Mölln (tbi). „Mölln nach Mölln – Reaktionen einer Kleinstadt auf rassistische Gewalt“ lautet der vollständige Titel der Ausstellung, die im Historischen Rathaus aktuell gezeigt wird. Fotograf Andreas Walle hat kurz nach den Brandanschlägen 1992 mit seiner Fotokamera dokumentiert, wie es in der Stadt aussah, wie die Menschen reagiert haben, was sich an Initiativen entwickelte. Seine Fotoreportage wurde bereits 1994 im Stadthaus gezeigt. Der Verein Miteinander leben, der sich nach den von rechtsextremistischen Jugendlichen verübten Anschlägen gegründet hat, und die Stadt Mölln zeigen diese Bilder erneut. Erweitert wurde die Ausstellung durch begleitete Projekte von Schülerinnen und Schülern, die Interviews mit Menschen geführt haben, die damals die Anschläge miterlebt haben und mit einer umfassenden Chronik über Ereignisse, die in den 30 Jahren nach 1992 erfolgten.
„Es heißt ´wehret den Anfängen´, aber es geht immer weiter“, sagte Möllns Bürgervorsteher Ulrich Woßlick in Vertretung des verhinderten Bürgermeisters Ingo Schäper zur Einstimmung auf einen Rundgang durch die Ausstellung. So ist neben den oft sehr eindringlichen Schwarz-Weiß-Bildern von Andreas Walle die großformatig ausliegende Chronik ein wichtiger Bestandteil der Ausstellung.
Der Verein Miteinander leben hat die Ausstellung mit einem sozialpädagogischen Projekt allen Schulen im Kreis angeboten. Dort konnten sich freiwillige Schülerinnen und Schüler, die natürlich alle erst nach den Anschlägen geboren wurden, mit der Thematik intensiv auseinandersetzen. Nach einer dreitägigen Ausbildung konnten sie als Peer-Guides Schulklassen erläuternd durch die Ausstellung an ihren Schulen führen und Fragen beantworten.
Yasmin Mrosek und Ricarda Tillmann haben 2021 an der Gemeinschaftsschule Mölln aktiv begonnen teilzunehmen und auch Interviews mit Zeitzeugen durchgeführt. „Es muss auf die Brandanschläge immer wieder aufmerksam gemacht werden, damit es nicht noch einmal passiert“, sagt die 17-jährige Yasmin. Es mache „wütend, dass Menschen überhaupt rassistische Gedanken haben und dann noch Taten folgen lassen“, so Yasmin. Die ebenfalls 17-jährige Ricarda berichtete beim Rundgang, dass im Elternhaus bereits über die Anschläge gesprochen wurde und sie ein Grundinteresse mit in das Projekt gebracht habe. „Die Ereignisse von 1992 haben den ganzen Kreis Herzogtum Lauenburg geprägt und haben eine bleibende, belastende Wirkung“, sagt Ricarda.
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„Diese von den jungen Menschen geführten Interviews sind ein weiterer Stein in unserer Arbeit“, sagte Antje Buchholz, zweite Vorsitzende von Miteinander leben. Über die Bilder von Andreas Walle sagte Buchholz: „Sie sind eindrucksvoll und verfehlen ihre Wirkung nicht“. Andreas Walle hat eine große Leidenschaft für Fotografie. Gelernt hat er allerdings einen anderen Beruf. Seine erste Berührung mit den Brandanschlägen 1992 hatte er als Krankenpfleger im Ratzeburger Krankenhaus mit durch die Tat verletzten Menschen. Nicht zuletzt durch seine vorausgegangenen Reisen in die Türkei und seiner Leidenschaft für Fotografie war es zu verdanken, dass er Zugang zu den Überlebenden und Angehörigen der betroffenen Möllner Familien fand. Auch die schnelle Gründung des Vereins Miteinander leben hat er aktiv mitverfolgt und schnell die Idee – im Sinne einer „Notwendigkeit“ – umgesetzt, eine Dokumentation in Form einer Fotoreportage zu fertigen. Dass die Bilder alle monochrom sind, ist einerseits seiner Faszination für Schwarz-Weiß-Fotografie zu verdanken, andererseits stand das Reportage-Format im Vordergrund. „Monochrome Bilder reduzieren die Aussage mehr auf die jeweiligen Inhalte“, so Andreas Walle im Gespräch.
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In ihrer Zusammenstellung vermitteln seine Bilder das Entsetzen vieler Menschen unmittelbar nach den Ereignissen im November 1992. Sie zeigen Wut, Trauer, Verzweiflung und den Drang, sich gemeinsam gegen rassistische Gewalt zu stemmen. Gemeinsam mit der Chronik und den von jungen Menschen geführten Interviews auf den Roll-Ups ist eine sehr sehenswerte Ausstellung im Historischen Rathaus installiert, die ihren Beitrag leistet, dass die Geschehnisse mahnend in Erinnerung bleiben.
Zu sehen ist die Ausstellung täglich bis einschließlich Dienstag, 22. November 2022. Werktags von 10 bis 17 Uhr, Sonnabend und Sonntag von 10 bis 15.30 Uhr, letzter Einlass jeweils 30 Minuten vor Ende. Am Markt 12. Der Eintritt ist frei.