019 die Unwahrheit gesagt und eine falsche eidesstaatliche Erklärung abgegeben oder nicht. Darum ging es kurz gefasst in der Gerichtsverhandlung, in der auch am heutigen zweiten Verhandlungstag Koech auf der Anklagebank Platz nehmen musste. Bereits vor vierzehn Tagen, am 4. November, wurden mit dem Ehepaar Magnus und Simona Klar die ersten beiden Zeugen vor dem Lübecker Amtsgericht befragt (Herzogtum direkt berichtete). Heute fand die Verhandlung ihre Fortsetzung mit positiven Ausgang für den Angeklagten.
Im Kern ging es im Folgendes: Gunnar Koech stellte sich 2019 zur Wahl, um neuer Bürgermeister von Ratzeburg zu werden. Im Ratzeburger Medienunternehmer Andreas Schipplick fand er einen Sponsor, der großes Teile seines Wahlkampf finanzierte. Kurz vor der Stichwahl erfuhr Schipplick, dass Gunnar Koech in 2006/2007 eine Hanfplantage auf dem Dachboden seines Hauses in der Langenbrücker Straße gehabt haben soll, beziehungsweises diese zumindest in seinem Wissen dort aufgebaut wurde. Schipplick brach darauf mit Koech und ließ am Tag vor der Stichwahl in Ratzeburg ein Flugblatt verteilen, in dem unter anderem dieser Vorwurf publiziert wurde. Koech gab eines eidesstattliche Erklärung ab, dass dieser Vorwurf unwahr ist und erwirkte per einstweiliger Verfügung den Stop der Flugblattverteilung. Mehrere Zeugen stützten aber die Hanf-Geschichte im Flugblatt mit eidesstattlichen Erklärungen ihrerseits sowie Aussagen bei der Polizei. Die Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen auf, was nun in dieser Gerichtsverhandlung endete.
Der erste Zeuge des zweiten Verhandlungstages ist Ratzeburger Aydin Güzel. Er gibt an, dass er 2002 bis 2011 eine Bar im Gewerbeobjekt von Gunnar Koech beziehunsgweise gleich nebenan von dessen Fahrradgeschäft betrieben hatte. „Ich kenne Herrn Koech seit meiner Jugend. Er hat mich damals nach Ratzeburg gelotst“, so Güzel. In dem Zeitraum, wo er seine Bar in der Langenbrücker Straße hatte, habe er auch einen Teil des Dachbodens über Koechs Fahrradgeschäft als Lager nutzen. Dort oben sei er aber nur sehr selten gewesen. „Einmal war ich aber oben und da stand dann mein Equipment vor dem Raum, in dem es sonst lagerte. Ich habe in dem Raum geguckt und habe da eine Platte mit Bepflanzungen gesehen“, sagt Güzel vor Gericht. Weiter gibt er an diesen Raum mit folierten Boden, Hanfstecklingen, einer großes Hanfpflanze in einer Ecke, Bewässerungsanlage und Wärmelampen vorgefunden zu haben. Güzel weiter: „Ich habe dann Herrn Koech darauf angesprochen und er hat mir alles erzählt. Dass er finanzielle Probleme hat und nur so daraus kommt.“ Später präzisiert Güzel, dass sein Bruder Ahmed damals Gunnar Koech 250.000 Euro geschuldet habe. Die Hanfplantage sei der Versuch gewesen, das Geld wieder zu bekommen.
Güzel: „Er hat mir alles gezeigt und gefragt, ob ich mitmachen möchte. Ich habe dankend abgelehnt. Ich wollte ab da nichts weiter damit zu tun haben.“ Koech hätte ihm zudem einen ganzen Ordner mit Plänen für die Hanfaufzucht gezeigt. Als Güzel dann Jahre später erfahren habe, dass Koech für das Amt des Bürgermeisters kandidiere, rief er ihn an. „Ich hatte ihm vor der Bürgermeisterwahl dann etwas Angst eingejagt. Ich hatte ihm gesagt, dass ich ihn nicht für den richtigen Kandidaten halte: ‚Du bist nicht der Richtige, in meinen Augen bist du ein Krimineller“, erinnert sich Güzel. Weiter erzählt er, dass er (Aydin Güzel) kaum noch Kontakt zu seinem Bruder Ahmed Güzel habe. Dieser hätte damals auch ein sehr enges Verhältnis zu Koech gehabt. Vor zwei bis drei Monaten habe er aber mit seinem Bruder Ahmed telefoniert und erstmals erfahren, dass dieser vor seinem Auszug aus demselben Gebäude damals eine Hanfpflanze im besagten Raum auf dem Dachboden hinterließ.
