Ratzeburg (tbi). Vor knapp neun Monaten begannen die Kämpfe in der Ukraine. Wenige Tage später gründete die gebürtige Ukrainerin Ekaterina Turowski in Ratzeburg den Verein ‚Ratzeburg hilft‘. Seitdem werden Hilfsgüter und Spenden gesammelt, um den leidenden Menschen in der Ukraine zu helfen. Im Ratzeburger Burgtheater werden die gespendeten Güter und die vom Verein angeschafften Dinge sicher gelagert, um sie zu den Menschen vor Ort zu bringen. Bislang wurde an der polnisch-ukrainischen Grenze umgeladen, jetzt konnte erstmals ein Transport direkt in die befreiten Gebiete aufbrechen. Mit an Bord eine ortskundige Ärztin aus dem Gebiet aus der Oblast (vergleichbar mit unseren Bundesländern) Charkiw.
Im September haben die Kämpfe dort aufgehört, jetzt kehren immer mehr geflüchtete Menschen in die Region zurück, um dort die Grundversorgung wieder herzustellen. Die Ärztin Kristina, deren Namen haben wir hier geändert, hat dort unter schwierigsten Bedingungen gearbeitet und konnte nach Ende der Kämpfe Familienangehörige in Polen besuchen. Von einem ukrainischen Partnerverein hatte Kristina von ‚Ratzeburg hilft‘ erfahren und Kontakt aufgenommen. Über Hamburg kam sie nach Ratzeburg, um den ersten Direkttransport in die befreite Region zu begleiten.
„Mit diesem Transport haben wir mittlerweile Hilfsgüter im Wert von mehr als einer Million Euro in die Ukraine auf den Weg gebracht“, berichtet Ekaterina Turowski bei einem gemeinsamen Pressegespräch. Natürlich freut sie sich über die große Hilfsbereitschaft hier, freut sich, dass die Güter immer dort ankommen, wo sie hinsollen und gebraucht werden. Davon kann sie sich in unzähligen Video-Botschaften überzeugen. Dennoch überwiegt bei der jungen Mutter das Mitgefühl für das Leid in der Ukraine.
Auch die gestandene Ärztin Kristina möchte mit Hilfe der Übersetzung von Turowski mit der Presse über das sprechen, was sie in ihrer Heimat erlebt hat und wie es dort aussieht. Immer wieder zeigt sie Bilder auf ihrem Smartphone von zerbombten Gebäuden aus ihrem Heimatort, von Massengräbern in den umliegenden Wäldern. Es wirkt ein wenig so, als wolle sie uns Pressevertretern „beweisen“, wie viel Elend dort in wenigen Monaten entstanden ist und ihre schrecklichen Erfahrungen teilen, um es selbst besser ertragen zu können.
Kristina berichtet von ihrer besten Freundin, die mit ihrer gesamten Familie einem Bombenangriff zum Opfer fiel, als sie im Keller ihres Mehrfamilienhauses Schutz gesucht hatten. Nach dem Rückzug der russischen Truppen habe man gesehen, dass die Wohnungen aufgebrochen und geplündert wurden. Über die Zahnbürsten habe man schließlich die Toten mittels DNA-Abgleich identifizieren können.
„Es ist ein ganz brutaler Krieg; Russland kämpft auch mit Kindern“, sagt Kristina. Unter Tränen berichtet Kristina aber auch, dass ihr Ehemann weiter aktiv an den Kämpfen zur Befreiung der besetzten Gebiete teilnehme. Der Zusammenhalt innerhalb der ukrainischen Truppen und in der Bevölkerung sei sehr groß, aber alle Erfolge bei Zurückeroberungen seien auch nur möglich mit Hilfe von Waffen aus dem Westen. „Diese Waffen haben entscheidend zur Befreiung beigetragen“, ist Kristina sicher.
„Es gibt die staatlichen und europäischen Hilfen, aber durch die Kontakte von ‚Ratzeburg hilft‘, wissen wir, was wo punktuell gebraucht wird“, sagt Ekaterinas Ehemann Martin Turowski. Und so finden sich unter Verschluss im Keller des Burgtheaters Zelte, Stromgeneratoren auch für Krankenhäuser, Iso-Matten, Medikamente, Hygieneartikel, haltbare Lebensmittel und einiges mehr, was materiell gespendet oder Dank Geldspenden von ‚Ratzeburg hilft‘ für diesen Transport erworben wurde. „Die Menschen in meiner Heimat haben diese Dinge seit acht Monaten nicht gesehen“, sagt Kristina, „und die Raketen fliegen immer weiter“. Die russischen Bodentruppen seien derzeit rund 40 Kilometer von ihrer Heimat entfernt und die Menschen in dem befreiten Gebiet unternehmen alles, um die Region zu entminen und die Grundversorgung wiederherzustellen. Aktuell herrschen dort schon frostige Temperaturen und eine Kälte von minus 20 Grad Celsius sei im Winter üblich.
„Die Menschen in der Ukraine kämpfen um die europäische Freiheit“, sagt Kristina. Und: „Ohne die Unterstützung von hier hätten viele Menschen dort nicht überlebt“. Die Menschen dort seien sehr dankbar für die Arbeit von Ratzeburg hilft.
Nach einer knappen Woche in Polen und Deutschland macht sich Kristina nun mit einem Fahrer auf den Weg, um die Hilfsgüter in ihre Heimat zu bringen. Über 2.000 Kilometer sind es und sie hofft, dass die Wartezeiten an den Grenzen nicht zu lang sind und dass Tanken nicht zum Problem wird. Mindestens zwei Tage werden sie unterwegs sein. Sobald alles am Zielort abgeladen ist, geht Kristina wieder ihrer Arbeit als Ärztin nach.
Informationen zum Verein ‚Ratzeburg hilft‘, zu aktuell benötigten Hilfsgütern und die Bankverbindung für Spenden unter ratzeburg-hilft.de.