Per Zufall habe er dann kurz vor der Stichwahl Andreas Schipplick während eines Handballspiels in Lauenburg kennengelernt. Er habe Schipplick gefragt, ob er denn wisse, wen er da überhaupt unterstützt. Güzel habe dann Schipplick seine Informationen über die Hanfplantage sowie zu einem fingierten Kreditvertrag weitergegeben, worauf dann Schipplick wie beschrieben mit Koech brach. Kurze Zeit später folgte ein Telefonat mit Simona Klar, die am ersten Prozesstag angab, dass Koech selbst ihr und ihrem Mann Magnus Klar gegenüber die Hanfplantage gebeichtet habe. „Ich habe den Klars die Geschichte bestätigt“, beschreibt Güzel das Telefonat.
Auch Ahmed Güzel selbst ist am diesem Tag als Zeuge vorgeladen, bleibt der Verhandlung jedoch fern, was später in der Verhandlung mit einer Geldstrafe quittiert wird.
So folgt Andreas Schipplick als nächster in den Zeugenstand. Er beschreibt zunächst seine Motivation, weshalb er damals entschied Gunnar Koech in seinem Wahlkampf zu unterstützen, wie er dann per Zufall auf Aydin Güzel traf und danach Simona und Magnus Klar dessen Geschichte zur Hanfplantage untermauerten. „Da fühlte ich mich verantwortlich“, erklärt Schipplick. Nachdem er bereits im ersten Wahlgang ein Flugblatt für Gunnar Koech in dessen Auftrag produzierte und in der Stadt verteilen ließ, wiederholte er dies am Sonnabend vor der Stichwahl. Allerdings enthielt die Publikation dieses Mal die bereits beschriebene Geschichte mit der Hanfplantage.
Die letzten beiden Zeugen sind eine ehemalige Angestellte von Aydin Güzel und ein ehemaliger Mitarbeiter aus Gunnar Koech Fahrradgeschäft. Beide können bestätigen, dass sie damals den besagten Raum präpariert zur Aufzucht von Hanfstecklingen gesehen hatten.
Zuguterletzt verliest Richterin Dr. Hans noch die Aussage, die der nicht anwesende Zeuge Ahmed Güzel bei der Polizei gemacht hatte. Alle Anwesenden im Gerichtssaal erfahren nun, dass Ahmed Güzel angab, dass er, unterstützt und gebilligt von Koech, eine Hanfaufzucht auf dem Dachboden betrieben haben soll. Koech habe das Material gestellt, Ahmed Güzel den Rest erledigt. Koech habe es beobachtet und auch geduldet. Laut Ahmed wussten aber nur er Koech von der Aufzucht. Sein Bruder Aydin hätte es zwar auch gewusst, aber keine Einzelheiten. Dass die Hanfplantage wegen Geldschulden sei, treffe nicht zu. Später sei es zu einem Streit zwischen Ahmed Güzel und Gunnar Koech gekommen, worauf Güzel Ratzeburg verließ.
Allen Zeugenaussagen des ersten und zweiten Prozessstags ist eines gemeinsam: alle Zeugen haben von der Hanfplantage entweder gehört (Simona und Magnus Klar sowie Andreas Schipplick) oder wollen diese sogar direkt gesehen haben. Alle Zeugen bis auf zwei konnten angeben, dass Koech ebenfalls von dieser Plantage wusste.
Das Problem an allen Aussagen ist, dass auch wenn sie sich im Kern gleichen, in zahlreichen Details voneinander abweichen, manchmal widersprechen und auch in sich selbst Widersprüche aufzeigen. Immer wieder gaben die Zeugen an, dass die Ereignisse mit 2006/2007 beziehungsweise 2019 zu lange her sind. Viele Erinnerungen sind verblasst. „Dies ist ein schwieriger, komplizierter Fall“, bringt es dann der Staatsanwalt am Ende auf den Punkt. Es habe sich nicht mir Sicherheit feststelllen lassen, ob Koech die Unwahrheit gesagt habe oder nicht. Es seien aber auch keine gezielten Kampagnen oder gezielten Absprachen gegen den Angeklagten ersichtlich. Er gehe davon aus, dass es das Gespräch zwischen Gunnar Koech und Magnus und Simona Klar gab. Dennoch könne er darauf keine belastbaren Erkenntnisse ziehen. Er glaube den Zeugen Klar, aber letztlich misstraue er den Wahrnehmungen aus dem Gesprächsverlauf. Da er davon ausgehe, dass Koech aufgeregt war, sei dieser mit seinen Aussagen „vielleicht über das Ziel hinausgeschossen“. Auf so eine Äußerung könne keine Verurteilung basieren. Es habe wohl ein Zimmer mit einer Einrichtung zur Hanfsucht gegeben, aber wann lasse sich nicht feststellen. Die Widersprüche in den Zeugenaussagen seien zu groß und die Animositäten zwischen den Güzels und Koech seien zu groß. Daher sei Gunnar Koech freizusprechen. Richterin Dr. Hans folgte diesem Freispruch.